The View - Which bitch?
1965 / Red Ink / Rough Trade
VÖ: 20.03.2009
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die späte Stunde
Sie wollen ja nur spielen. Die Herren von The View aus Dundee sind da wie alle anderen Vertreter des männlichen Geschlechts: Im Herzen ist jeder von ihnen der ewige kleine Junge, der am liebsten mit Freunden draußen ist und sich dreckig macht. Den es nicht kümmert, wenn er auch mal doof aussieht. Und der grundsätzlich alle körperlichen Geräusche und Gerüche lustig findet. Den Willen, mit dem Nachfolger ihres ersten Albums "Hats off to the buskers" den Nelson-Mandela-Gedächtnispreis zu gewinnen oder die neue Lieblingsband der Queen persönlich zu werden, haben sie gar nicht. Politische Themen? Laaangweilig. Umweltkatastrophen? Darauf erst mal ein Bier.
Nein, es gibt wichtigere Dinge im Leben eines jungen Mannes, und eines der bedeutendsten Themen ist für gewöhnlich eine junge Frau. Oder auch mehrere. Jungs sind nun mal Jungs, und da verwundert es auch nicht, wenn Sänger Kyle Falconer in einem Interview gesteht, dass der Titel des zweiten Albums "Which bitch?" auf eine scheinbar allgegenwärtige Frage zurückführt: "Which bitch am I singing about in this song?" Generell behandelt das Album die Erfahrungen einer Truppe um vier Halbwüchsige um die 22, Erfahrungen, die sicher gar nicht so selten auftreten. Von Alkoholexzessen auf Tour über betrunkene Nächte auf dem Fußboden einer Kneipe und der Trennung wegen des vermeintlichen Alkoholproblems ist da die Rede. Das klingt, wenn man es liest, zunächst sicher grenzwertig. In musikalischer Form hätten The View aber kaum etwas Besseres zustande bringen können.
Das Album, erneut produziert von Owen Morris, beginnt mit "Typical time 2", quasi dem Eintrittssong in die Kneipe um die Ecke. Ein kleines, verspieltes Stück, unterlegt mit Piano und Mundharmonika, das den Hörer nicht erahnen lässt, was ihn in der nächsten knappen Stunde erwartet. Und das ist einiges: Da wäre beispielsweise "Unexpected", das die Inspiration durch die Alphamännchen von Oasis klar erkennen lässt, mit ungewohnten Streichern, aber auch Lagerfeueratmosphäre. Genau die Art von Song, die man nach einer durchzechten Nacht hören möchte, frühmorgens, auf dem Weg nach Hause. Das wiederum führt zu "Double yellow lines", der Anleitung für alle, die sich an den Straßenlinien orientieren, wenn sie versuchen, den Weg ins heimische Heim zu finden. So etwas scheint zwar eine stürmische Reise zu sein, aber dennoch führt sie direkt zum Ziel. Die Single "5Rebbeccas" ist die typische Live-Hymne, die stark an das Debüt erinnert, in Partylaune versetzt und mit Mitgröhlrefrain auftrumpft. Dabei sind The View aber eigentlich schon weiter, wie "Shock horror" beweist. Da sprudelt das Adrenalin fast über, und während Falconer sich im Refrain das Grüne hinter den Ohren wegbrüllt, ist das Gitarrenspiel das eigentliche Highlight des Songs.
"One off pretender", inspiriert durch einen kurzzeitigen Gefängnisaufenthalt des Sängers und dem Bassisten Kieren Webster, knallt durch, und geht trotz des gewöhnungsbedürftigen Sprechgesangs ins Ohr und in die Beine. "This is your life / Don't waste it", singen sie da. The View leben nach ihrer eigenen Devise und toben sich aus. Wird hier noch ordentlich auf den Putz gehauen, holen sie auf "Covers" nicht nur die Jazztrompete, sondern auch Paolo Nutini aus dem Koffer. Mit ihm zusammen schaffen sie ein schnodderiges, und doch angenehmes Duett inklusive waschechtem schottischen Dialekt. Gegen Ende des Albums verlassen The View zu "Give back the sun" die besungene vermeintliche Herberge, die sich als Bordell entpuppt. Da singt Falconer nicht nur, sondern erzählt seine Geschichte, die man ihm ohne jeden Zweifel abkauft. Nach gut 55 Minuten wird klar, dass The View das geschafft haben, was vielen anderen jungen Indiebands, die im selben Wurf auf die Welt losgelassen wurden, nicht so recht gelingen wollte. Sie haben mit "Which bitch?" einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Ein Album, das Spaß macht, innovativ, phantasievoll und kreativ ist. Und darauf Prost.
Highlights
- One off pretender
- Covers
- Shock horror
- Give back the sun
Tracklist
- Typical time 2
- 5Rebbeccas
- One off pretender
- Unexpected
- Temptation dice
- Glass smash
- Distant doubloon
- Jimmy's crazy conspiracy
- Covers (featuring Paolo Nutini)
- Double yellow lines
- Shock horror
- Realisation
- Give back the sun
- Gem of a bird
Gesamtspielzeit: 55:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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This Bitch! |
2014-04-13 16:21:44 Uhr
Sowas ähnliches wie meine beiden Vorposter wollte ich auch gerade schreiben, da ich die Scheibe in diesem Moment mal wieder anhöre. Wunderbares, unterbewertetes Album einer ansonsten eher durchschnittlichen Band. |
kayeff |
2010-06-15 14:34:32 Uhr
realisation... immer wieder klasse. ein grossartiger song um den sommer einzuleiten :-) |
Tuschi |
2010-04-15 14:16:52 Uhr
Der Frühling ist da und somit erlebt dieses Album eine Auferstehung. Ich kenne kaum ein besseres Album für diese Jahreszeit. |
Tuschi |
2009-12-16 17:30:22 Uhr
Für meine Top5 reicht es eventuell auch nicht, was vielleicht auch am starken Jahr und der momentanen Jahreszeit liegt. Aber insgesamt ein ganz, ganz stakres Album, das hier zu wenig gewürdigt wird. |
Demon Cleaner |
2009-12-16 13:10:55 Uhr
Finde ich auch schade, da es für mich ganz klar besser ist als der Vorgänger. Vielleicht 1-2 Songs zu lang, aber für die Spielzeit von über 55 Minuten doch unterhaltsam wie sonst nichts. Dabei stechen vor allem kaum Songs heraus, viel mehr wird das Niveau einfach gehalten.Ob es für meine Top 5 reicht, weiß ich aber noch nicht... |
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Referenzen
The Kooks; The Films; Dirty Pretty Things; The Libertines; Arctic Monkeys; Little Man Tate; Vampire Weekend; The Rifles; The Young Knives; Babyshambles; Klaxons; Hot Hot Heat; We Are Scientists; Hard-Fi; Kaiser Chiefs; The Hormonauts; The Meteors; The Clash; The Jam; The Smiths; Blur; Oasis; Teenage Fanclub; Mega City Four; The Seers; Shout Out Louds; Eight Legs; The Cribs; The Kinks; The Small Faces; Maximo Park; Black Lipstick; Franz Ferdinand; The Paddingtons; The Dead 60s; The Rakes; The Police
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