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Ramblin' Jack Elliott - A stranger here

Ramblin' Jack Elliott- A stranger here

Anti / SPV
VÖ: 03.04.2009

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Puls der Zeit

Wenn es denn wirklich stimmt, dass sich Geschichte wiederholt, müsste in etwa zehn Jahren der dritte Weltkrieg anfangen und zwei Jahre später der nächste Bob Dylan geboren werden. Die neue große Depression jedenfalls, sie geht ja gerade erst so richtig los oder wird wohl bald so richtig losgehen, man weiß es nicht genau, und Ramblin' Jack Elliott ist deshalb plötzlich höher auf der Höhe der Zeit, als man es eigentlich sein kann mit Liedern, die 70 Jahre und älter sind. Produzent Joe Henry hat für "A stranger here" zehn Bluessongs aus Elliotts früher Kindheit ausgesucht, der hat sie dann gesungen und dabei Akustikgitarre gespielt, und schließlich kam noch eine erlesene Band dazu, die das Ganze zurechtzuckeln und verbiegen sollte, bis es hübsch faltig und verbraucht aussah. Zeitgeist-Platten werden so gemacht, heutzutage.

Es war vermutlich nicht so gedacht, aber "A stranger here" funktioniert tatsächlich weniger als Geschichtsunterricht, denn als Ansprache zur Lage der Nation aller Freien und Tapferen. Elliott, 77-jähriger Woody-Guthrie-Protegé und Bob-Dylan-Mentor, der immer schon mindestens genauso sehr Songsammler wie -writer war, setzt bei den großen Themen des Lebens an; er singt von Wasser bis zum Hals, vom Untergehen und Trotzigbleiben - und wenn die Leute jetzt noch nicht kapieren, dass er von ihnen singt, dann werden sie es bald tun. Alles, was hier vor langer Zeit mal wörtlich gemeint war, nimmt heute bildliche Bedeutungen an, und alles, was seit jeher um Herz und Seele und deren Verlust kreist, wird sowieso immer aktuell bleiben. Elliott wandert somit geradewegs in seinen nächsten Frühling, nur dass diesmal das Wetter beschissen ist.

Auch das gilt natürlich in mehrerlei Hinsicht: Der "Rising high water blues", in Szene gesetzt als Rummelplatz-Geschepper zwischen mittlerem Tom Waits und "Rainy day women #12 & 35", setzt seinem ewigen Regen nichts als nackte Aussichtslosigkeit entgegen. Das Rev.-Gary-Davis-Cover "Death don't have no mercy" nimmt seinem Protagonisten mit bitterer Genüsslichkeit ein Familienmitglied nach dem anderen weg, und wenn als dritter Song der "Rambler's blues" an den Gitarrensaiten zerrt und übers Kneipenpiano (gespielt von Van Dyke Parks) torkelt, ist Elliott eigentlich schon fertig mit der Welt. Man kommt allerdings nicht so weit rum wie er, wenn man gleich nach dem ersten Rückschlag seine Sachen einpackt.

Also lehnt sich Elliott noch viel weiter aus dem Fenster und covert Blind Willie Johnsons "Soul of a man" mit urgewaltigem Erdrutsch-Schlagzeug, das man für einen Drumcomputer halten müsste, wenn es nicht so absurd wäre. "Falling down blues" stolpert über das eigene Leben und irgendein undefinierbares Hintergrund-Dröhnen, aber "Please remember me" landet als letzter Song eben doch wieder auf den Füßen. Noch mal Honky-Tonk-Geschaukel, ein kurzes Klaviersolo, Bläser, Mundharmonika und Elliotts windschiefe Phrasierungen. Er kommt gesund aus dieser Platte heraus, denkt aber doch auch schon an morgen: "When I can see you again / Don't know just when that will be / When my heart is still crying / Please remember me." Credit Crunch Blues 2009.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Rising high water blues
  • Soul of a man
  • How long blues
  • Please remember me

Tracklist

  1. Rising high water blues
  2. Death don't have no mercy
  3. Rambler's blues
  4. Soul of a man
  5. Richland women blues
  6. Grinnin' in your face
  7. The new strangers blues
  8. Falling down blues
  9. How long blues
  10. Please remember me

Gesamtspielzeit: 44:58 min.

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