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The Velvet Underground - The Velvet Underground & Nico (45th anniversary deluxe edition)

The Velvet Underground- The Velvet Underground & Nico (45th anniversary deluxe edition)

Polydor / Universal
VÖ: 26.10.2012

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Das Mutterschiff

Für die popkulturelle Zeitgeschichte ist das Debütalbum von The Velvet Underground mehr als nur ein herausragendes und sicherlich wegweisendes Meisterwerk. Jedes kleinste Detail klingt gleichzeitig fein austariert und dennoch fahrlässig schlampig - eine reine Lehrstunde der Dekonstruktion von Rock und Pop, die im März 1967 dringend notwendig gewesen sein muss. Und dass dieses Album auch noch von Ur-Hipster Andy Warhol produziert wurde, setzt dem Ganzen die Krone auf. Zum 45. Jubiläum - natürlich, wann denn sonst? - erscheinen nun verschiedene Box-Sets und Re-Releases, und wer sich die weltbekannteste Banane nicht spätestens jetzt ins heimische Regal holt, hat entweder keine Lust auf aufgepimpte Re-Releases oder schlicht keinen Geschmack.

Denn eines dürfte jedem halbwegs interessierten Aficionado klar sein: The Velvet Underground zählen zu den Wegbereitern der Rockmusik, wie wir sie heute kennen. Ohne Lou Reed und Co. hätte die popkulturelle Evolution sicherlich andere Abzweigungen genommen. Punk, No Wave, Garage und Noiserock - all diese Genres spiegeln sich in diesem Debüt wider, wären ohne diese elf Stücke vielleicht gar nicht denkbar. Schließlich ging es auch darum, keine Kompromisse einzugehen, was folglich dazu führte, dass The Velvet Underground eine Platte komponierten, die die perfekte Balance zwischen Schönklang und Zerstörung suchte und fand. Den New Yorkern gelang es auf wundersame Weise, Widersprüche aufzulösen und zu zerstäuben: Sie steckten ein ungeahnt weites Feld ab und bewegten sich mit traumwandlerischer Unsicherheit zwischen sensiblem Folkrock und wilden Noise-Kapriolen, ohne beliebig zu klingen.

Der Opener "Sunday morning" ist beispielsweise eine zart-besaitete Folk-Nummer, die auf harmonisch-melodiöse Weise von Desillusion und Resignation berichtet: "Sunday morning / And I'm falling / I've got a feeling / I don't wanna know." "The Velvet Underground & Nico" konzentriert sich per se auf die dunklen Seiten des Lebens, erzählt Drogen-, Sex- und andere Rock'n'Roll-Geschichten und ist dabei konsequenter, als es ein Peter Doherty je sein wird. Die Platte lebt von ihrer Tragik, von der Schönheit, die sich im Niedergang bricht, von all den Dingen, an denen sich Menschen berauschen, bevor sie auf bittere Weise zugrunde gehen. Das düstere Doppel aus "Femme fatale" und "Venus in furs" öffnet den Blick für komplett zersetzte und aus dem Ruder laufende Beziehungen, wobei das beschriebene Frauenbild in seiner extremen Progressivität sicher Stoff für Kontroversen böte - würde man sich daran aufhängen wollen. Zumal mit der Deutschen Christa Päffgen alias Nico die progressivste Frau hier ohnehin am Mikro stand.

Mit dem fahrlässigen "I'm waiting for the man" und dem zentralen Siebenminüter "Heroin" skizzieren Reed, Cage und Co. Hintergrundgeschichten rund um das sündige Suchtverhalten depravierter Großstadt-Jünglinge und zeichneten ein ganz anderes Bild von Drogenkonsum, als es zum Beispiel die Beatles im selben Jahr mit "Lucy in the sky with diamonds" taten. Keine "marmelade skies" und "kaleidoscope eyes" - hier heißt es dann eher: "I have made big decision / I'm gonna try to nullify my life / 'Cause when the blood begins to flow / When it shoots up the dropper's neck / When I'm closing in on death." The Velvet Underground blickten in den Abgrund, während die anderen im Schneidersitz auf regenbogenfarbenen Wolken saßen und sich lange Bärte wachsen ließen.

Auf der Bonus-CD befinden sich dann durchaus nennenswerte Extras, die einen tieferen Einblick in das Schaffen von The Velvet Underground rund um ihr Debüt gewähren. So erfährt der Hörer etwa, wie man die eh schon recht zerschossene Abschluss-Grätsche "European son" auf andere Arten in den Abgrund stoßen kann. Das Digipak zum Jubiläum liefert neben einfachen Alternativ-Versionen einiger Stücke auch noch exklusives Material der Sessions aus den Scepter Studios in Manhattan und den "Factory rehearsals", inklusive einiger interessanter B-Seiten. Sicherlich ist das Bonusmaterial kein absolutes Muss, doch für Menschen, die sich noch tiefer in das faszinierende Universum dieser Band einarbeiten wollen, kann es natürlich niemals genug sein. So oder so: Ein Meilenstein, fürwahr. Alles Gute zum 45.!

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Sunday morning
  • Femme fatale
  • Venus in furs
  • Heroin
  • There she goes again
  • I'll be your mirror (Scepter studio sessions)

Tracklist

  • CD 1
    1. Sunday morning
    2. I'm waiting for the man
    3. Femme fatale
    4. Venus in furs
    5. Run run run
    6. All tomorrow's parties
    7. Heroin
    8. There she goes again
    9. I'll be your mirror
    10. The black angel's death song
    11. European son
    12. All tomorrow's parties (Alternate single voice version)
    13. European son (Alternate version)
    14. Heroin (Alternate version)
    15. All tomorrow's parties (Alternate instrumental mix)
    16. I'll be your mirror (Alternate mix)
  • CD 2
    1. European son (Scepter studio sessions)
    2. The black angel's death song (Scepter studio sessions)
    3. All tomorrow's parties (Scepter studio sessions)
    4. I'll be your mirror (Scepter studio sessions)
    5. Heroin (Scepter studio sessions)
    6. Femme fatale (Scepter studio sessions)
    7. Venus in furs (Scepter studio sessions)
    8. Waiting for the man (Scepter studio sessions)
    9. Run run run (Scepter studio sessions)
    10. Walk alone (The Factory rehearsals)
    11. Crackin' up / Venus in furs (The Factory rehearsals)
    12. Miss Joanie Lee (The Factory rehearsals)
    13. Heroin (The Factory rehearsals)
    14. There she goes again (with Nico) (The Factory rehearsals)
    15. There she goes again (The Factory rehearsals)

Gesamtspielzeit: 151:39 min.

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