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Alice In Chains - Black gives way to blue

Alice In Chains- Black gives way to blue

Virgin / EMI
VÖ: 25.09.2009

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ausgelitten

Niemand erwartet von euch, dass ihr Layne Staley nicht vermisst. Denn natürlich fehlt er, natürlich ist er nicht zu ersetzen. Der Sänger von Alice In Chains in den Neunzigern musste allein schon deswegen nie etwas verkörpern, weil er es von Grund auf war: Die Wut des Metal, die Mainstream-Verneinung des Grunge, die erhabene Großspurigkeit und immer wieder das Kaputte, der Dreck, der Schmutz. Auf "Dirt" konnte der Hörer Staley bis in die vergifteten Adern sehen und mit hinabsteigen in das Loch, das sich der Sänger selbst grub. Eine intensive, vor allem aber eine nicht reproduzierbare Erfahrung. Glücklicherweise scheint dem neuen Vokalisten William DuVall bewusst gewesen zu sein, wie sehr man ihn an seinem Vorgänger messen würde. Auf "Black gives way to blue", seinem ersten Studioalbum mit Alice In Chains und generell dem ersten Lebenszeichen der Band nach zehn Jahren, schafft er den eigentlich kaum möglichen Spagat und klingt gleichzeitig nach sich selbst und nach Layne Staley.

DuVall wird Staley, den er vier Jahre nach dessen tragischem Drogentod 2002 erstmals live ersetzte, genau studiert haben. Wirkten die frühen Shows zwar ambitioniert, aber doch hölzern, sitzen die altbekannte Phrasierung und Intonation auf dem neuen Album passgenau. Zwar imitiert DuVall seinen Vorgänger in vielen Momenten, aber eben auf hohem Niveau und in keinem Augenblick selbstverloren. Erst diese Leistung macht möglich, womit Alice-In-Chains-Fans im Grunde kaum noch rechnen durften: ein einigermaßen unverkrampftes Wiedersehen mit ihren (Jugend-)Helden. "A new beginning / Time to start living" formuliert DuVall im mächtigen Opener korrekt den Status Quo: Wo er als neuer Sänger im Text das Recht auf ein wenig Neuanfang einfordert, klingen Musik und Gesang dazu nach dem konsequenten Anschluss an das Werk der Band, lediglich um zehn Jahre Erfahrung erweitert.

Denn es ist ja noch alles an seinem Platz: Schräg und dissonant schleppen sich die wuchtigen Gitarrenriffs durch typische Alice-In-Chains-Groover wie "Check my brain" oder die Vorabsingle "A looking in view", die zum Refrain hin Gewicht abwerfen und dem getragenen Gesang Platz einräumen. Auch die mehrstimmigen Vocals des Duos DuVall/Cantrell fügen sich wunderbar in dieses Gesamtbild ein, nicht zuletzt bei "Your decision", das sich mit seiner Akustikgitarre und einem Refrain zwischen Pop-Sanftmut und Zweifel in die Tradition von "Sap" und "Jar of flies" einreiht. "Last of my kind" walzt dagegen mit seinem behäbigen Metal-Riff alles platt, während DuVall mit seinem gepresstem Gesang erfolgreich etwas Eigenes einbringt. Überragend ist vor allem "When the sun rose again", das über einen düsteren Aufbau aus Akustik-Gitarre, sparsamer Percussion und Cantrells und DuValls Stimme zu einem Break, einem hoffnungsvollen Refrain und wieder zurück mäandert. Noch dunkler senkt sich die Nacht über das zähfließende, Metal-durchtränkte "Acid bubble", das sich zur Hälfte und zum Ende mit einem giftigen Riff der Marke frühe Tool in simpel aufbäumt.

Der Schlussakkord "Black gives way to blue", eine melancholische Erinnerungshymne auf Staley, hätte Elton John als Gast an den Klaviertasten vermutlich gar nicht gebraucht. Auch so rührt die simple Ballade jeden an, dessen eigene Geschichte mit Alice In Chains die passenden Bilder zur Musik bereitstellt. Wieder steht der Hörer am Ausgangspunkt: Das hier sind nicht Alice In Chains mit Layne Staley. Aber trotzdem noch unüberhörbar Alice In Chains, deren Sound mehr denn je von Jerry Cantrells Songwriting geprägt ist; öfter fühlt man sich an sein düsteres Soloalbum "Degredation trip" erinnert, als an die ausladenden Gesten eines Chris Cornell. Dunkel eingefärbt sind auch auf "Black gives way to blue" viele Songs, doch meist fehlt das Bedrohliche und Zerstörerische, das Staley ihnen durch Text und Gesang mitgab. Eher ist es eine funktionale Düsternis, die nicht verhehlen kann, wie viel positiver die Band inzwischen unter der Oberfläche aufgestellt ist. Was also bekommt der Hörer mit "Black gives way to blue"? Kein neues "Would?", kein zweites 1992 - aber immerhin Alice In Chains zurück. Verändert, gereift - am Leben.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • All secrets known
  • Your decision
  • When the sun rose again
  • Acid bubble

Tracklist

  1. All secrets known
  2. Check my brain
  3. Last of my kind
  4. Your decision
  5. A looking in view
  6. When the sun rose again
  7. Acid bubble
  8. Lessons learned
  9. Take her out
  10. Private hell
  11. Black gives way to blue

Gesamtspielzeit: 54:12 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

embele

Postings: 581

Registriert seit 14.06.2013

2021-03-22 10:30:58 Uhr
Hier stimme ich ebenfalls mit ein, sowohl was AIC als auch die besagten Deftones Alben angeht.

edegeiler

Postings: 2919

Registriert seit 02.04.2014

2021-03-22 10:06:30 Uhr
Die Produktion von Nick Radulinecz war um die Zeit das Beste, was es im Bereich Rockmusik gab. Kann die Vorwürfe, das sei überproduziert, nicht nachvollziehen. Mit "Diamond Eyes" von den Deftones und dem (fantastischen) Nachfolger die bestklingende Rockplatte aus den 2000ern, die ich so kenne. Sehr reiner, druckvoller Sound.

edegeiler

Postings: 2919

Registriert seit 02.04.2014

2016-04-05 01:37:31 Uhr
Macht mehr Rockmusik, die so ist. Großes Album.
Tama
2012-01-21 21:24:35 Uhr
kann ich nur bestätigen. hör das album auch immer noch sehr gern. wenn ich mich recht erinnere arbeiten sie sogar schon an der neuen platte und die soll 2012 erscheinen.
embele
2012-01-21 20:22:49 Uhr
Nach längerer Zeit mal wieder eingelegt und direkt wieder infiziert, was für eine geniale Comeback-Platte.
Schön, daß man lesen konnte, daß sie in dieser Formation weitermachen und es nicht bei dieser einen Scheibe belassen. Vielleicht kommt ja dieses Jahr noch eine neues Album !
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