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Alasdair Roberts - Spoils

Alasdair Roberts- Spoils

Drag City / Rough Trade
VÖ: 24.04.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Transformer

Auch wenn es so scheint, als hätten wir gerade eben erst die extra starken Sektkorken knallen und einen Millennium-Spruch nach dem nächsten über uns ergehen lassen, so ist das neue Jahrtausend doch recht zügig vorangeschritten. Wir stehen kurz vor dem Sprung in ein neues Dezennium, müssen die immer noch frisch wirkenden, sogenannten Noughties abhaken und gruseln uns schon jetzt vor geschmacklosen TV-Shows, in denen die schwindende Dekade oberflächlich verwurstet wird. Bevor dies aber geschieht, ist es an der Zeit, selbst Bilanz zu ziehen und die Musiker zu suchen, die beständig und ohne Qualitätseinbußen begeistern und sich selbst gleichermaßen kontinuierlich weiterentwickelt haben.

Alasdair Roberts mag auf den ersten Augenschein für diese Rolle in dieser Hinsicht nicht wirklich prädestiniert sein. Zu wenig Rampenlicht beleuchtete seine künstlerischen Facetten, nur einem kleinen Kreis an erstaunten Anhängern oblag es bisher, sein musikalisches Schaffen weltweit zu hofieren. Blickt man von schräg oben auf die vorangegangenen Veröffentlichungen von Roberts, so findet man den spröden schottischen Folk des Solodebüts "The crook of my arm", das nicht mit seiner Instrumentierung brillierte, sondern mit dem subtilen Herantasten an traditionelle Gesangsmelodien und -stärken und der Variationsbreite des dazugehörigen Stimmvolumens. Das traumhaft schöne wie romantisierende "Farewell sorrow" führte diesen Weg fort, wenn er auch diesmal die Kehrseite der Medaille zum Glänzen bringen wollte, so dass Roberts anno 2003 mit einem altschottischen wie beherzten Instrumentenreigen aufwartete. Nach seinem epischen und doch reduzierten Husarenstreich "No earthly man", einer Interpretation historischer Todesballaden in acht Akten, folgte mit "The amber gatherers" ein federleichter Simplicissimus, der Tradition und Herzensschwere Einhalt gebot.

Roberts Stärke und damit auch sein ungebrochenes Qualitätshoch liegt in der konsequenten Weiterentwicklung und Neuerfindung, die bisher jedes seiner Alben durchzogen. Nur der tiefliegende Kern bleibt trotz dieses kreativen Variantenreichtums der gleiche. So widmet er sich auch mit seinem neuesten Werk "Spoils" musikalisch und textlich seinem Heimatland, verwendet einschlägige Naturformeln, die nur von einem Schotten selbst entschlüsselt werden können. Zeitgenössisches vermischt sich feingesponnen mit Altem, Introspektivem, so dass man kaum unterscheiden mag, ob den Lyrics Sagen, Märchen oder Autobiographisches zugrundeliegen. Roberts' Songwriting steht derlei esoterisch Mystischem fern, bastelt sich außerhalb dieses Kerns mit "Spoils" ein neues Gerüst. Und zwar, indem er einen jeden der acht Tracks in der Mitte abknickt.

Der Knick im startenden "The flyting of grief & joy (Eternal return)" findet sich zu dem Zeitpunkt, in dem Harmonium und elektrische Gitarre aufhören, Roberts' Stimme zu folgen, und ihren eigenen, hochmelodiösen Weg gehen. Roberts' spröde Sangesarien scheinen durch diesen Ausbruch derart beflügelt, dass sie sogleich in einen ausgelassenen Refrain einstimmen. "You muses assist" verzückt mit extrovertierten Flöten und liebevoll einstudierter Mehrstimmigkeit. Die Klarheit des engen Raumes weicht unscheinbaren Noiseattacken, die lauter und lauter pulsieren, nie aber den hintergründigen Platz verlassen und schließlich ganz aufgeben. Von einem leichtlebigen Schunkel- und Tanzrhythmus schottischer Folklore transformiert sich "So bored was I (Dark triad)" zu einer choralen Hymne größeren Ausmaßes. Die rhythmisch auf- und abflammende Liedermacher-Parabel "Unyoked oxen turn" macht urplötzlich Platz für einen windschiefen, rotzigen Country- und Folk-Schwank amerikanischer Machart. "The book of doves", dunkel und karg am Boden bleibend, steigert sich letztlich zu atmosphärischer, kaleidoskopischer Wohlgestalt. "Hazel forks" ist an Spielwitz kaum zu überbieten, lässt mit jeder Sekunde seine angelsächischen Wurzeln los und versucht sich mit bekannt reduzierten Mitteln an harmonischem Breitwand-Rock'n'Roll, ohne diesem wirklich zu nahe zu treten.

Nach dem konzeptionell eingängigen "The amber gatherers" legt Roberts mit "Spoils" bewusst schwere wie starke Stolpersteine aus. Kein Song läuft gerade an einer Schnur entlang, sondern schlägt nach minutenlangem Abwarten völlig neue bezaubernde Wege ein. Die vielen leergelassenen Lücken, die zu neuen Spielräumen führen, füllt er mit akustischen Experimenten, geprägt von abenteuerlicher Komplexität, unbändiger Spielfreude und hypnotischem Minimalismus. Mit "Spoils" wird Roberts wieder einmal den eigenen hohen Ansprüchen gerecht und setzt sich erneut neuen Einflüssen aus. Seine Bilanz bleibt auch kurz vor dem Ende des Jahrzehnts rein und weiß, womit man ihn ohne Bedenken zu einem der begnadetsten Musiker dieser Dekade erheben kann. Mit der Überzeugung, dass dies in der Post-Millenium-Ära wirklich alle verstanden haben.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • The flyting of grief (Eternal return)
  • You muses assist
  • The book of doves
  • Hazel forks

Tracklist

  1. The flyting of grief & joy (Eternal return)
  2. You muses assist
  3. So bored was I (Dark triad)
  4. Unyoked oxen turn
  5. The book of doves
  6. Ned Ludd's rant (For a world rebarbarised)
  7. Hazel forks
  8. Under no enchantment (but my own)

Gesamtspielzeit: 46:05 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

2010-04-08 15:46:18 Uhr
fett geiler niggerscheiß!! farewell sorrow fand ich gut, muss mir die neue auch mal schnell saugern. caaaharousing all the evening and the drinking of the wine.. epische freshness
sugar ray robinson
2010-04-08 15:44:29 Uhr
A Roberts ist als Support für die anstehenden J Newsom Konzerte bestätigt!
Pascal
2009-07-06 17:12:50 Uhr
@georg: Wer hätte gedacht, dass Du hier abhängst?;) Hab´s vor ein paar Tagen mal per Mail versucht, gescheitert. Kann man Dich evtl. per ICQ erreichen?
georg
2009-06-28 15:19:36 Uhr
Für mich bisher neben St. Vincent, das Songwriter Album des Jahres. 8 wunderbare Songs, bei denen man selbst, wenn man glaubt sie schon auswendig zu kennen, noch immer neue Details entdeckt.
gawain
2009-05-06 21:56:46 Uhr
..und zurecht die 8/10, sehr schöne rezi, auch wenn ich mit den highlights nicht 100% übereinstimme :-)
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