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Titus Andronicus - The monitor

Titus Andronicus- The monitor

XL / Import
VÖ: 09.03.2010

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Krieg und Lieben

Am Ende des Tages läuft alles auf das Eine hinaus: Liebe. Die Liebe muss der Grund sein für all die Selbstzweifel, Alkoholexzesse und Kriege, mit denen sich Männer seit Anbeginn der Geschichte herumschlagen. Nicht umsonst ist die letzte Zeile auf "The Monitor", die Titus-Andronicus-Sänger Patrick Stickles mantraartig immer und immer wiederholt: "Please don’t ever leave." Aber bis zu diesem einfachen, verletzlichen Wunsch ist es ein weiter Weg, gesäumt von Urin und Exkrementen, Schlägereien und Verzweiflung, dem Amerikanischen Bürgerkrieg und Bruce Springsteen. Titus Andronicus lassen mit ihrem Zweitwerk "The Monitor", das hierzulande leider nur per Import erhältlich ist, den "War Between The States" in Whisky und Bier ertrinken, frönen zügellosem Folkpunk und sudeln sich in reichlich angekratztem Bombast.

"As a nation of free men, we will live forever or die by suicide": Über eine Stunde vergeht zwischen diesem einleitenden Zitat von Abraham Lincoln und dem letzten Aufbäumen von "The battle of Hampton Roads". Jede einzelne Minute dazwischen ist so intensiv, dass man entweder mit gereckten Fäusten durch die Wohnung springt oder in Tränen ausbricht. Die langen Songs verweigern sich meist konventionellen Strukturen und stapeln eine großartige Idee über die nächste. Gleich zu Beginn quillt "A more perfect union" förmlich über vor Zitaten und Anspielungen auf US-amerikanische Folklore, Melodien zum Mitgröhlen und naiv-ausufernden Soli: Jefferson Davis wird gehängt, John Browns Leiche gefunden und Springsteen paraphrasiert: "Tramps like us, maybe we were born to die." Und wer braucht schon abwechselnde Strophen und Refrains, wenn er gleich im Anschluss "Titus Andronicus forever" haben kann, ein einziges Monster von einem Schlachtruf-Refrain?

Das am Anfang leicht verkaterte "No future part three: Escape from no future" gipfelt in der unausweichlichen, aber befreienden Erkenntnis: "You will always be a loser now, and that’s okay." Ab da hat die Band sich so richtig eingespielt und in ihrem fatalistischen Nach-uns-die-Sintflut-Optimismus eingenistet. Und gerade, als das Schema aus fröhlich-kaputten Schrammelgitarren und ausnahmslos zitatfähigen Texten droht, sich abzunutzen, setzen Titus Andronicus zu ihren Meisterstücken an. "A pot in which to piss“ und "Four score and seven" bilden nicht umsonst die zentralen 18 Minuten einer Platte, auf der es so unglaublich viele Details zu entdecken gibt. Ersteres ist eine Prog-Odyssee, die den ganzen Schöpfungskreis der menschlichen Gefühle abschreitet und spätestens in ausgelassene Partystimmung verfällt, wenn das tänzelnde Saloon-Klavier sich seinen Weg über die schmuddeligen Bretter bahnt und seine Bläser-Freunde mitbringt. Letzteres Stück wandelt sich von Jekyll zu Hyde wie kaum ein anderer Song auf "The Monitor". Zu Beginn herrscht folkige Traurig- und Zerbrechlichkeit, dann steigt das dramatische Orchester ein, und schließlich bricht die Hölle los. Stickles kotzt sich mit irrem Grinsen die Seele aus dem Leib. "As I urinate into the void", wie er sagen würde. Am Ende gewinnen dann trotzdem die anderen.

Jeder einzelne Song hätte hier eigentlich eine Erwähnung verdient, bei einem aber ist es unvermeidlich. Auf 14 Minuten fassen Titus Andronicus auf "The battle of Hampton Roads" noch einmal alles zusammen, was so furchtbar ist an diesem Leben und so fantastisch an dieser Platte: die Zerstörung beim Duell der ersten beiden Panzerschiffe der Geschichte, die herrlich eingängigen Indie-Soli, Selbstzweifel und Kaputtungswille, der grandiose Moment, wenn der Dudelsack einsetzt, Blut, Tränen, Urin, die episch-prachtvolle Komposition - und schließlich die holde Weiblichkeit. Liebe. Eben alles, was Männer früher antrieb oder heute antreibt.

(Maik Maerten)

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Highlights

  • A more perfect union
  • Four score and seven
  • The battle of Hampton Roads

Tracklist

  1. A more perfect union
  2. Titus Andronicus forever
  3. No future part three: Escape from no future
  4. Richard II
  5. A pot in which to piss
  6. Four score and seven
  7. Theme from "Cheers"
  8. To old friends and new
  9. ...And ever
  10. The battle of Hampton Roads

Gesamtspielzeit: 65:23 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9300

Registriert seit 26.02.2016

2021-10-22 14:51:54 Uhr
Lumineers, fuckin' grocery store, festival-kind of thing

Das fällt mir ja jetzt erst auf. :-D

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2021-10-22 12:06:12 Uhr
Die meisten Post-2000-Remaster versteh ich nicht.

humbert humbert

Postings: 2406

Registriert seit 13.06.2013

2021-10-22 10:25:08 Uhr
Das Album ist gerade mal 11 Jahre alt. Was wurde denn da genau remastered?

kenny23

Postings: 506

Registriert seit 07.11.2013

2021-10-22 07:06:10 Uhr
Heute wurde ein Remaster veröffentlicht, Grund genug den Thread dieses großen Meisterwerks nach oben zu holen.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2020-12-17 17:12:31 Uhr
Perfekter Soundtrack zu "Krieg und Frieden". Jemand mal Bock auf ne Session? Gerade mit den Texten ist das Album ja ein Erlebnis.
Zum kompletten Thread

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