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Archive - Controlling crowds

Archive- Controlling crowds

Warner
VÖ: 22.05.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Vielfaltspinsel

Im Rückblick betrachtet erscheint die stilistische Stringenz im Backkatalog von Archive erstaunlich. Abgesehen von "Londinium", das noch die Luft der zerfallenden Bristol-Szene um Massive Attack und Portishead atmete, ergingen sich die Nachfolger in mehr oder wenig unverblümter Huldigung von Pink Floyd. Trotzdem besetzten sie recht nachhaltig ihre eigene Nische: Archive waren spätestens seit ihrem dritten Studioalbum "You all look the same to me" Archive. Egal ob "Noise", ob "Lights" - bereits die ersten Töne verrieten, dass hier die Berufs-Hypnotiseure aus London ihre Hand angelegt haben mussten. Es waren die dick aufgetragenen Streicher, die altmodisch anmutenden Keyboard-Sequenzen, das Pathos, die langen Minuten, die ein richtig guter Archive-Song brauchte, um sich in voller Schönheit entfalten zu können. Dazu gehörten jedoch manchmal auch die unangenehmen Momente, in denen sich "pain" schamlos auf "brain" und "drain" reimte. Auch wenn Archive diese Fremdschamlyrik mittlerweile glücklicherweise abgestellt haben, dräute mit ""Lights" gefahrvoll die Langeweile.

Wie also nach dem gemächlichen Abschwung endlich wieder den Anschluss an das übermächtige "You all look the same to me" schaffen? Nichts leichter als dies, dachten sich Danny Griffiths und Darius Keeler und heuerten gleich vier Stimmen an, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Neben den alten Bekannten Dave Penny und Pollard Berrier durfte auch die betörende Maria Q erneut einige Songs übernehmen. Zu guter Letzt verkündete die Band die Rückkehr des alten Weggefährten Rosko John, der seit "Londinium" nicht mehr für das Kollektiv gerappt hatte. Griffiths und Keeler bastelten aus diesen verschiedenen Versatzteilen ein Album, das einerseits durch eine schlüssige Homogenität im Sound besticht, andererseits die Homogenität durch die überwältigende Vielzahl an Gesangsstilen im gleichen Atemzug wieder aufbricht.

"Controlling crowds" besticht jedoch zunächst durch die altbekannten Stärken. Es dauert bis zum fünften Track "Quiet time", bis die neuen alten Tugenden greifen. Kurz nachdem sich das Album erstmals zu sakraler Größe aufgeschwungen hatte, schnappt sich Rosko John das Mikrofon. Von da an gibt es für "Controlling crowds" kein Halten mehr. Der Blick geht auf "Londinium" und "Blue lines". Düster grollen auch Johns "Bastardised ink" und "Razed to the ground". Plötzlich weilt der totgesagte TripHop mit seinen verschleppten, schwerfälligen Beats ungefragt wieder unter den Lebenden. Und trotzdem klingen Archive in einigen Momenten so organisch und warm wie wohl nie zuvor. Mit dem dosierten Rückgriff von "Controlling crowds" haben es die Briten erstmals seit Jahren wieder geschafft, sich konkret weiterzuentwickeln. Ein Schritt zurück nach vorn, altmodisch orientiert einerseits am Debüt, gepaart mit der wabernden Ungreifbarkeit von Massive Attacks magischem Dub-Geblubber "100th window". Die verschwenderische Naturgewalt im Stile von Pink Floyd und ein gesundes Maß an Paranoia gehören natürlich weiterhin dazu.

Eine weitere Neuigkeit im Archive-Universum: Es brechen schlechte Zeiten für Menschen an, denen die 16 Minuten von "Again" oder die 18 Minuten des glänzenden Repetitions-Ungetüms "Lights" noch viel zu kurz waren. Auf gerade einmal zehn Minuten bringt es das Titelstück und ist damit bereits der längste der 13 Tracks. Archive haben auf ihrem sechsten Studioalbum mehr im Sinn, als die längsten Songs des Jahres zu schreiben und ihre Ideen bis auf den letzten Spritzer auszupressen. Sie haben die 78 Minuten von "Controlling crowds" so dicht und komplex angelegt, dass es gut und gerne als gewaltiger, aber gewaltfreier Brocken durchgehen kann. Dabei sind sie sich und ihrer Geschichte treu geblieben und zelebrieren eine Art Retro-Trip-Hop. Zum besseren Verständnis webten sie aus den vielen Stücken drei umfassende, miteinander verbundene Abschnitte. Und beweisen nebenbei, dass sie auch in knapp drei Minuten große Wirkung erzielen können.

(Kai Wehmeier)

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Highlights

  • Bullets
  • Bastardised ink
  • Kings of speed
  • Whore

Tracklist

  1. Controlling crowds
  2. Bullets
  3. Words on signs
  4. Dangervisit
  5. Quiet time
  6. Collapse/Collide
  7. Clones
  8. Bastardised ink
  9. Kings of speed
  10. Whore
  11. Chaos
  12. Razed to the ground
  13. Funeral

Gesamtspielzeit: 78:02 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

BVBe

Postings: 793

Registriert seit 14.06.2013

2022-05-19 15:14:08 Uhr
Mit diesem Album haben sie mich gekriegt. Diese Melodiebögen ... huh ... COLLAPSE/COLLIDE haut mich immer noch aus den Puschen.

Wird da eigentlich eine zusammenhängende Geschichte erzählt?

peter73

Postings: 2848

Registriert seit 14.09.2020

2022-05-19 14:26:38 Uhr
vmtl ihr bestes (doppel)album... und in meinen top100 auf der 5!


controlling crowds 10
bullets 10
words on sign 8,5
dangervisit 9,5
quiet time 8,5
collapse/collide 10
clones 8,5
bastadized ink. 8,5
kings of speed 8
whore 9
chaos 9
razed to the ground 8
funeral 9


The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31724

Registriert seit 07.06.2013

2022-05-14 19:41:06 Uhr
Bei erneutem Relisten bin ich grad sehr angetan. Der erste Rap-Part stört mich z.B. acuh null inzwischen. Ansonsten schne Soundwelten...

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31724

Registriert seit 07.06.2013

2019-06-06 01:27:40 Uhr
Ich hatte das Album mit viel mehr Rap in Erinnerung. Ist Gott sei Dank nicht so. Gefällt mir grade echt gut.

Cosmig Egg

Postings: 766

Registriert seit 13.06.2013

2016-11-04 21:31:34 Uhr
der Kulminationspunkt liegt eindeutig noch ein paar jahre länger zurück, und heißt
You all look the same to me
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