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Jason Lytle - Yours truly, the commuter

Jason Lytle- Yours truly, the commuter

Anti / SPV
VÖ: 15.05.2009

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Überdosis Äther

Wer heutzutage noch aufersteht, tut das natürlich in Montana, ja wo denn sonst? Während andere Berühmtheiten wie David Lynch, Steve Albini oder Colin Meloy den Treasure State aber hinter sich ließen, sobald sie halbwegs geradeaus laufen konnten, ist Jason Lytle dorthin gegangen, um wiedergeboren zu werden. "Last thing I heard I was left for dead", singt der ehemalige Grandaddy-Sänger zum Auftakt seines Debütsoloalbums "Yours truly, the commuter" - und damit wir uns da auch verstehen, hängt er noch ein sehr genüssliches, sehr lebendiges "Like I'd give two shits about what they said" hintendran. Lytle hat Grandaddy mehr oder weniger eigenmächtig aufgelöst (Zyniker würden mit Blick auf ihre letzte Platte "Just like the fambly cat" sagen: "Ein Album zu spät.") und macht jetzt eben Grandaddy-Musik alleine. Geht ja auch nirgendwo besser als in Montana.

Eingeschneit und abgeschnitten von der Außenwelt - so also, wie er es schon immer am liebsten hatte - hat Lytle "Yours truly, the commuter" geschrieben, aufgenommen und produziert. Er spielt hier jedes Instrument und zuckelt jede elektronische Textur selbst zurecht, aber er hält es nicht für nötig, auch stilistisch bei Null anzufangen. Wichtig war der neue Ansatz, nicht, dass neue Musik dabei herauskommt, und so dreht sich die Platte von Anfang an um das selbsttragende, flächendeckende Indierock-Verständnis, mit dem auch Grandaddy immer so schön neben sich und allen anderen standen. "Forget it" krümmt sich um verzögerte Pianoakkorde und fluchtgefährdeten "Ah ha ha"-Gesang, bis der Schlussteil des alten Klassikers "He's simple, he's dumb, he's the pilot" nicht mehr weit weg ist. Das Jahr aber ist 2009, und das Gefühl ist ein anderes.

Lytles alte Themen, der nächste Sommer also, das Leben als Grünspecht und die Tierwelt im Umfeld, sind auf "Yours truly, the commuter" noch immer da und natürlich aktuell wie selten zuvor. Gleichzeitig singt und spielt er aber mit neuer Selbstbezogenheit, die bei den ersten Zeilen des Albums anfängt und nach erschöpfender Ausschöpfung mit "Here for good" aufhört, ein Song, der die Platte als Klavierwalzer in Zeitlupe und Selbstversicherung im Synthienebel zu Ende bringt. Das niemals vollständige Aus-dem-Quark-kommen gehört natürlich zum Konzept - wie gut es Lytle aber tut, sich auch mal selbst zu widersprechen, wird erst mit der immerhin angedeuteten Kratzborstigkeit von "It's the weekend" deutlich. Auch dieser Song hat im zehn Jahre alten "Chartsengrafs" vom effektvollen Fade-In bis zur Wisch-und-Weg-Gitarre einen größeren Bruder auf "The sophtware slump". Er hängt sich aber wenigstens rein und nicht nur durch.

Lytle sind diese Gemütlich- und Genügsamkeit aber nur schwer vorzuwerfen, solange er damit so gut fährt wie im Titelstück von "Yours truly, the commuter", das von süß klingenden Glocken ausgehend über Vordrängler-Bass und geduldig gegenhaltende Orgel bei Computerstreichern ankommt, die eine erstaunliche Königlichkeit aus ihren Einsen und Nullen herauskitzeln. Die Parameter für das Album sind damit schon gesetzt: Lytle jongliert und variiert sie in der Folgezeit zwischen den aufgeweichten Elektro-Loops von "I am lost (and the moment cannot last), beweglichem Folkpicking in "Ghost of my old dog" und einer Jenseitigkeit, die nach viel Äther schmeckt und der Platte endgültig den Teppich unter den Birkenstocklatschen wegzieht. Lytle hat das vielleicht gebraucht, seine ganz persönliche Bon-Iver-Erfahrung, um das System wieder freizukriegen. Es hätte aber auch keiner was dagegen, wenn er als nächstes die ganze alte Festplatte löschen würde.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Yours truly, the commuter
  • It's the weekend

Tracklist

  1. Yours truly, the commuter
  2. Brand new sun
  3. Ghost of my old dog
  4. I am lost (and the moment cannot last)
  5. Birds encouraged him
  6. It's the weekend
  7. Forget it
  8. This song is the mute button
  9. Rollin' home alone
  10. You're too gone
  11. Flying thru canyons
  12. Here for good

Gesamtspielzeit: 42:15 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
musie
2012-10-19 13:45:58 Uhr
und genau das (fambly cat) ist mein lieblingsalbum von grandaddy. deshalb sagen mir seine solo sachen, insbesondere das neue album, sehr zu..
Frank
2012-10-19 13:05:06 Uhr
Die letzten Grandaddysachen einschließlich sein Solozeug fande ich ziemlich lahm, aber du hast recht. Gegen Ende war Grandaddy immer mehr Jason Lytle Solo.
Ö Siel
2012-10-19 12:45:59 Uhr
Das dürft ja relativ klar sein, da ja die Grandaddy-Sachen auch meist von Jason Lytle alleine produziert wurden. Fambly cat z.B. könnte genauso gut ein Solo-Album sein. Nur dass er halt Grandaddy raufgeschrieben hat.
Frank
2012-10-19 11:28:09 Uhr
Oh super, mal kucken was raus kommt.
Ö Siel
2012-10-15 17:21:11 Uhr
Bei wikipedia steht ein Zitat, wo er sagt, dass ein neues Album wahrscheinlich ist.
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