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The Gaslight Anthem - American slang

The Gaslight Anthem- American slang

SideOneDummy / Cargo
VÖ: 18.06.2010

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Eine gemeinsame Sprache

Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Egal, ob man - wie nur wenige - The Gaslight Anthem über "Sink or swim" kennenlernte oder mit dem furiosen "The '59 sound": Seitdem hatten wir die größten Erwartungen. Im Gegensatz zu 2008, als Brian Fallon Dutzende Zeilen sang, die die meisten von uns nie wieder aus dem Kopf und manche auch nicht aus den tätowierten Unterarmen bekommen sollten. Das konnte so kein zweites Mal passieren, das ahnte man schon, als "American slang" angekündigt wurde. Und doch hofften viele heimlich, sich zu irren. Heute wissen wir: Nein, das konnte so kein zweites Mal passieren. Dabei ist die erste Enttäuschung hausgemacht, die entscheidende Frage war und ist schließlich nur die folgende: Sind The Gaslight Anthem auf "American slang" noch die Band, an die wir spätestens im Sommer 2008 unser Herz verloren haben?

Die Antwort gibt "American slang" nach kurzer Zeit von selbst: Das ist noch immer der gleiche hymnische Springsteen-Punk, die gleiche vernarbte Euphorie dem Leben gegenüber, wie man sie von dem Quartett aus New Jersey kennt. Nicht, weil der Band nichts anderes einfiele. Sondern, weil diese Working-Class-Weisheit jenseits jeden Images schlicht das Leben repräsentiert, das die Bandmitglieder leben und von dem sie erzählen können. "When I was a kid, I wanted to play guitar and sing songs, and have people receive them into their lives", schreibt der gelernte Schreiner Brian Fallon im Booklet - mit seiner ganzen Existenz verkörpert er das, was man landläufig als "American Dream" bezeichnet. "American slang" ist daher auch deshalb uramerikanisch, weil Fallon hier seine Geschichten persönlicher denn je erzählt.

Das einleitende Titelstück ist symptomatisch für das, was an "American slang" anders ist: "And when it was over / I woke up alone", resümiert Fallon und meint vielleicht auch die vergangenen zwei Jahre, die ihn zuletzt mit seinem Helden Bruce Springsteen gemeinsam auf mehr als eine Bühne geführt haben. Der Grundton ist nachdenklicher, die Vergangenheit wird reflektiert und ist mehr als nur die Tapete für ein überschäumendes Jetzt-und-Hier-Gefühl. "Es war gut, aber es gab auch Verletzte", beschreibt Bassist Alex Levine diesen leicht veränderten Blickwinkel. Die Musik dazu ist langsamer, ein Midtempo-Punkgroove, der im ersten Moment schlicht und spätestens im dritten überwältigend klingt - das kennt man so auch von Social Distortions Mike Ness, mit dem Fallon längst viel mehr gemein hat als Pomade, Blue Jeans und weißes T-Shirt.

Diese Mischung von gedrosseltem Tempo und dominanten Gitarrenfiguren, von bodenständiger Lebenslust und "Weißt du noch, damals"-Text, überschreibt auch Songs wie "Stay lucky", "Orphans" oder das von Straßengang-Sprechgesang eingeleitete "Boxer". Doch immer gelingt es Fallon, einige Zeilen so inbrünstig in die Welt zu schleudern, dass einzigartige, ergreifende Momente entstehen. "Old haunts" gerät so zu einem leuchtenden Meisterstück: "So don't sing me your songs about the good times / Those days are gone and you should just let them go", zieht er dort die Resignierten wieder in die Gegenwart und erklärt ihnen ihr Vergehen am eigenen Glück: "And shame, shame, shame, shame on you / You kept your mind and heart and youth / Just like a tomb." So konkret und bewusst hat man ihn bisher nicht gehört.

Auf "American slang" erfinden The Gaslight Anthem nichts neu, eher wirkt alles wie der nächste, logische Schritt einer Band, bei der jede gemachte Erfahrung zwangsläufig auf die Musik einwirkt. Kein Wunder also, wenn der erste Satz vom herzerwärmenden "The spirit of jazz" beinahe wie ein Epilog zu "Miles Davis & the cool" vom Vorgänger wirkt: "The cool is dead, baby." Die kleinen Experimente gelingen alle, etwa der soulige Fingerschnips-Punk von "The Diamond Church Street Choir", das den Booker Andy Diamond würdigt, der ihnen in der legendären Court Tavern in der New Brunswicker Church Street live eine Chance gegeben hatte. Eine, die auch "American slang" verdient hat, das sich im Gegenzug schnell als geschlossenstes (wenngleich auch nicht bestes) Album von The Gaslight Anthem offenbart. Man konnte mehr wollen als dieses je nach Sichtweise zweit- oder drittgrößte von drei Meisterwerken, gerecht wäre das jedoch vermutlich nicht gewesen: Wir hatten die größten Erwartungen und wurden am Ende kaum enttäuscht.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • American slang
  • The Diamond Church Street Choir
  • Old haunts
  • The spirit of jazz

Tracklist

  1. American slang
  2. Stay lucky
  3. Bring it on
  4. The Diamond Church Street Choir
  5. The queen of Lower Chelsea
  6. Orphans
  7. Boxer
  8. Old haunts
  9. The spirit of jazz
  10. We did it when we were young

Gesamtspielzeit: 34:15 min.

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User Beitrag

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2016-11-30 11:33:26 Uhr
"Boxer" & "Old haunts" aus der zweiten Hälfte finde ich zum Beispiel gelungener als die Tracks 3 und 5.

Auch "Handwritten" hat seine tollen Momente, genau wie "Get hurt", das ich nicht bei 4/10 sehe. Bei letzterem Album wagte die Band was Anderes, das war den meisten dann auch nicht recht. ;)

Bei TGA genügt es unterm Strich allerdings, "Sink or swim" und "The '59 Sound" im Plattenregal zu haben.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9300

Registriert seit 26.02.2016

2016-11-30 08:40:01 Uhr
Bis "The '59 Sound" fand ich sie ganz gut, ab hier ging die (Selbst-)Kopiererei dann ins Lächerliche.
Loam Galligulla
2016-11-30 01:14:34 Uhr
Nachdem ich die letzten Tage vermehrt der 59´ lauschte musste ich nach rund 5 Jahren auch mal wieder dem Nachfolger lauschen. Machte sofort Klick. Sehr catchy, sehr leichtfüßig, sehr kurz, sehr reflektierend & sehr schwer zu taggen. Die erste Hälfte brettert einen dynamischen Blue Collar Track nach dem anderen aus dem Zylinder und vulkanisiert energisch seine Punk Rock Anleihen sodass keinerlei Second Hand Springsteen Assoziationen geschlossen werden können. Geht nonstop nach vorne, bremst nie ab. Stets euphorisierend. Ab der 2. Hälfte nehmen sie einige bereits abgegriffene Ideen leider erneut in die Hand aber hey, so gut wie von 1.-5. waren sie nie wieder.
Phaon
2011-10-22 12:56:03 Uhr
Zwei Songs wurden sogar häufiger auf SWR3 gespielt.

2011-10-22 00:20:01 Uhr
1 Woche Platz 8 wars, 9 Wochen Charts gesamt. Viel verkaufen muss man dafür heute nicht. War halt die inzwischen recht große Fanbase, wozu nicht zuletzt pt.de beigetragen hat. Nächstes Album geht wohl noch höher.
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