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Rufus Wainwright - All days are nights: Songs for Lulu

Rufus Wainwright- All days are nights: Songs for Lulu

Decca / Universal
VÖ: 30.04.2010

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Zwei Hände für ein Halleluja

Falls noch irgendjemand an der Rezession gezweifelt hatte, dürfte dies nun der endgültige Beweis für ihre Machtübernahme sein: Rufus Wainwright, Meister der Opulenz, der vertonten Kristall-Kronleuchter und des prunkvoll ausstaffierten Broadway-Arrangements, gibt sich auf seinem sechsten Studioalbum "All days are nights: Songs for Lulu" ungewohnt genügsam. Kein Orchester wie auf "Want one", ""Want two" oder "Release the stars", noch nicht einmal eine zaghaft untermalende Violine ist zu hören. Keine Backing Vocals, kein Schlagzeug, kein Bass, keine Gitarre. Nur Klavier und Stimme. Und man vermisst den abwesenden Pomp kein bisschen.

Wainwrights Bemerkung, ein einfaches Klavierstück könne größer sein als eine sechsstündige Oper, wirkt allerdings schon etwas kokett - vor allem angesichts der Tatsache, dass er letztes Jahr mit "Prima Donna" sein Debüt als Opern-Komponist gab. Eine Arie daraus, "Les feux d'artifice t'appellent", hat nun auch ihren Weg auf sein neues Album gefunden, und sogar das Feuerwerk aus der Original-Fassung wurde beibehalten - man kann einem Klavier nicht nur mittels der Tasten Töne entlocken. Mit einem anderen Stück revanchiert sich Monsieur Wainwright bei einer fiesen Opern-Kritikerin: "I will eat you / Your folks and your kids / For breakfast", verkündet er in "Give me what I want and give it to me now!", das allerdings weniger durch seinen undiplomatischen Text als durch sein wahrlich furioses und geradezu halsbrecherisches Arrangement auffällt.

"All days are nights: Songs for Lulu" muss als Liederzyklus verstanden werden, etwa wie Franz Schuberts "Winterreise". Ohnehin sind die zwölf Stücke eher Kunstlieder als Popsongs, eher E-Musik als U-Musik. Während "Rufus does Judy at Carnegie Hall" den Fokus auf Wainwrights herausragende stimmliche Fähigkeiten legte, konzentriert sich das neue Werk nun hauptsächlich auf seine Qualitäten als Pianist und Komponist. Natürlich ist sein Gesang nach wie vor erstklassig, aber auffällig oft stehlen ihm die brillanten Piano-Arrangements die Show. Wainwright selbst bezeichnet das Album als Opfergabe an Lulu, die "dark lady" aus der gleichnamigen Oper von Alban Berg. Selbstverständlich nur eine Metapher für die düsteren Themen des Lebens.

Es geht auf dieser Platte darum, emotionale Herausforderungen zu meistern. Alles beginnt mit perlenden Klavierläufen à la Débussy, einem Spaziergang durch den Big Apple, der Suche nach sich selbst und dem Mut, einfach mal zurückzufragen: "Who are you New York?" Das bewegendste Stück ist zweifelsohne "Martha", die gesungene Anrufbeantworter-Nachricht für Wainwrights Schwester, nicht lange vor dem Tod der Mutter im Januar: "Martha / It's your brother calling / Time to go up North / And see mother / Things are harder for her now." Es ist ja eine alte Familientradition bei den Wainwrights, Privates in Liedern öffentlich zu machen. A propos Tradition: "True loves" und "What would I ever do with a rose?" könnten glatt dem Great American Songbook entstammen.

Wenn es auf "All days are nights: Songs for Lulu" ein Lied gibt, das man tatsächlich als Popsong bezeichnen könnte, dann wäre das "The dream". Ansonsten mäandrieren die Melodien zauberhaft zwischen Dur und Moll - am deutlichsten zu hören bei den drei vertonten Shakespeare-Sonetten, deren Musik ursprünglich für eine Inszenierung des Theaterregisseurs Robert Wilson am Berliner Ensemble komponiert wurde. "Zebulon", das letzte der zwölf Stücke, ist wahrlich kein Lied, das einen mit seinen in Zeitlupe tropfenden Klavierklängen sofort anspringt. Aber wenn der Hall von sich wiederholenden Akkorden Glockengeläut modelliert, wird Wainwrights außergewöhnliche Musikalität in all ihrer Intensität deutlich. Rezession hin oder her - geb'n Se dem Mann am Klavier noch 'en Champagner!

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Who are you New York?
  • Martha
  • True loves
  • The dream
  • Les feux d'artifice t'appellent

Tracklist

  1. Who are you New York?
  2. Sad with what I have
  3. Martha
  4. Give me what I want and give it to me now!
  5. True loves
  6. Sonnet 43
  7. Sonnet 20
  8. Sonnet 10
  9. The dream
  10. What would I ever do with a rose?
  11. Les feux d'artifice t'appellent
  12. Zebulon

Gesamtspielzeit: 48:10 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
sugar ray robinson
2010-05-01 10:44:29 Uhr
Ich finds eher enttäuschend, obwohl ich es mehrfach probiert habe. Ich finde vieles von der Idee und auch von der Melodie her ganz wunderbar, aber seine Stimme macht hier (für mich) vieles kaputt. Ich würde sehr gerne mal "Who Are You NY" von Antony gesungen hören...
Die einzigen wirklich tollen Stücke befinden sich am Ende, "Les Feux" und "Zebulon" gefallen und sind so viel mehr als nur erträglich. Aber wahrscheinlich ist Alles genauso gewollt und ich verstehe den Rest einfach nicht....
Castorp
2010-04-30 23:15:45 Uhr
*mit divenhaft abgespreiztem Zeigefinger Locken in die Haare dreh*
Dötz
2010-04-30 23:01:03 Uhr
Weibermucke
shaddy
2010-04-30 22:18:39 Uhr
ich finds schön :)
Nicht sein zugänglichstes Werk...und sicherlich geschmackssache. Und wenn einem seine Stimme nie gefallen hat, wird man dieses Album mit sicherheit gar nicht mögen ;) Aber ich finds schön...besonders "The Dream" und Zebulon
Ina Simone Mautz
2010-04-29 13:34:14 Uhr
@ Castorp

Genau in die Richtung geht's, ja.
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