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TV On The Radio - Nine types of light

TV On The Radio- Nine types of light

Interscope / Universal
VÖ: 15.04.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Hummeln im Bauch

Man könnte meinen, TV On The Radio tanzen ihre Musik eher, statt sie zu spielen. Seit Jahren steigen sie immer ein Stückchen tiefer in die musikalische Vergangenheit hinab, während sie in ihrer eigenen Bandgeschichte ausschließlich vorangehen - von den ganzen Seit- und Ausfallschritten ganz zu schweigen. War "Return to Cookie Mountain" noch ein genialistischer Bastard, der sich mit Lärm, Druck und Überzeugung in der Gegenwart hielt, so deutete "Dear science" mehr als an, dass sich TV On The Radio ihren neuen Ankerplatz im Pop suchen würden. "Nine types of light" vertäut nun die Seile und lädt zur Party auf ein Oberdeck, dessen Nachschub aus dem Schiffsrumpf einem Fass ohne Boden gleicht.

Inspiriert nicht unbedingt von der Thematik, wohl aber von Aufbau und Architektur des Liebesliedes, neigt der Pop folgerichtig öfter einmal zum Überschnappen, verwindet sich mit und in sich selbst. Gleich "Second song" ist ein derartiger Überwältigungsmarathon in Americana, Krautrockbass, E-Piano, Soulbeat, so was wie Mundharmonika-A-Cappella, Bee-Gees-Falsett und Bläserfinale, dass der Hörer sich fragt, wie, verdammt noch eins, "Nine types of light" anschließend nicht vollkommen entkräftet über die eigenen Füße stolpern will. Allerdings, man weiß es ja: Sich selbst überfordert haben TV On The Radio noch nie.

Auch wenn sich das stets und ständig so anhört: "Keep your heart" und "You" tiggern und flackern über so ziemlich alles, was der Instrumentenpark hergibt, um die Melodien ordentlich auszustellen, finden irgendwann aber, dass es doch noch ein paar Töne unter Johnny Cash und mindestens ebenso viele über Robin Gibb geben muss - selbst wenn das nur auf den zweiten Blick so wirklich reinpasst. Doch dass nur das Abseitige und Extravagante in ihrem Getümmel wirklich Sinn ergibt, ist genau der Trumpf, den TV On The Radio nach wie vor ausspielen wie kaum jemand anders.

Die Beats - häufig durch ebenso kurz- wie gegenläufige Gitarrenmelodien kongenial in Bewegung versetzt - und die selbst im Bratzen stets fließende Elektronik sind die großen Baumeister ihrer Arrangements. Dabei muss es nicht immer derart offensiv zugehen wie beim abschließenden "Caffeinated consciousness", dessen Riff sich in Richtung frühe Chumbawamba oder Big Audio Dynamite vorwagt, um zum Refrain mühelos Abbitte zu leisten. Mehr auf seine paar Grundpfeiler verlässt sich nur noch "Will do", das den gesamten Orchestergraben des trauernden "Killer crane" über Bord kippt, seine Grundstimmung aber beibehält und in schillernden Balladen-Pop umwandelt.

Ansonsten aber bewahren Sound und Produktion jedes einzelnen Instruments Kante genug, um im Popuniversum groß aufzugehen. Das zeigt sich am pumpenden Beat von "No future shock", unter dessen zuckender Oberfläche ein Bloc-Party-Bluthund rastlos seine Runden dreht und den Song vorantreibt. An "New cannonball blues", bei dem Tunde Adebimpes und Kyp Malones Phrasierungen wohl am deutlichsten in Richtung Prince abhauen. Oder am mit großer melodiöser Kraft aufsteigenden Finale von "Forgotten" sowie am Gitarren-Lärm, den "Repetition" über seinen Krautrock-Beat schiebt.

Identifizieren kann der Hörer nach wie vor alles oder nichts. TV On The Radios Stadt Rom, die Freud einst als metaphorischen Bauplan des Gedächtnisses ausmachte, flackert und strahlt im Lichtermeer eines pulsierenden Jetzt. Archäologen (oder gar Psychoanalytiker) braucht es deshalb nicht, um zu den bedeutenden Schichten von "Nine types of light" vorzudringen. Vielmehr Architekten in Ballkleidern und auf Pogostäben. Denn TV On The Radio schaffen es erneut, dass ihr Referenzbaukasten vielleicht das Rückgrat, keinesfalls aber Herz und Seele ihrer Musik bildet. Ohne beides fände auch der Tanz durch die Vergangenheit auf einem Haufen staubiger Knochen statt. Wer nicht mehr liebt und nicht mehr hört, der lasse sich begraben.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Second song
  • Keep your heart
  • Will do
  • Repetition
  • Forgotten

Tracklist

  1. Second song
  2. Keep your heart
  3. You
  4. No future shock
  5. Killer crane
  6. Will do
  7. New cannonball blues
  8. Repetition
  9. Forgotten
  10. Caffeinated consciousness

Gesamtspielzeit: 43:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
eselhudii
2014-11-22 14:26:13 Uhr
01. Second Song 10/10
02. Keep Your Heart 9/10
03. You 10/10
04. No Future Shock 7/10
05. Killer Crane 8/10
06. Will Do 10/10
07. New Cannonball Blues 6/10
08. Repetition 8/10
09. Forgotten 8/10
10. Caffeinated Consciousness 7/10

total vergessen wie toll die doch war.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2014-11-13 15:35:33 Uhr
Würde mittlerweile schon sagen, dass es ihre Schwächste ist (wobei ich das Debüt nie gehört hab), aber klasse ist sie trotzdem.

01. Second Song 10/10
02. Keep Your Heart 8/10
03. You 7/10
04. No Future Shock 9/10
05. Killer Crane 8/10
06. Will Do 9/10
07. New Cannonball Blues 7/10
08. Repetition 9/10
09. Forgotten 8/10
10. Caffeinated Consciousness 8/10

Demon Cleaner

User und Moderator

Postings: 5646

Registriert seit 15.05.2013

2014-11-13 13:48:34 Uhr
Anlässlich des neuen Album mal wieder rausgekramt, schon ein starkes Ding.

01. Second Song 10/10
02. Keep Your Heart 8/10
03. You 8/10
04. No Future Shock 9/10
05. Killer Crane 9/10
06. Will Do 8/10
07. New Cannonball Blues 7/10
08. Repetition 9/10
09. Forgotten 7/10
10. Caffeinated Consciousness 9/10

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2013-09-14 19:32:42 Uhr
Will Do ist perfekt so wie es ist ;) Ob's ihre Beste ist, weiß ich nicht, sind alle auf nem ähnlich hohen Niveau, aber der Opener ist ihr bester Song, da stimme ich Demon Cleaner zu.

Cosmig Egg

Postings: 766

Registriert seit 13.06.2013

2013-09-14 14:48:54 Uhr
gerade wieder mal komplett angehört.
ich finde es ist ihr bestes.
..... wenn man die remixe von will do am ebde einfach wegblendet
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