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Neneh Cherry & The Thing - The Cherry Thing

Neneh Cherry & The Thing- The Cherry Thing

Smalltown Supersound / Soulfood
VÖ: 15.06.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Gut essen

Jemand hat mal gesagt, man fange mit 30 an, sich für Jazz zu begeistern. Das mag für Leute stimmen, die damit die weichgespülten Beats und dudeliges Hintergrundgeklimper verbinden. Aber die interessieren sich schon vor ihrem vierten Lebensjahrzehnt nicht wirklich für Musik. Denn erst, wenn unter den polierten Oberflächen ein verstörendes Inneres lauert, darfst Du es Jazz nennen. Und damit treibst Du noch jeden Aperol-Sprizz-schlürfenden Möchtegern-Bohemien in die Flucht. Egal, wie alt er/sie/es sich gerade fühlt.

Auch dass eine Pop-Ikone wie Neneh Cherry mit knapp fünfzig Jahren am Thema Jazz versucht, hat wenig bis nichts mit dem Alter zu tun. Dass ihr Stiefvater ausgerechnet Freejazz-Legende Don Cherry war, wäre da schon eher ein Indiz. Außerdem polterte Cherry schon in jungen Jahren - und vor ihrem Erfolg mit hiphoppoppigen Hymnen wie "Buffalo stance" und "Manchild" - mit Rip Rip + Panic durch dissonanten Postpunk, dessen dilettantischer Ehrgeiz durchaus als jazzig zu bezeichnen war. Und weil mittlerweile Cherrys eigener Stiefsohn Marlon Roudette das mit dem Pop macht, kann sich Cherry wieder den ungehobelten Klängen widmen. Dafür nahm sie die Hilfe der skandinavischen Lärmexperten The Thing um Mats Gustafsson, die sich einst mal gegründet hatten, um Don-Cherry-Kompositionen zu zerlegen, hörbar gerne an.

Der Einfachheit halber nennen Neneh Cherry und The Thing ihr gemeinsames Werk "The Cherry Thing". Doch einfach machen sie sich hier sonst nichts. Gleich wenn sie sich mit "Cashback" in einen neuen Cherry-Song stürzen, bleibt kaum ein Stein auf dem anderen: Cherry packt ihre Angefressenheit in eine dieser bittersüßen Melodien, für die man sie schon immer verehren durfte. Ingebrigt Håker Flatens voluminöser Kontrabass treibt sie zur Eile an. Dann grätscht Gustafssons Gebläse um ersten und keineswegs letzten Mal dazwischen, während Paal Nilssen-Loves Schlagwerk mit skalpellartiger Präzision leichtfüßige Mikrorhythmen und mehrdimensionale Breaks ein- und umwirft. Als dann Gustafsson mit der bassigen Grundierung frei zu drehen beginnt, holt sie Cherrys melodische Leidenschaft wieder zurück zum Song.

Weil die improvisierte Varianz natürlich das konzeptionelle Großziel aller Jazzer ist, gehören mutwillige Verstümmelungen zum guten Ton. Deshalb filetieren die Schweden aus Suicides diabetischem "Dream baby dream" die Melodie heraus, nur um sie unter genüsslicher Motiv-Wiederholung in handliche Zuckerbrocken zu zersägen. Martina Topley-Birds Elektro-Blues "Too tough to die" wird hingegen dezent tollwütig. Von Madvillains "Accordion" bleibt dann nur der Text. Die Band entfernt den kopfnickenden Beat, damit Cherry stattdessen mit beseelter Scat-Phrasierung eine Melodie implantieren darf. Bei "Dirt" von den Stooges räkeln sich Gustafsson und Cherry über einem herrlich primitivistischen Beat. Doch es bedarf nicht erst der Ausflügen in vormals konventionelle Hörgewohnheiten, um die Ausbruchsfreude dieser Band zu stimulieren. Auch im guten alten Freejazz füGustafssons "Sudden movement" erscheint bis auf die multiformen Ausritte fast schlicht, Stiefpapa Cherrys "Golden heart" bekommt psychedelische Züge, und Ornette Colemans "What reason" zerfließt in romantischer Kakophonie. Diese Musik zeigt bei allem Zerstörungsmut, wie liebevoll und harmonisch Musik sein kann. Eine unvermutete und doch so naheliegende Kollaboration. Jazz ist eben anders.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Cashback
  • Dream baby dream
  • Too tough to die
  • Dirt

Tracklist

  1. Cashback
  2. Dream baby dream
  3. Too tough to die
  4. Sudden movement
  5. Accordion
  6. Golden heart
  7. Dirt
  8. What reason

Gesamtspielzeit: 64:17 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

SiebenJährigesSohn

Postings: 245

Registriert seit 10.08.2013

2014-02-18 11:12:01 Uhr
dann sehen wir uns in köln; vielleicht sollte man das.
R
2014-02-18 10:34:04 Uhr
vlt sollte man einen Thread zum Album öffnen?
R
2014-02-18 10:30:54 Uhr
ich hab schon Tickets für Köln:-)

SiebenJährigesSohn

Postings: 245

Registriert seit 10.08.2013

2014-02-18 10:10:24 Uhr
ich weise dann mal auf die Tour im März hin.
R
2014-02-18 09:29:32 Uhr
@SiebenJährigesSohn
Danke für den Link!

Habe gerade mal reingehört. Manche Stücke, "across the water", "naked" oder "cynical" sind sehr reduziert, im positiven Sinne. Neneh singt sehr authentisch. Das Album ist eine schöne Melange aus Soul, Hip-Hop, Jazz und D&B.
Wunderschön!
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