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The Gaslight Anthem - The '59 sound

The Gaslight Anthem- The '59 sound

Sideonedummy / Cargo
VÖ: 22.08.2008

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Stop and go

Für das Leben braucht man keinen Führerschein - auch wenn es vielleicht ganz gut wäre, die Bedeutung mancher Schilder zu kennen und einen Fahrlehrer mit zweiter Bremse neben sich zu haben, der Unfälle verhindert. Aber jeder fährt auf seinen eigenen Straßen, durch sein eigenes Dasein, bei Sonnenschein oder bei Nebel. Die einen haben mehr PS unter der Haube, die anderen weniger. Man kommt anderen gefährlich nah oder ist ganz allein. Mal hat man das Lenkrad fest umschlossen, mal zittern die Hände. Vielleicht hat man grüne Welle, vielleicht sind plötzlich alle Ampeln auf Rot. Und doch geht es immer weiter. Meter für Meter ändern sich die Aussichten, vor allem, wenn man immer wieder leicht den Rückspiegel dreht. The Gaslight Anthem haben viele, viele Meilen hinter sich und keine einzige davon vergessen.

Brian Fallon singt von Frauen und den mehr oder minder innigen Beziehungen zu ihnen, von Sally, Jane, Gayle, Maria, Janey, Sandy, Matilda, Virginia, July, Nana, Mutter und Großmutter. Oder er erinnert sich an Städte, an Plätze, die ihm auch wie Frauen erscheinen, weil er sich auch zu ihnen hingezogen fühlt, ein kleines bisschen von sich darin verloren und gewonnen hat. Jersey, Kalifornien, Hollywood, Santa Anna. Derartige Augenblicke hat der Hörer zwar noch nicht mit Sandy, Virginia oder Janey in Kalifornien oder New Jersey erlebt. Aber doch zumindest mit Julia, Steffi oder Tante Erna in Berlin oder Castrop-Rauxel. So steht Fallon etwa im Regen, fühlt sich seltsamer denn je und überlegt, sich selbst einen Krankenwagen zu rufen. Er sucht auf dem Rücksitz eines ausgebrannten Autos nach Trost und nach Platz für seine Knie. Oder er will die Nacht zu Architektur durchtanzen. Hauptsache irgendwas. Wir sind jung und brauchen die Welt. "Young boys, young girls / Ain't supposed to die on a Saturday night."

"The '59 sound" ist das zweite Album der fantastischen Vier aus New Brunswick, New Jersey. Trotz des beachtlichen Debüts "Sink or swim" wurden The Gaslight Anthem bislang kaum wahrgenommen, haben noch nicht geschafft, was ihnen jetzt gelingen könnte: für viele das Wesentliche in die Musikwelt zurückzuzaubern, die übergegenwärtige Coolness wegzuwischen, stattdessen wieder Sekunden in drei Minuten Musik zu verewigen, die Jahre halten.

The Gaslight Anthem schaffen es, dass plötzlich keiner mehr die aufgelösten Hot Water Music vermisst, die jahrelang als Nonplusultra einer Szene galten. "The '59 sound" hat ähnlichen Punkrock getankt, aber auch Folk und die großen Geschichtenerzähler wie Bruce Springsteen fließen mit, verleihen The Gaslight Anthem Kraft und Ausdauer. Sie fahren nicht nur mit drei, vier Akkorden, sondern stoppen immer wieder, schnappen nach Luft, greifen nach der nächsten Gedankenblase, sehen nach vorn und nach hinten. So mancher Song fängt klein an, wie etwa "Meet me by the river's edge", wächst bis zum Refrain hin behutsam und wird, oft nach dem zweiten Refrain, überlebensgroß, wenn das Navi im Kopf zur Standortbestimmung ansetzt. "And I'm not sure if we belong here / If I ever really left / Or If I can go home."

Sie kommt immer wieder, die Auto-Metapher, wie im herausragenden "Old white Lincoln". Fallon schmeißt den Wagen an, scheint der Zündkerze ein Dankeschön zuzurufen und braust durch die Straßen. An der Parkuhr zündet er eine Zigarette an, fünf Minuten Stillstand, dann geht das Leben weiter. Stop and go. "I always dreamed of classic cars and movie screens / Trying to find some way to be redeemed." Der Blick durch die Frontscheibe und in den Rückspiegel, seine eigene Auto-Biographie, scheint ihn wahnsinnig zu machen. Doch aus dem Leben auszusteigen, ist nun mal nicht möglich, höchstens die Illusion einer kurzen Pause. Und wer abbiegt, gerät auf eine neue Straße, mit einem neuen Horizont vor der Brust und neuen Aussichten im Rücken. "So I'm just burning all around / All the miles on the road." Es bleibt nichts anderes. Halt Dich am Lenkrad fest! Drive yourself crazy!

(Armin Linder)

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Highlights

  • Great expectations
  • Old white Lincoln
  • The patient ferris wheel
  • The backseat

Tracklist

  1. Great expectations
  2. The '59 sound
  3. Old white Lincoln
  4. High lonesome
  5. Film noir
  6. Miles Davis & the cool
  7. The patient ferris wheel
  8. Casanova, baby!
  9. Even cowgirls get the blues
  10. Meet me by the river's edge
  11. Here's looking at you, kid
  12. The backseat

Gesamtspielzeit: 41:39 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2019-08-30 20:50:34 Uhr
Hab die mal wieder rausgekramt, nachdem ich gerade "In cold blood" von Truman Capote lese, welches im Jahre 1959 spielt und ich deshalb an das Album erinnert wurde. So geht das manchmal...
Ist immer noch ein absolut rundes, schmissiges Hit-Album. Ziemlich runde 8/10. Vorgänger und Nachfolger hab ich auch etwas gehört, aber sonst nichts.
seabird
2012-10-13 01:36:17 Uhr
sorry, meinte natürlich 1/10.

christenrock für dicke mädchen.
seabird
2012-10-13 01:26:23 Uhr
10/10.
Immer noch.
Es ist doch so:
2012-07-30 08:46:13 Uhr
Die rocken wirklich alles in Grund & Boden mit ihrer dynamischen Mischung zwischen Hart auf die zwölf über verspielt-komplex bis gefühlvoll-hynisch.Da bleibt kein Auge trocken und kein Fuß still stehen.Und obendrein sind die Jungs noch hammersympathisch.
Tim´s Lachs
2012-07-30 05:53:00 Uhr
will lieber femdom gucken.

abre wenig energie und kalt draußen. :(

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