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Wild Beasts - Limbo, panto

Wild Beasts- Limbo, panto

Domino / Indigo
VÖ: 20.06.2008

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Angst des Torwarts

Schalke-Arena, 89. Minute. Geschlossenes Dach, das Unentschieden gehalten, das fürs Halbfinale reichen würde. Dann ein Pfiff. Ein Ball am Punkt, ein Männchen mit viel zu großen Handschuhen zwischen den Pfosten, ein anderes mit Rasenkrallen hinter den Zehen genau elf Meter davor. Und es bricht los, das Kreischen in den Ohren. Ein grelles Pfeifkonzert und die bangen Fragen: Halten die Trommelfelle das aus? Reichen elf Meter, um den Ball ordentlich "flattern" zu lassen? Und wie zur Hölle soll man mit der einen Hand zwei Finger zwischen Zahn und Zunge drücken, und sich mit der anderen beide Ohren zuhalten?

Im Inneren zerborsten und viele tausend Tode sterbend; flirrend und flackernd wie Sommerhitze, Unterzuckerung und Fieberschub in einem; stets um sich selbst rotierend und doch die Richtung ändernd: eine ganz besondere musikalische Gattung, nennen wir sie - Torwart-Musik. Befeuert wird sie von einer Stimme, die nicht nur Gläser, sondern ganze Panzerummantelungen zersingen kann. Die mit Deinem Tinnitus per Du und mit Rübezahl auf Augenhöhe ist. Und sich unter Druck und Volldampf in ein gutturales Knurren rüberschiebt, das man sonst nur von vampirbezahnten Großkatzen kennt. Zu hören ist sie auf "The devil's crayon", dem untrüglichen Hit des Debüts der Briten Wild Beasts. Duettiert mit Bassist Tom Fleming, pendelt Hayden Thorpes Gesang hier zwischen verkaterten Spandau Ballet und versifften Bronski Beat. Während sich der Song aus seiner Klicklaut-Polyrhythmik mit edlem Gitarrengeläuf zu wütenden Becken- und Frequenzschlägen triggert, die die Position der Band nur ganz kurz glasklar machen. Ein Song, der ähnlich wichtig werden könnte, wie einst "Banquet" für Bloc Party. Mindestens.

Auch sonst hält "Limbo, panto" einige großartige Momente bereit. Sorgsam versteckt unter einem Mantel aus Travestie und Mimikry, sowie einem zuckenden Körper aus Musik, den kleinste Moleküle zum Tanzen bringen. Hier pochen Lebenssäfte durch alle Poren zugleich, ändern sich nicht nur Farbe und Stimmung der Songs, sondern vor allem ihre Hautoberfläche. Sie wird seekrank und schunkelig wie bei der Shanty-Wippe "Cheerio chaps, cheerio goodbye", sticht grell hervor wie beim English-For-Runaways-Titel "Brave bulging buoyant clairvoyants", stellt sich bei "Please sir" zu Motown-Gitarren ins hitzig gestikulierende Musical-Spotlight. Jede Erhebung nach außen findet sein Negativ - ein Loch im Inneren, das sofort geschlossen werden muss, damit hier keine hohle Luft eindringt. So wanken die Klavier-Schaukeln, Interpol-Gitarren und ebenso dröhnenden wie dubbenden Bässen von "His grinning soul" und "She purred while I grrred" ins Vakuum, erzeugen zugleich aber einen Unterdruck, der sofort wieder Substanz nachschiebt. Eine Musik, die ständig gaukelt, flimmert und schwirrt, sich austauscht, unter pochenden Hautfetzen ihre Einzelteile verschiebt. Zwischen dem Überschäumen kochender Flüssigkeiten, wütenden Wassertropfen in siedendem Fett und ungeahnten Flugbahnen nennt man sie wohl am besten - Flattermusik. Und zappelt hilflos in ihrem Netz.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • The devil's crayon
  • She purred while I grrred
  • Brave bulging buoyant clairvoyants

Tracklist

  1. Vigil for a fuddy duddy
  2. The club of fathomless love
  3. The devil's crayon
  4. Woebegone wanderers
  5. The old dog
  6. Please sir
  7. His grinning skull
  8. She purred while I grrred
  9. Brave bulging buoyant clairvoyants
  10. Cheerio chaps, cheerio goodbye

Gesamtspielzeit: 41:48 min.

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