Nachtschichten

Live-Auftritte können etwas Desillusionierendes haben. Musiker starren sich auf die Füße, sind schüchtern und so gar nicht die Rampensäue, die im heimischen Kopfkino beim Hören des neuen Albums abgehen. Ok, bei Tom Waits kommt auch keiner auf die Idee, dass er bei "Real gone" biergeschwängert über die Hirnbühne springt. Vielmehr dürfte Waits zu den Künstlern gehören, die "In concert" kaum enttäuschen können. Das ewige Überschreiben von Konventionen und all die Sperrigkeit sind allein schon Grund genug, sich vom Erwartungsmüll zu befreien. Doch da der Meister eher wenige Auftritte gibt, bleibt kaum etwas anderes übrig, als auf Live-Aufnahmen auszuweichen und ihn doch in der eigenen Vorstellung im Hinterhof der Geräusche zu besuchen.

Und dort findet sich sofort alles bei Hand, von dem man glaubte, dass es da eben so rumliegt. "Lucinda / Ain't goin down" lässt Waits wieder aus dem tiefsten Inneren ertönen. Staubig und ranzig scheppert das Inventar im Hintergrund. Danach versammeln sich alle Schaffensphase aus Waits' Karriere. "Green grass" schafft es nicht ganz, das morbide Uhrwerk vom Studioalbum aufzuziehen, dafür scheint sich "Metropolitan glide" fast zu zerreißen in seiner Atemlosigkeit. "Trampled rose" wird unter den Live-Fittichen geradezu melodisch und wackelt gespenstisch durch die Rotwein-Luft. Ungehobelter und verschwitzter scheinen die Songs auf den Brettern zu liegen. In den einzelnen Momenten kann sich gut in die verrauchte Bar oder die verregnete Straße geträumt werden.

Warum es aber eine halbe Stunde Geschichtsstunde auf der Zusatz-CD geben muss, ist nicht ganz klar. Die Ansagen hätten wesentlich besser zwischen die Songs gepasst, um so das Live-Erlebnis authentischer rüberzubringen und sich nicht einem Studioalbum mit Applaus zu nähern. Auch weshalb die Stücke von verschiedenen Konzerten genommen wurden und versucht wird, sie wie an einem Rutsch gespielt klingen zu lassen, ist unverständlich. Das alles schmälert die Intensität, die hinter einem solchen Album stehen könnte, dann doch erheblich. Die einzelnen Teile sind allesamt herausragende Songs, aber die Summe, die daraus entsteht, ist leider irreal.

Als Momentaufnahmen-Sammlung funktioniert "Glitter and doom live" durchaus gut, aber durch die nachträgliche Bearbeitung wird dem Gesamtwerk jegliche Atmosphäre und Spontanität genommen. Die Frage ist nun, welche Ansprüche an so ein Album gestellt werden. Aber vermutlich kommt man im Leben nicht drum herum, ein Konzert von Tom Waits in echt zu besuchen. So oder so.

(Björn Bischoff)

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Highlights

• Lucinda / Ain't goin down
• Singapore
• Green grass

Tracklist

• CD 1
  1. Lucinda / Ain't goin down
  2. Singapore
  3. Get behind the mule
  4. Fannin Street
  5. Dirt in the ground
  6. Such a scream
  7. Live circus
  8. Goin' out west
  9. Falling down
  10. The part you throw away
  11. Trampled rose
  12. Metropolitan glide
  13. I'll shoot the moon
  14. Green grass
  15. Make it rain
  16. Story
  17. Lucky Day
• CD 2
  1. Tom Tales

Gesamtspielzeit: 104:31 min.

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Referenzen

Nick Cave & The Bad Seeds; The Piano Has Been Drinking; Kaizers Orchestra; Leonard Cohen; Kurt Weill; The Dresden Dolls; Jack Logan; Johnny Dowd; Ramblin' Jack Elliott; Fred Neil; Screamin Jay Hawkins; Giant Sand; Captain Beefheart; Randy Newman; Lou Reed; Frank Zappa; Son House; Bob Dylan; Mark Lanegan; Howlin' Wolf; Sixteen Horsepower; Firewater; Jim White; The Black Heart Procession; Blues Explosion

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