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Tinariwen - Tassili

Tinariwen- Tassili

V2 / Cooperative
VÖ: 02.09.2011

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Unbewaffneter Widerstand

Pop und Politik sind zwei Felder, die meistens besser getrennt bleiben sollten. Weil es manchmal einfach sehr unangenehm werden kann, wenn sich Musiker zu tief in die politischen Belange dieser Welt knien. Bono von U2 kann davon ein Lied singen, hat er sogar. Eine Band wir Tinariwen aber hat historisch bedingt alles Recht dieser Welt, um sich politisch zu engagieren und dies in Form von Pop im weitesten Sinne. Gegründet wurde Tinariwen bereits Ende der 1970er in Flüchtlingscamps in Libyen von Nomaden der Tuareg, nach ihrer Kriegsflucht aus dem Heimatland Mali und der Wüste Sahara. Ende der 1980er kehrten die Bandmitglieder nach Mali zurück und waren Teil einer bewaffneten Rebellion, nachdem sie zuvor von Muammar al-Gaddafi in Libyen militärisch ausgebildet wurden. Die anschließende Friedensvereinbarung zwischen den Rebellen und der Regierung war der Grundstein für die Mitglieder von Tinariwen, sich ausschließlich der Musik und dem Kampf für den Frieden, diesmal nur mit anderen Mitteln, zu widmen. Soweit also die politische Dimension, die hier kaum trennbar von der musikalischen existiert.

Wirklich entdeckt wurde die Band erst weitere zehn Jahre später, und im Jahr 2001 erschien das erste von mittlerweile fünf Studioalben. "Tassili" ist nun ein weiterer Baustein für den stetig wachsenden Erfolg und die internationale Anerkennung von Tinariwen, nicht nur in musikalischer, sondern auch in politischer Hinsicht. Als Gäste auf "Tassili" finden sich neben Nels Cline von Wilco und der Dirty Dozen Brass Band auch Kyp Malone und Tunde Adebimpe von TV On The Radio. Wirklich beeindruckend an diesen Gästen ist allerdings, dass sie kaum auffallen, sich nicht in den Fokus drängen, sondern sich genauso dem Kollektiv und der Sache unterordnen, wie es den übrigen Musikern von Tinariwen auch gelingt. Dabei liegt die musikalische Verbindung zwischen den unterschiedlichen Kollaborateuren von den verschiedenen Kontinenten nicht unbedingt nahe. Der Sound von Tinariwen auf "Tassili" ist ein afrikanischer, sehr kahler, spröder, in sich gekehrter, der eben genau die Wüstenregion einfängt, aus der die Musiker stammen.

Intime und warme, ja freundschaftliche Lagerfeuermusik ist hier entstanden, vermengt mit der Idee des amerikanischen Blues und Folk. Selten einmal kommt in diesen sehnsuchtsvoll melancholischen Stücken mehr zum Einsatz als karge Akustikgitarren, verschiedene Perkussionsinstrumente, Handclaps und die mehrstimmigen Vocals der Bandmitglieder, die in den besten Momenten ob ihrer Intensität eine nachhaltige Gänsehaut hinterlassen. Lediglich die Blechbläser der Dirty Dozen Brass Band schmiegen sich in das ansonsten durchweg schlichte Soundkonstrukt von "Ya messinagh". Den nachdrücklichsten und wärmsten Eindruck hinterlässt "Walla illa" mit seinen beschwörerischen Gesängen und der optimistischen Melodie. Hoffnung ist das zentrale Thema auf "Tassili". Die Hoffnung, dass die Menschen in Afrika eines Tages tatsächlich frei leben können und sich nicht mehr unterdrücken lassen müssen. Damit ist Tinariwen eine der zentralen Stimmen des afrikanischen Aufbruchs, der in den letzten Monaten in den nordafrikanischen Staaten begonnen hat. Wie dies mit der militärischen Ausbildung in den Camps von al-Gaddafi zusammenpasst? Tja, meistens ist Politik einfach komplizierter als Pop. Aber diese Art der Rebellion auf "Tassili", die lassen auch wir uns gerne gefallen.

(Kai Wehmeier)

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Highlights

  • Ya messinagh
  • Walla illa
  • Tamiditin tan ufrawan

Tracklist

  1. Imidiwan ma tenam
  2. Assuf d alwa
  3. Tenere taqhim tossam
  4. Ya messinagh
  5. Walla illa
  6. Tameyawt
  7. Imidiwan win Sahara
  8. Tamiditin tan ufrawan
  9. Tilliaden osamnat
  10. Djeredjere
  11. Iswegh attay
  12. Takest tamidaret

Gesamtspielzeit: 53:55 min.

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