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Hypnotic Brass Ensemble - Hypnotic Brass Ensemble

Hypnotic Brass Ensemble- Hypnotic Brass Ensemble

Honest Jon's / Indigo
VÖ: 08.05.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

New York vs. Bielefeld

Der Unterschied zwischen einer deutschen Fußgängerzone und einer belebten New Yorker Straßenecke lässt sich mit einem Wort beschreiben: Panflötenspieler. Während hierzulande Ponchos tragende Holzblasvirtuosen versuchen, sich mit düdeligen Sentimentalitäten die Erde untertan zu machen, beweist die Stadt, die niemals schläft, wie immer mehr Stilbewusstsein. Da schlürft der Passant großstadtneurotisch um die Ecke und sieht sich mit einem Mal einem Blechblasorchester namens Hypnotic Brass Ensemble gegenüber, das ihn mit einer wilden Mischung aus treibendem Funk, HipHop-Beats und den Traditionen des Chicago-Jazz in ungläubiges Staunen versetzt.

So ist es seinerzeit auch Damon Albarn ergangen, der die Band bei einem ihrer spontanen Livekonzerte in den Straßen und U-Bahnschächten Chicagos und New Yorks sah und buchstäblich von der Straße weg für sein Label Honest Jon’s verpflichtete. Darauf veröffentlicht Albarn vor allem Obskuritäten wie westafrikanische Calypsomusik oder in den 1920ern eingesungene Liebeslieder aus Bagdad. Nicht weniger obskur ist das Hypnotic Brass Ensemble. Acht Brüder aus Chicago, allesamt Söhne des Jazz-Trompeters und zeitweiligen Sun-Ra-Weggefährten Phil Cohran, ergänzt um den Schlagzeuger Charles Anderson. Schon im Kindesalter hörten sie abends die Proben des Vaters mit der Jazzavantgarde der Stadt, übten morgens vor der Schule mit ihm ihre Instrumente und besorgten sich parallel HipHop-Tapes. 1999 gründeten die Brüder dann ihr Ensemble, mit dem sie vor allem die erwähnten Straßenkonzerte spielten, bei denen sie selbst produzierte CDs verkauften. Albarn lizenzierte sie allesamt nach und räumte dem Ensemble zugleich die Möglichkeit ein, ein richtiges Studioalbum aufzunehmen.

Dieses spiegelt problemlos den organischen, rohen Straßenpartysound des Ensembles wider, der ohne Umwege "from the soul into the soul" geht. Einzig auf dem großartigen "Ballicki bone" ist mal ein elektrischer Bass zu vernehmen, gespielt von Stargast Flea (Red Hot Chili Peppers). Fünfeinhalb Minuten astreiner Kopfnicker-Jump-up-Stoff, der dennoch mit seiner melancholischen Melodielinie nie Gefahr läuft, platt zu werden. Und bis dahin hat man schon drei Granaten hinter sich. Es dauert beim Albumopener "Alyo" exakt 42 Sekunden, bis beim Einsatz der Solotrompete selbst der graumäusigste Bilanzbuchhalter den berühmten Stock aus dem Arsch nimmt, die nächsten zehn U-Bahnen zur Arbeit einfach fahren lässt und stattdessen lieber mittanzt. Bei "War", dem dritten Song, hat er dann schon Krawatte und Hemd ausgezogen und vor lauter Euphorie per SMS die Kündigung verschickt.

"Flipside", "Marcus Garvey" und vor allem das kosmische "Jupiter" nehmen dann mal ein wenig Fahrt raus und lassen das Publikum entspannt zwischen den Wolkenkratzern schweben. Auf das selbsterklärende "Party started" folgt dann mit dem marschartigen "Rabbit hop" noch eine Coverversion von Moondog, einem blinden Dichter und Musiker, der als hochgeschätzter Sonderling von den vierziger bis siebziger Jahren mit epischem Bart und in ein Wikingerkostüm gehüllt an einer New Yorker Straßenecke herumstand und dort mit Trommel- und Zitherbegleitung seine Gedichte vortrug. Ebenfalls eine Coverversion ist "Sankofa", ursprünglich von Afro-Beat-Legende Tony Allen, dessen Platten Albarn wie auch diejenigen Moondogs auf Honest Jon's (wieder-)veröffentlicht hat. Auch Meister Albarn selbst ist schließlich mit dabei und wirft auf "Rabbit hop (version)" den blubbernden Moog-Synthesizer an.

Dann ist die knappe Stunde Album auch schon rum. Und langsam weichen die Glückshormone der traurigen Erkenntnis, dass man nicht groovend und feiernd auf dem Times Square in Manhattan steht, sondern mitten in der Tristesse einer deutschen Fußgängerzone, neben sich den Panflötenheini, der mit seinem Gedudel die Leute in Schach hält. Und nie war die Repeattaste so wichtig wie in diesem einen Moment.

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • Alyo
  • War
  • Ballicki bone
  • Jupiter

Tracklist

  1. Alyo
  2. Gibbous
  3. War
  4. Ballicki bone
  5. Flipside
  6. Marcus Garvey
  7. Jupiter
  8. Party started
  9. Rabbit hop
  10. Sankofa
  11. Hypnotic
  12. Satin sheets
  13. Rabbit hop (version)

Gesamtspielzeit: 51:48 min.

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