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Bonnie 'Prince' Billy - Wolfroy goes to town

Bonnie 'Prince' Billy- Wolfroy goes to town

Domino / GoodToGo
VÖ: 28.10.2011

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Kein Gramm zu viel

Wann immer sich Musiker während der letzten 100 Jahre in God's Own Country, den Vereinigten Staaten, von Gott verlassen fühlten, wandte sich ein Teil von ihnen mit seiner Seelenpein trostsuchend an seinen Schöpfer - die Schwarzen mit dem Blues, die Weißen mit dem Country. Will Oldham, den bärtigen Poeten-Propheten und Teilzeit-Botschafter der Traurigkeit, würde man intuitiv wegen seines schmerzerfahrenen Alternative Country auch gern zur Kaste der Erlösungs-Sucher rechnen. Dem doppelbödigen Umgang, den Oldham als Bonnie 'Prince' Billy mit sich und seiner Musik bisweilen pflegt, würde das jedoch nicht gerecht. Denn auch der neueste Streich des Musikers aus Louisville, Kentucky ist nicht - oder zumindest nicht nur - was seine Oberfläche suggeriert.

Musikalisch könnte die Platte die Antithese zu "Beware" von 2009 sein: Die Schwermut sitzt beiden Alben zwar gleichermaßen im Nacken, doch während der Country-Vibe des Quasi-Vorgängers vital und zupackend an der Welt litt, gleicht das aktuelle Album einem musikalischen Magermodel. "Wolfroy goes to town" verzichtet auf jedes sahnige Mundharmonika-Topping, jedes überflüssige Gramm E-Gitarre und Perkussion hat sich der Sound weggehungert. Beinahe meint man, der nur gelegentlich von einer wärmenden Orgel-Decke umwickelten Akustikgitarre bis auf die blanken Knochen und Oldham bei seinen sich intim dahinschleppenden Country-Klageliedern bis in die Seele blicken zu können. Eine sakrale Ruhe durchflutet die Songs, und wenn Oldham im Opener "No match" mit vermeintlich religiöser Inbrunst singt "Good god guides us / Bad god leaves us", scheint alles auf spirituelle Besinnlichkeit im Country-Format hinauszulaufen.

Doch egal, wie erhaben die gesanglichen Duette klingen, die im Zentrum fast aller Songs stehen und in denen Oldhams latent brüchige Stimme durch das weibliche Organ von Angel Olsen ausbalanciert wird: Er schafft immer einen seltsamen Spagat aus Humor und Ernst. Wenn er in "Quail and dumplings", dem dynamischen und songschreiberischen Höhepunkt des Albums, voller Gottvertrauen darauf baut, spätestens im Jenseits mit einem vollen Teller für diesseitiges Leid entschädigt zu werden, ist das gleichermaßen erhebend wie ulkig. Zeilen wie "As boys / We fucked each other / As men / We lie and smile", denen man lange nachspüren kann, reißen einen außerdem immer wieder angenehm aus dem einlullenden Ganzen des Albums heraus. Und ab und an schwillt sogar ein Stück elektrisch und instrumental gesättigt zu voller Pracht an - so wie "Cows" kurzzeitig gegen Ende.

Wie schon mit zuletzt mit "Beware" über "The wonder show of the world" mit The Cairo Gang bis hin zu einem Hörspiel und einem Beitrag für einen Sufjan-Stevens-Tribute erkundet Oldham auf "Wolfroy goes to town" seine musikalische Welt also wieder aus einem anderen Blickwinkel. Neue Alben sind für den Musiker derzeit offenbar vor allem eine Möglichkeit, eine andere Facette, eine andere Rolle seiner Person zu verwirklichen. Und so schön und hörenswert das Ergebnis klingt: Von sich selbst gibt er als Erzähler dabei nur scheinbar etwas preis. Und berührt einen deshalb an keiner Stelle annähernd so tief, wie er es früher einmal getan hat.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • New whaling
  • Cows
  • Quail and dumplings

Tracklist

  1. No match
  2. New whaling
  3. Time to be clear
  4. New Tibet
  5. Black captain
  6. Cows
  7. There will be spring
  8. Quail and dumplings
  9. We are unhappy
  10. Night noises

Gesamtspielzeit: 50:25 min.

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