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Carter Tutti Void - Transverse

Carter Tutti Void- Transverse

Mute / GoodToGo
VÖ: 23.03.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Kurzschluss jetzt

Eine Legende ohne Ende? Es hatte zumindest diesen Anschein, als Throbbing Gristle, die britischen Erfinder der Industrial Music, vor ein paar Jahren ihren Rücktritt vom Rücktritt bekanntgaben, Reunion-Shows spielten und sogar von einem neuen Album in Originalbesetzung die Rede war. Doch es kam anders: Genesis P. Orridge kehrte der Band den Rücken, Peter Christopherson starb 2010. Folgerichtig wird "Desertshore", eine von Christopherson begonnene, komplette Reinterpretation des gleichnamigen Nico-Albums von 1970, die unwiderruflich finale Throbbing-Gristle-Platte sein - vollendet von den beiden letzten Mitgliedern Chris Carter und Cosey Fanni Tutti alias Carter Tutti, die man als Duo bis vor einiger Zeit noch als Chris & Cosey kannte.

Allmählich ist es also Zeit, die musikalische Nachkommenschaft zu sichten. Zum Beispiel Factory Floor aus London, die Post Punk mit aufgeworfenen elektronischen Soundkratern koppeln und damit nicht nur DFA Records, sondern auch Carter und Tutti beeindruckten. Als es nämlich darum ging, für den Auftritt beim 2011er "Mute at Short Circuit"-Festival in London Verstärkung zu finden, war mit Nik Void, Frontfrau von Factory Floor, schnell geeignetes Personal zur Hand. Auf dem Programm: eine im Studio nur rudimentär vorbereitete Performance, bei der Carter einige der denkbar discofernsten Rhythmen aus seinem Powerbook holt, während Tutti abwechselnd die Saiten malträtiert und entrückte Vocal-Mantras von sich gibt - und die Frequenzen, die Void ihrer Gitarre mit dem Cellobogen entlockt, gehören sicher auch nicht zu den leichtverdaulichsten.

Ein Optimist, wer bei dieser Versuchsanordnung auf dem passenden Mitschnitt so etwas wie Popmusik erwartet. Die mit "V1" bis "V4" durchnummerierte Trackliste deutet es bereits an: Hier geht es um Themenvariationen statt um klar voneinander abzugrenzende Einzelstücke, um langgezogen morphende Installationen statt um Songs, um Geräusch gewordene Kurzschlüsse statt um rund laufende Schaltkreise. Live-Album, elektrifiziertes Krautrock-Improvisationstheater, Tag der offenen Tür im musikalischen Reinraumlabor - wie man diese vier klanglichen Aufzüge am besten in Worte fassen soll, bleibt zwar unklar, ist aber auch letztendlich nicht so wichtig. Hauptsache: "Transverse" fesselt nach anfänglicher Befremdlichkeit ungemein.

Mit vier mal zehn Minuten, die sich stets zu einem mehr oder weniger lärmigen Dickicht aus maschinellen Modulationen, zerrenden Störgeräuschen und vereinzelten saftigen Beats steigern. Der Abschnitt "V2" sei stellvertretend für sein besonders hypnotisch rotierendes Geschepper erwähnt, auch wenn er gegen Ende von schreienden Transistoren zerrissen wird - doch bald schallen wieder Geisterstimmen aus der Zwischenwelt herüber und steigen simulierte Höhlengeräusche aus synthetischen Tiefen empor, während die Beteiligten fachkundig ihre Instrumente zerlegen. Näher als hier waren Carter und Tutti jedenfalls lange nicht mehr an Throbbing Gristle - und falls jemand ein paar abschließende Worte zum allmählich überlebten elektronischen Drone-Bastard Witch House sagen möchte, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt. Eine faszinierende Industriebrache ohne doppelten Tanzboden.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • V2

Tracklist

  1. V1
  2. V2
  3. V3
  4. V4

Gesamtspielzeit: 39:29 min.

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