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Okay - Huggable dust

Okay- Huggable dust

Absolutely Kosher / BB*Island / Cargo
VÖ: 05.12.2008

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Neulich auf der Andrea Doria

Marty Anderson ist: Okay. Nur selten wirkt ein kleiner Satz so beruhigend und treffend zugleich. Derart selbstverständlich ist das nämlich gar nicht: Ein fieser Morbus Crohn treibt Anderson seit einigen Jahren ebenso an den (Toiletten-)Rand der Verzweiflung wie in die Notaufnahme und zum Twiggy-Lookalike-Contest. Sein Projekt Howard Hello mit Kenseth Thibideau (Tarentel, Sleeping People) verlief irgendwann im Sande, desgleichen seine Band Dilute. Einige Jahre durchlebte er zudem eine zerrüttende Ménage à trois als betrogenes drittes Rad am Wagen. Seitdem konnte ihn die blöde Welt da draußen ohne sanitäre Anlage in Spuckweite erst- und gerade mal kreuzweise. Die meisten seiner ehemaligen Mitstreiter kamen ohnehin regelmäßig vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und seinem Solo-Debüt-Doppelpack "Low road" und "High road" ihre Instrumenten-Skills zu leihen. Selbst seine beiden Seelenpeiniger bat Anderson rasch zur Abbitte per musikalischen Beistand. Auf "Huggable dust" bespielen sie für ihn erneut Gitarre, Zither, Mikrophon und, es lässt sich vermuten, das emotionale Überdruckventil.

"Tapfer" nennt man sowas. Und auch musikalisch dreht Anderson all dem Schicksal konsequent die lange Nase. Vieles auf "Huggable dust" erinnert eher an die Indie-Pop-Euphorie eines Ben Cooper, an dessen Radical Face oder Electric President. Dieser nasal unterdrückte Singsang zwischen Wispern, Murmeln und Nuscheln etwa; ebenso die Verspieltheit der Arrangements sowie der zugleich flüchtige und dichte Klang; und - als Wichtigstes - Andersons Talent, vom harmonisch Kleinen und Zerknirschten in den vollen Bombast durchzustarten. Coopers Vorliebe für das möglichst zielstrebige Ansteuern der Killer-Hookline teilt er hingegen nur bedingt. Songs wie "Truce", "Tragedy" oder "My" werden zwar von ähnlich starker Melancholie getrieben, mäandern oder wummern aber auch mal einfach vor sich hin.

Das wichtigste Ereignis von "Huggable dust" bleibt dennoch die Peripherie von Groß und Klein. Wie präzise Anderson in "Loveless", "Hot-wired" oder "Peaceful" Spinette, Bläser, Dobro-Gitarren, Glockenspiele, Streicherserenaden und Steel Pans in gerade mal zwei Minuten drückt, das ist an Konsistenz kaum zu übertreffen. Oft auf nur wenigen Folkakkorden aufgebaut, nimmt der Instrumentenwahn so ziemlich jede Abweichung mit, die die harmonische Auflösung bietet. Dennoch übernimmt hier nichts die Federführung. Die Bläser kratzen und bratzen, wirken aber ebenso wie Steel Drums und Flöten nur als ein inneres Zucken, die Marschroute der Songs bestimmen sie nicht. Schließlich muss noch Platz bleiben für Andersons Flüstergesang, der eher den Tonfall eines Spionage-Abhörbandes oder Polizeifunk-Rauschens trifft, statt elegant verschüchtert herumzusäuseln. So heißt es in "Natural" zur Klimax: "I could write you a new song each day / It's a natural part of my day / I want you ... to be happy". Hintergründig, doch auch schlicht, naiv, anspruchslos - und zudem vorgetragen als kolossaler Weltbeherrscher-Plan. Der Hörer ist Schließfach-Gucker, Geheimagent und Lauscher an der Wand. Und Anderson eine Mischung aus Edgar Wallace, Sesamstraßen-Lefty und einer ausgedörrten Trauerweide.

Auch die Songs sind stets konsequent bei der Sache, zeigen sich im Inneren aber sehr beweglich. Wie etwa "Panda" und der Titeltrack, die ihre Dramatik voll auskosten, inklusive Morricone-Chorälen zu prächtiger Kinderlied-Akkuratesse. Oder die abschließenden "Already" und "Half-asleep", die konzentriert bleiben, unten drunter aber beständig wühlen, zittern, verschwörerisch um sich blicken. Hier zeigt Andersons Musik, dass sie sich im Autoren-Prinzip kaum entschlüsseln lässt. "Huggable dust" ist ein Pop-Wunder voller Wehmut, Euphorie und Hingabe - aber ohne Seelenstriptease, -müll oder -katharsis. Wie gesagt, Marty Anderson ist: Okay. Und das ist ebenso gut zu wissen wie zu hören.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • My
  • Loveless
  • Peaceful
  • Panda
  • Huggable dust
  • Half-asleep

Tracklist

  1. My
  2. Only
  3. Tragedy
  4. Nightmare
  5. Loveless
  6. Peaceful
  7. Natural
  8. Hot-wired
  9. Simple
  10. Panda
  11. Bellashakti
  12. Beast
  13. Poof
  14. Truce
  15. Pretend
  16. Huggable dust
  17. Already
  18. Half-asleep

Gesamtspielzeit: 58:19 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
vheissu1
2008-12-08 10:34:09 Uhr
Aha, der hat also früher ne band namens dilute gehabt. Wenn das die selben sind, die ich meine, dann schon mal großen Respekt dafür. Scheibe wird auf jeden Fall Probe gehört.
okay
2008-12-04 23:34:58 Uhr
klingt die stimme nicht wie die devendra banharts?
moses
2008-12-01 18:06:50 Uhr
trotzdem...
endlich gewürdigt... :)

http://www.plattentests.de/rezi.php?show=6280
collin
2008-12-01 16:12:14 Uhr
Die Stimme geht bei mir überhaupt nicht. Schade, weil ich die Musik sehr schön finde.
TaggRkO
2008-08-23 17:02:20 Uhr
mich interessierts ;)

http://lastfm.spiegel.de/music/Okay?autostart

Ich hab glaub mal gelesen das er an MS leidet! Sitmmt das? Wanhsinns Musik auf jeden Fall! sehr zu empfehlen!
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