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Blue Roses - Blue Roses

Blue Roses- Blue Roses

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 24.04.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

In den höchsten Tönen

Im Theaterstück "Die Glasmenagerie" von Tennessee Williams begegnet man der scheuen Laura, die so fragil wirkt wie die kleinen Glastierchen, die sie sammelt. Ihren Kosenamen hat sie der Melancholie zu verdanken: Blue Rose. Ob Laura Groves sich ihren Künstlernamen Blue Roses von dem amerikanischen Autor geborgt hat, ist nicht bekannt. Aber es wäre durchaus naheliegend, schließlich sind auch fast alle Instrumente, die auf ihrem Debüt zum Einsatz kommen, geliehen. Die Songs stammen allerdings ganz alleine von der jungen Dame aus dem nordenglischen Städtchen Shipley. Und auch wenn eine gewisse Joni Mitchell vor knapp vierzig Jahren ein stilistisch ähnliches Album veröffentlichte, das passenderweise "Blue" hieß, ist Groves' Kompositionsstil viel zu individuell, um sie des Blaupausens zu verdächtigen. Diese Leichtigkeit, mit der sie komplexen Melodien und Arrangements ihre Unnahbarkeit nimmt, diese gebirgsbachklare Stimme, diese herrlichen Pastellfarben - wer mit 21 solche kleinen Wunder vollbringt, dem würde man wirklich alles leihen. Vor allem sein Ohr.

"This is the fortress that I built / It's cold and uninviting", singt Groves, während das Klavier glitzernd den Burggraben flutet und nur fünf Sekunden braucht, um souverän das Gegenteil zu beweisen. Kalt oder nicht einladend ist hier nämlich rein gar nichts. Viel eher klingen die zehn Lieder wie zartbesaitete Kinder, die man in die ländliche Idylle geschickt hat, damit sie aufblühen - im Sanatorium der Natur, wo sie Platz haben, sich frei zu entfalten, und wo die Luft eine bessere ist. "Blue Roses" erweist sich als Sammelalbum für all das: Natürlichkeit, optimale Entwicklung und gesunde Naivität. Nicht die blauäugige, sondern die rotwangige. Wenn Groves sich ihre harmonischen Wege bahnt, sich die Freiheit nimmt, "Greatest thoughts" mit einer instrumentalen Phantasie zu beenden, die sich nicht davon ablenken lässt, Blickkontakt zum Ausgangspunkt zu halten; wenn sie feenhaft mit sich selbst im Chor singt und im wohltuendsten Dur ebenso herzzerreißend wie tapfer "But when you cannot spare an hour / Won't you spare a thought / For a dying flower?" bittet, dann wirkt das stets intuitiv, beinahe improvisiert. Ihre Lieder sind ein spürbares Sein und Werden, das keine Grenzen kennt.

Das Erstaunliche dabei ist jedoch: Kein einziger dieser Songs droht zu zerfließen oder zu hoch hinaus zu wollen. Die Umrisse sind klar und das Vertrauen der Stücke außergewöhnlich: Sie sind auf rührende Art und Weise anschmiegsam und offenbaren ihr Innerstes, ohne dabei jemals aufdringlich zu wirken. Dass man sie trotzdem nicht so schnell wieder los wird, liegt ausschließlich an ihrer ausgeprägten Fähigkeit, zu faszinieren. Die wiederum darin begründet liegt, dass diese Lieder neben ihren musikalischen Qualitäten eine ungeheure Hingabe in sich tragen. Wenn man nicht wüsste, dass Groves für den Chor von "Cover your tracks" Familie und Freunde zusammengetrommelt und mit selbstgebackenen Schokobrötchen versorgt hat - man würde es glatt erahnen. Da ist etwas Meditatives in der Akustikgitarre, etwas sanft Leuchtendes in den Glockenspieltupfern und eine elfenhafte Unschuld in ihrer Stimme, wenn sie in den höchsten Tönen durch den tiefsten Schnee watet. Mit Guillemots-Frontmann Fyfe Dangerfield an ihrer Seite singt Groves vom Überleben im selbstverständlich metaphorisch gemeinten Winter, und davon, wie man die ersehnten Brotkrumen am Ende doch an die Vögel verfüttert.

Ein paar Tage bevor sie ihre Heimat in West Yorkshire verlassen sollte, um an die Uni zu gehen, schrieb Groves "I am leaving". Eine flott gezupfte Klampfe, ein völlig unerwartet einstimmender, alter Synthesizer und eine wunderbar fluffige Melodie - wem solche Lieder zu Hause einfallen, der darf natürlich nicht wegziehen. Groves blieb. Verließ Shipley allerdings immer wieder, um auf Wunsch geschätzter Kollegen deren Konzerte zu eröffnen: Joan As Police Woman, Loney, Dear, Jeremy Warmsley, Noah And The Whale, Guillemots. Trotz ihrer musikalischen Reife, hat sie sich eine angenehme Verspieltheit bewahrt: Manchmal lässt Groves einzelne Silben kunstvoll Loopings fliegen. Man höre sich nur einmal an, wie sie das Wörtchen "books" in "I wish I..." phrasiert - eine von insgesamt drei Klaviernummern, von denen "Imaginary fights" mit Abstand die schönste ist. "Doubtful comforts" hingegen betört mit den Klängen einer Kalimba, traumwandlerischen Chorgesängen und loderndem Feuer. Mit den Ideen, die Groves alleine in "Does anyone love me now?" aus dem Hut zaubert, hätte manch anderer ein ganzes Album bestritten - es ist, als würde sich in ihren Liedern immer noch eine neue Tür öffnen. Und auf einer der Fußmatten steht: "I wish that I could photograph my moods / Show them to you / Just to prove something." Dabei muss sie doch nun wirklich nichts mehr beweisen.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Greatest thoughts
  • I am leaving
  • Doubtful comforts
  • Imaginary fights

Tracklist

  1. Greatest thoughts
  2. Cover your tracks
  3. I am leaving
  4. Can't sleep
  5. I wish I...
  6. Coast
  7. Does anyone love me now?
  8. Doubtful comforts
  9. Rebecca
  10. Imaginary fights

Gesamtspielzeit: 45:14 min.

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  • Blue Roses (10 Beiträge / Letzter am 19.07.2009 - 19:27 Uhr)

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