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James Yorkston - When the haar rolls in

James Yorkston- When the haar rolls in

Domino / Indigo
VÖ: 05.09.2008

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Im Nebel

Er gilt als mythisch, tückisch, launisch und gefährlich. Eine geheimnisvolle Aura verleiht er der umliegenden Landschaft und allem, was er unter seinem dicken Schleier begräbt. So beschreiben die Schotten ihren ureigenen, unverwechselbaren Nebel, "haar" genannt, der ausschließlich an der schottischen Ostküste auf jede Warmwetterperiode folgt und die Zeit zum Stillstand bringt. Fahrzeuge stellen ihre Motoren ab, Fußgänger ziehen sich in den nächstmöglichen Unterschlupf zurück, selbst bärige, immer tüchtige Seemänner halten ein, lassen ihre Arbeit Arbeit sein und suchen den erstbesten Pub auf, um den dortigen Gästen zu Whiskey und Tee Sagen und Geschichten aus dem Herzen des haar aufzutischen. Eine geradezu erschreckende Vorstellung für urbane Maniker, denen jede Sekunde ohne Aktion, Transaktion und Kommunikation wie ein verlorener Lebensabschnitt erscheint.

James Yorkston ist weit davon entfernt, sich diesen manischen Prozessen grenzenloser Urbanität hinzugeben. Und doch suchte er mit seinem letzten Album "The year of the leopard" das Weite und ließ fremde Einflüsse in minimaler Beatgestalt und experimenteller Songstruktur zu und damit dem verspielten, kraftvollen wie traditionellen Folk seines Debüts "Moving up country" in kleinen Teilen hinter sich. Zurückgekehrt nach Hause ist Yorkston nun mit seinem vierten Studioalbum "When the haar rolls in", das sich weniger darum bemüht, vergangenem Songwriting gerecht zu werden, sondern des Künstlers Innen- und Außenleben in der Mitte seines Herkuntsbereiches ins Auge fasst. Dort, im ostschottischen Landstrich East Neuk Of Five, wo Yorkston heute immer noch sein Zuhause hat. Und wie die umher schlendernden Fußgänger und das arbeitende Volk während des aufdringlichen Nebels zur Ruhe kommen, verwundert es nicht, dass auch Yorkston auf den hier versammelten neun Zustandsbeschreibungen so introspektiv, tiefschürfend, ja so psychologisch zu Werke geht wie niemals zuvor.

"Oh, that I hate you / But that's not true at all / Sometimes I want to hold you tight / Sometimes I want to throw you against the wall / But that's not hate at all / It's love in all it's glory / All the contradictions and the questions that I don't understand and I probably never will". Es sind nicht nur die lyrisch erhabenen Erkenntnisse, die mit scharfem Blick aus dem Inneren aufsteigen, während das Außen trüb und undurchsichtig bleibt. Auch die Musik verweigert sich jeglicher Eigendynamik und weitflächigen Ausschweifungen und klebt an Yorkstons Lippen. So kreist ein atemloses, melancholisches, fast panisches Piano um die vielen seelischen Blitze und Stiche, die er hier im schnellen Rhythmus vor sich her trägt. Auch der Titeltrack verschlägt einem die Sprache - nicht auf Grund seiner vielen Kniffe, sondern wegen seiner Geschlossenheit und unendlichen Wärme, seiner Seelennähe und der entsprechenden Stille. Die Akustikgitarre rollt zusammen mit besänftigendem Harmonium in ein minimalistisches Mantra. Yorkstons zarter Bariton fließt im Einklang, legt sich auf jede Note, ohne sich von ihnen abzusetzen. Eine ungehaltene Bouzouki, entsprungen der ewigen Begleitband The Athletes, verstärkt das Ende jeder Strophe mit sattem Kling-Klang.

Nach drei Alben, inklusive dem bisherigen Opus "Just beyond the river", gelingt Yorkston mit "When the haar rolls in" die Integration aller bisherigen Errungenschaften: Die auf traditionellem schottischen Instrumentarium beruhende Folklore, das profane, spröde Songwriting, die kleinen Pop-Spitzen und der Mut zur kurzen reizüberflutenden Hingabe: Alles mit Bedacht zusammengeschneidert zu einer perfekten Dramaturgie, ohne sich nur ein Sekunde kühler Perfektion zu nähern oder an Wärme, Bescheiden- und Erhabenheit einzubüßen. "When the haar rolls in" ist jetzt schon eines der großen Folk-Perlen in diesem Jahr und wird Yorkston über seinen bisherigen Status hinaus bekannt machen. Er wird nicht nur sich selbst danken, sondern auch dem satten Nebel Ostschottlands, der unbeteiligt seines Weges zieht.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Tortoise regrets hare
  • Temptation
  • When the haar rolls in
  • Summer's not the same whithout you

Tracklist

  1. B's jig
  2. Tortoise regrets hare
  3. Temptation
  4. When the haar rolls in
  5. Queen of Spain
  6. Midnight feast
  7. Would you have me born with wodden eyes?
  8. Summer's not the same whithout you
  9. The capture of the horse

Gesamtspielzeit: 49:20 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Soup Dragon
2008-11-18 18:25:39 Uhr
Ja Cover und Aufmachung allein rechtfertigen schon den Kauf und das ist beim Vorgänger "Year Of The Leopard" nicht anders. Nach einem kalten verregneten Misttag wie heute gibt es eigentlich nichts besseres. Wärmender als jedes Kaminfeuer.
fine 0.4
2008-11-18 08:50:01 Uhr
hab mir seit ewigkeiten mal wieder ein album im plattenladen aufgrund des covers und nicht wegen einer kritik aus magazin oder netz angehört ... und ... ich wurde belohnt, es ist wirklich erstaunlich, dass es nicht mehr resonanz auf "when the haar rolls in" bei pt gibt. ...jungs und mädels ihr verpasst was.
übrigens enthält die vinylversion einen bonus-track.
Soup Dragon
2008-09-26 21:05:27 Uhr
Wunderschönes Album. 2008 ist ein absolutes Folk-Jahr.
LostInACity
2008-09-21 11:35:50 Uhr
ich fand es eigentlich auch ziemlich schade, dass, trotz der 8/10-Vergabe, der Thread weiter vor sich hin nach unten rutschte.
Aber du hast schon recht: man sollte sich mit noch viel mehr musik beschäftigen. Aber das Angebot ist riesengroß.
Piepi
2008-09-21 09:54:59 Uhr
@ LostInACity

Die Folknerds sind schon längst dabei, haben aber noch Beschaffungsschwierigkeiten.
Vorallem, wenn ihr mal die unzähligen Geheimtipps würdigen würdet, die wir euch hier Woche für Woche präsentieren.
Zum kompletten Thread

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