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Wolke - Teil 3

Wolke- Teil 3

Tapete / Indigo
VÖ: 28.03.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Blumenwiese in der Großstadtwüste

Wenn man als moderner Großstadtbürger den ganzen Tag in seiner wintergrauen Hochhausbutze hockt und auf einen augenschädlichen Computerbildschirm starrt, ist man froh um jede Schäfchenwolke und jedes Blümchen, das man zu Gesicht bekommt. "Wir sind nur kleine Lichter / Doch wir leuchten mit Gewalt", scheinen sie zu singen, sobald man das Fenster aufmacht. Klein und unscheinbar sind sie, aber ein willkommener Einbruch des Poetischen in den mit prosaischer Geschäftigkeit ausgefüllten Alltag. Das Gleiche lässt sich auch von dem Kölner Duo Wolke sagen, das vor allem durch seine Coverversionen zu Ruhm und Ansehen sowie wöchentlichen Radioauftritten als "Popdolmetscher" bei der WDR-Jugendwelle Einslive gekommen ist. Dort nehmen sie bekannte Hits, übersetzen sie ins Deutsche und verwandeln sie mit ihrem sparsam-zurückhaltenden Stil in kleine Pop-Oasen. Auch auf ihrem dritten Album "Teil 3" braucht es nicht mehr als einen Bass und ein paar Computerbeats zur rhythmischen Grundierung, Piano für die Melodieführung, eine klare, unaufdringliche Stimme und hier und da ein Horn oder ein Saxophon als schmückendes Beiwerk.

Heraus kommen dabei weniger Einladungen zum Abgehen als solche zum Mitschwingen. Die Ausnahme bildet das schnelle "Hurra!", das eher die Richtung einer hibbeligen Indiediscohymne einschlägt, freilich ohne jede kreischende Gitarrenrotzigkeit. Moderater gibt sich zum Start "Kleine Lichter". "Wir nehmen es nicht mit der Sonne auf / Wir nehmen es nicht mit den Sternen auf / Und trotzdem geht es für uns immer nur bergauf / Aha ha", heißt es hier. Wobei dieses "Aha ha" ein Zitat aus Udo Jürgens' "Aber bitte mit Sahne" ist. Anders als dessen Lackschuh tragende Revuenummer ist "Kleine Lichter" jedoch ein trotziges Lied über die Selbstbehauptung der Missachteten. "Wo soll ich mit meiner Liebe hin?" verzehrt sich in Liebeskummer über ein paar elegischen Bläsern im Hintergrund. Ohne Beat beginnend und danach langsam Lautstärke und Instrumentenzahl bis hin zum – etwas kitschigen – Saxophon-Solo steigernd beschwört dann in der Mitte "Ein guter Plan" das Verschwinden als Möglichkeit, wieder sichtbar zu werden.

Zwar bringt wie beim Bluesschieber "Gründe zum Unglücklichsein" trotz aller Melancholie meist die Sonne einen Hoffnungsschimmer in die Lieder Wolkes, aber manchmal bleibt die Nacht dann eben doch schwarz. So modeln Oliver Minck und Benjamin Filleböck ausgerechnet Van Halens Haarspray-Hymne "Jump" zu einem depressiven Pianostück um. Statt mit Spagatsprüngen, Schlafzimmerblick und Poser-Gitarrensoli die Partytime am Venice Beach einzuläuten, gibt das Piano in "Spring" mit wenigen Tönen einem in der Liebe erfolglosen, lebensmüden Hänfling das letzte Geleit vor dem erlösenden Sprung vom Dach.

Schade ist am Ende, dass die Beats auf "Teil 3" immer einen Tick zu billig klingen und die Musik insgesamt immer wieder zu süß und nett gerät. "Im großen Ganzen" etwa klingt ein bisschen zu sehr nach Schnutenmädchen-Pop. Dadurch aber verflüchtigen sich Wolke zu schnell. Unwohlsein ja, aber nur mit Wohlfühlfaktor und ohne Rückstände. In der einmaligen Livesituation ist das mehr als unterhaltsam und sympathisch, auch dank der Ansagen des geborenen Charmeurs Minck. In der Konserve ruft es mehr mitpfeifende Anerkennung hervor. Aber ein paar Macken gehören halt zum Leben dazu. Woher käme auch sonst die Poesie?

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • Kleine Lichter
  • Wo soll ich mit meiner Liebe hin?
  • Hurra!

Tracklist

  1. Kleine Lichter
  2. Wo soll ich mit meiner Liebe hin?
  3. Vergessen
  4. Hurra!
  5. Käfer
  6. Ein guter Plan
  7. Trümmer
  8. Günde zum Unglücklichsein
  9. Im großen Ganzen
  10. Spring
  11. Gib auf

Gesamtspielzeit: 38:28 min.

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