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Yann Tiersen - Dust lane

Yann Tiersen- Dust lane

Everything's Calm / Mute / AIP / GoodToGo
VÖ: 08.10.2010

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Vive la vie

Alles war ruhig, die Tage waren trist, und Monster tanzten im Walzertakt. Yann Tiersen machte es sich noch nie einfach. Seine Leidenschaft fürs Halbdunkel und das Expertentum für Kopfkino ließen ihn zu einem gefragten Soundtrack-Komponisten werden, und die Faszination seiner Musik funktionierte stets auch ohne bunte Bilder. Das erreicht man nicht mit Schema F. Tiersens Melodieführung wurzelt zwar tief in der französischen Tradition von Chanson und Musett, aber auch seine charmanten Ohrwürmer tragen stets den doppelten Boden in sich.

Sein sechstes Studioalbum "Dust lane" begann der Bretone zwar als beinahe gewöhnlichen Songzyklus, doch rasch verlor er die Lust daran. Unter dem erschütternden Eindruck des Todes seiner Mutter und eines guten Freundes suchte er Trost in Vielschichtigkeit und Verästelung. Somit verabschiedet sich "Dust lane" endgültig vom Strophe-Bridge-Refrain-Einerlei. Der Multiinstrumentalist experimentierte mit neuen Texturen und vergrub allzu Zärtliches unter Lärm. Wie eine undurchdringliche Mauer schichtete er die Klänge übereinander im Versuch, das kostbare Leben vor dem Leid zu schützen. Und doch ist die Auseinandersetzung des Daseins mit allen Übeln, die notwendigerweise darin vorkommen, das zentrale Thema von "Dust lane".

"Amy" eröffnet das Album mit beinahe fröhlichem Zwitschern und postpunkiger Melancholie, dass man fast Robert Smith zu hören glaubt, das nervöse Flöten aber doch als mundgeblasen erkennt. Die beigebrachten Flötentöne werden den Zuhörer bis zum süßlichen Ende um die Ohren flattern, während links und rechts schon mal das Chaos loszubrechen gedenkt. Man ist bisweilen versucht, sich eine Kreuzung aus frühen Arcade Fire und mittleren Mogwai vorzustellen, verwirft den Gedanken aber rasch, weil schon wieder ein Spielmannszug in die Geisterbahn eingezogen ist.

Tiersen kennt sich eben aus mit rasch wechselnden Stimmungen. Die Grundfarbe seiner Klangmalerei ist aber auch dieses Mal Moll, das mal vorsichtig und mal beinahe euphorisch zwischen Bouzoukis, Mellotron, Geigen, Piano, Mandolinen, Akkordeon, Flöten, alten Moogs und Zerrgitarren seine Möglichkeiten auskostet. Nur Drumsticks und ein paar (Sprech-)Gesangsmikros verlieh der Franzose an Außenstehende wie Matt Elliott, Gravenhursts Dave Collingwood oder Syd Matters' Jonathan Morali. Das führt zum aufbegehrenden "Dark stuff", zum resignierten "Chapter 19", zum verspielten Unbehagen von "Palestine" und zum fröhlichen Abgesang von "Till the end". Im abschließenden "Fuck me" sorgen die unterschwelligen Verwerfungen für zwinkernde Wolkigkeit, weil der eben noch zum Verderben herbeigerufene Engelschor jetzt zum fröhlichen Wettvögeln aufruft und damit einige Turbulenzen auslöst. Das Leben muss weiter gehen - gerade wenn alles im Durcheinander versinkt. Also sind ist die rasche Weitergabe des genetischen Materials durchaus erste Bürgerpflicht. Tiersen ist eben doch Franzose durch und durch.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Dust lane
  • Palestine
  • Chapter 19
  • Till the end

Tracklist

  1. Amy
  2. Dust lane
  3. Dark stuff
  4. Palestine
  5. Chapter 19
  6. Ashes
  7. Till the end
  8. Fuck me

Gesamtspielzeit: 46:25 min.

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