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David Bazan - Curse your branches

David Bazan- Curse your branches

One Four Seven / Cargo
VÖ: 05.10.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Hätte, wenn und aber

Die besten Geschichten begännen oft im Konjunktiv. So auch die von "Curse all your branches", der ersten Langspielplatte von David Bazan. In David Bazans Vita versammeln sich so viele "hätte"s, "wenn"s und "aber"s, dass man sie kaum wälzen kann, ohne zu seufzen, als sitze man ein Dreistunden-Melodram im Nachtprogramm der ARD ab. Wenn Bazan nämlich die richtigen Berater und die falschen Songs mit am Start gehabt hätte, dann wäre er heute womöglich hier ein kleiner Indie-Star. Oder ein bisschen beliebter, als er es ist. Tolle Platten hin, tolle Platten her: ist er aber nicht. Ein Blick ins Archiv verrät: Selbst Threads zu Eiersalat Hawaii sind besser gefüllt als solche zu ihm und seiner ehemaligen "Band", die ja letztlich doch nur aus ihm selbst plus Kollaborateuren bestand. Selbst indiepedia.de-Einträge zu Plattentests.de besser besucht. Dabei waren Pedro The Lion mit das Beste, was man sich im Katalog von Jade Tree zum Geburtstag wünschen konnte. Und David Bazan selbst dann noch ein Songwriter klassischer Schule, als man ihn gerade in der Frühphase schon mal als Emo-Schnitte schubladisieren wollte. Seufz.

Vielleicht liegt es ja daran, dass Bazan ein Projekt-Mensch aus Seattle ist. Immer auf der Jagd. Pedro The Lion gingen auseinander, da hatten sie kaum ihr Zehnjähriges begossen. Danach kamen Headphones, das war das Projekt von Bazan und seinem Kumpel T.W. Walsh - und trotzdem Probleme mit Alkohol. Ganze Platten hatte Bazan vorher gut mit christlichen Werten abgefüllt, sang von Glauben, Zweifel, Eheleben und Ehebruch, vom Leben und vom Leben lassen. Und hinterfragte alles. Nach dem Ableben von Onyx und Viva Zwei wären seine Videos im Zweifel trotzdem eher auf Bibel TV als auf VIVA rotiert. Auch den Glauben hat er jetzt geschluckt, ist zum Agnostiker konvertiert. Und hat auch darüber jetzt seine erste Solo-Platte gemacht. Selbst wenn ein Industrie-Mensch wollte, er müsste sich anstrengen, wollte er in diesem Bazan eine Konstante finden, die sich auf Dauer vermarkten ließe. Ein heißer Tipp immer noch: Bazans Songs. Die sind auch auf "Curse your branches" so unaufgeregt aufregend, dass sich allein dadurch schon ein Werbeslogan wortspielen ließen. Oder sich erklären ließe, warum das bis jetzt nichts wurde zwischen Plattentests.de-Besucher, dem Jahrespoll und ihm.

Es ist nämlich so: Wenn David Bazan zu seiner Gitarre greift, und das tut er immer, wenn er mit Ideen, dem Leben und sich selbst kämpft, dann funkelt er keinen Glitzer. Dann ist David Bazan allein mit sich, mit seinen Akkorden, mit seiner Stimme, die klingt, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Die in tiefen Tonlagen fast mehr brummt als die Synthesizer aus der Headphones-Phase. Und die sich in hohen Tonlagen gerne mal fast überschlägt, während Bazan sich den Schlaf aus den Augen blinzelt und im Dunkeln nach der richtigen Note tastet. In "Hard to be" auf dieser Platte macht er das, wie er es immer macht, frohlockt mit Glockenschellen, wie sie seit "Jingle bells" nicht frohlockt haben. Packt dazu eine Synthesizer-Melodie drauf, wie sie eleganter kaum sein könnte und komponiert damit wahrscheinlich mal wieder am Song des Jahres vorbei, den das Stück eigentlich ist. Gefühlt und gerührt.

Wenn er später mit "When we fall" und "Lost my shape" ein paar Songwriter-Skizzen ankritzelt und am Ende von "Harmless sparks" in einen Gospel-Chorus schlafwandelt, dann ahnt man auch, warum das so ist. Weil David Bazan auch gerne mal Songs verpackt, noch bevor sie reif für eine Hitplatte sind. Weil er Stücke angeht, wie man sie nicht angehen darf, wenn man Alben machen will, auf die sich jeder einigen kann. Jeder, der sich länger als zwei Minuten mit ihm beschäftigt, weiß auch, dass das seine Stärke ist. Erst lässt er auf "Curse your branches" eine Pedal-Steel eiern und schnoddert dazu, dann legt er mit dem Titelstück seinen Kampf mit dem Glauben in Melodien ein, die keine Wertungsskala aushält. Und spielt danach noch eine Zugabe vor einem Publikum, das hier bei uns kaum eine Besenkammer füllt. Man glaubt das kaum.

(Sven Cadario)

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Highlights

  • Hard to be
  • Curse your branches
  • Bearing witness
  • In stitches

Tracklist

  1. Hard to be
  2. Bless the mess
  3. Please baby, please
  4. Curse your branches
  5. Harmless sparks
  6. When we fell
  7. Lost my shape
  8. Bearing witness
  9. Heavy breath
  10. In stitches

Gesamtspielzeit: 38:47 min.

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