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Bonnie 'Prince' Billy With Harem Scarem And Alex Neilson - Is it the sea?

Bonnie 'Prince' Billy With Harem Scarem And Alex Neilson- Is it the sea?

Domino / Indigo
VÖ: 17.10.2008

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Austauschprogramm

Man drehe die Uhr zwei Jahre und ein halbes zurück. Frühjahr 2006. Will Oldham erholt sich gerade in Schottland und Irland davon, neue Wege beschritten zu haben. Er war zwar immer schon ein Tausendsassa, mit seinen vielen Namensänderungen und versteckten Projekten. Doch lag seinem Gesamtschaffen vor dem letzten Meisterstück "Master and everyone" der persönlich modifizierte Folk der ostamerikanischen Berge, der Appalachen, zugrunde, der jede noch so kleine Lücke von zeitgenössischem Songwriting ausfüllte. Zu Anfangszeiten im Jahre 1993 noch spröde, zerschossen und doch in aller Reinheit von ihm und seinen Brüdern Paul und Ned in Szene gesetzt, nicht wissend um die Methoden Stringenz und Atmosphäre herauszufordern. Genau diese Ansätze verfolgten die Gebrüder Oldham Jahre später mit dem kammermusikalischen "I see a darkness". Doch auch hier fließt er wie schon zu Palace-Zeiten durch jede Pore: Oldhams Definition des introvertierten Appalachian Folks. Mit "Superwolf" und "The brave and the bold" kam der Wendepunkt. Oldham suchte die Veränderung, fand keifende Gitarrenriffs von Matt Sweeney und elektronisch-hölzerne Verfremdungen von Tortoise. Als unglückliche Stolpersteine entpuppten sich letztlich beide Projekte.

Dass Oldham seinerzeit nicht nur mit der Nase im Dreck hing, wird erst in diesen Herbsttagen, zweieinhalb Jahre später offenbar. Anstatt große Schritte zu gehen, um bisherigen Strukturen zu entkommen und sich damit die Beine zu brechen, kehrt Oldham auf seiner Stippvisite durch Schottland und Irland im bildlichen Sinne vor der eigenen Haustür. Mit mehreren Tourterminen in den jeweiligen Ländern, aufgezeichnet durch die altehrwürdige BBC, sucht er nicht den Umkehrschluss zu seinem bisherigen Schaffen, sondern freundschaftlich Artverwandtes. So ist es kein Wunder das "Is it the sea?" in jeder Sekunde seines dreizehnstückigen Live-Vortrags schottischen Folk atmet und alle vertretenen Schöpfungen in neuem, gänzlich auf links gedrehtem Glanz erstrahlen. Unterstützt wird Oldham dabei durch die größtenteils weibliche, nur lokal bekannte Band Harem Scarem aus Edingburgh - und durch einen der besten Feingefühl-Drummer und Percussionisten unserer Zeit: den in Glasgow ansässigen Alex Neilson. Wer aber nun meint, Oldham müsse sich auf Grund dieser Kulturbarriere unterordnen, der irrt. Als Produzent von Alasdair Roberts' "No Earthly man" weiß Oldham genau, wie es um die Traditionen schottischer Folklore steht und wie diese zu pflegen sind.

So bleibt sein Auftreten auf diesem Wunderwerk an Live-Album selbstbewusst und standhaft - zu hören in dem beklemmenden Traditional "Molly Bawn", einst auch von Oldham und Roberts gemeinsam eingespielt. Des Prinzen E-Gitarre versetzt zarte Blues-Stöße. Die Akustische bleibt im hypnotischen Fluss. Gleichermaßen ruckhaft agiert der auf Albumlänge grandiose Background-Gesang der Harem-Scarem-Damen und untergräbt die Spannung der Songstruktur mit harmonischen "Uuuh-Uuuh"s. Eine losgelassene Pauke und Viola, ohne Halt an Notenstränge, leiten das ekstatische Finale der Instrumentenüberflutung ein. Gesitteter gibt sich das damals noch unbekannte "Love comes to me", ein hervorragendes vokales Spiel zwischen Oldhams brüchigem Organ und der hohen Pop-Perfektion der begleitenden Schottinnen, unterstützt durch ein schlichtweg begeisterndes Klarinettenspiel. "My home is the sea" erfährt als traurige angelsächsische Seemannsweise mit einsamem Harmonium und leicht anklingendem Glockenspiel ein Mehr an Intensität. Spätestens mit den sanften Saitenschlägen der Elektrischen und wieder mal brillierendem Hintergrundgesang ist die Originalversion vergessen. "Is it the sea?" entpuppt sich als eine perfekt einstudierte Choreographie in dreizehn Akten, ohne dass man den gewünschten Tiefgang und die für Oldham typische Authentizität vermissen muss. Trotz des Live-Album-Status: Es ist seine beste vollwertige Veröffentlichung seit fünf Jahren.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Love comes to me
  • Wolf among wolves
  • New partner
  • My home is the sea

Tracklist

  1. A minor place
  2. Love comes to me
  3. Bed is for sleeping
  4. Arise therefore
  5. Wolf among wolves
  6. Ain't you wealthy? Ain't you wise
  7. Cursed sleep
  8. Molly Bawn
  9. Birch ballad
  10. New partner
  11. Is it the sea?
  12. My home is the sea
  13. Master and everyone

Gesamtspielzeit: 68:14 min.

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