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Wire - Object 47

Wire- Object 47

Pink Flag / Cargo
VÖ: 11.07.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Eine Art Punk

Die Art-Punk-Party war lang. Am nächsten Morgen geht nach dem Aufstehen alles etwas langsamer als gewohnt. Man hat zwar immer noch den Krach vom Vorabend im Kopf, aber irgendwie hat sich ein Filter davorgeschoben, der alles weicher und gedämpfter erscheinen lässt. So etwa muss man sich den Eindruck vorstellen, den Wire bei ihrer ersten Reunion Mitte der Achtziger Jahre hinterließen. An die Stelle der ruppigen Zwei-Minuten-Granaten der ersten drei Platten traten entspannte Popsongs mit gemilderten Gitarren und verstärktem Einsatz elektronischer Instrumente. Die Gefahr schien gebannt. Rund fünfzehn Jahre später kam dann der große Knall in Form des Albums "Send", das Wire wieder so roh, furztrocken und Punk-beseelt wie in ihren Anfangstagen zeigte. Eine Wiederkehr zum Ohrenanlegen. Und wie es sich gehört für eine Band, die immer gerne das macht, was man nicht von ihr erwartet, sieht nun erneut alles ganz anders aus.

Natürlich müssen die Briten längst nicht mehr um jeden Preis losschlagen, und auch eine denkbare Anbiederung an Postpunk, der allmählich seiner zweiten musikhistorischen Endlagerung entgegensieht, haben Wire nicht nötig. Und deswegen gekonnt ein Album aufgenommen, das in sich selbst ruht und höchstens etwas unrund rotiert, statt mit großer Sprengkraft zu explodieren. Das von einem knorrigen Bass und lockeren elektronischen Wölkchen getragene "One of us" etwa hat Melancholie und Drive zugleich, auch wenn man die Wire, die einst für die Auflösung konventioneller Songstrukturen eintraten, bei diesem schlanken, konzisen Popsong vergeblich sucht. Direkt danach wird dann das Tempo in den mittleren Bereich zurückgefahren und bleibt die meiste Zeit auch dort. Wortklauberische Bösewichte könnten anmerken, dass Drummer Robert Grey für viele der gemächlich voranschreitenden Songs sein einstiges Pseudonym Robert Gotobed nicht hätte ablegen müssen - wer es hingegen gut mit Wire meint, schaut nicht auf solche treppenwitzigen Antithesen, sondern lieber auf andere Dinge.

Zum Beispiel darauf, dass bei "Perspex icon" oder dem schroffen Schlusspunkt "All fours" (auf dem sogar Helmets Page Hamilton auf der Gitarre mitlärmt) durchaus auch mal das Tempo angezogen wird. Oder auf das hypnotisch geloopte "Circumspect" und "Hard currency", wo die Breaks dem Hörer mehr Aufmerksamkeit abverlangen, als es zunächst den Anschein hat. Sicher mag man versucht sein, den defensiveren Charakter dieses Albums als Indiz für ein beginnendes Alterswerk anzusehen. Doch dann scheint das für eine Band, die schon so viele Trennungen, Wiedervereinigungen und Häutungen hinter sich hat, auch wieder keine rechte Kategorie zu sein. Besser funktioniert "Object 47" als erneuter Beleg für die Alters- und Zeitlosigkeit von Wires Musik. Colin Newmans missmutiger Gesang und die oft drohend im Hintergrund knurrenden Gitarren lassen außerdem ahnen, dass es auf dem nächsten Album auch ganz schnell wieder ganz ungemütlich werden könnte. Vielleicht sollte man es in Zukunft bei den Art-Punk-Revivalparties also nicht allzu sehr übertreiben.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • One of us
  • Circumspect
  • All fours

Tracklist

  1. One of us
  2. Circumspect
  3. Mekon headman
  4. Perspex icon
  5. Four long years
  6. Hard currency
  7. Patient flees
  8. Are you ready?
  9. All fours

Gesamtspielzeit: 35:02 min.

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