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Das Pop - I love

Das Pop- I love

PIAS / Connected
VÖ: 11.06.2001

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der blanke Wahnsinn

Alle weiblichen Leser, bitte an dieser Stelle weiterblättern! Alle männlichen Leser jenseits der Dreißig ebenso! Und jetzt, nachdem wir männlichen Kinder der Siebziger und Achtziger unter uns sind, seien wir doch mal ehrlich: Irgendwann im Laufe unserer Kindheit war der große Moment gekommen. Auf Umwegen, sei es die große Schwester oder die kleine Cousine, haben wir eines Tages zum ersten Mal einen kleinen rosa Korpus aus blitzblankpoliertem Kunststoff in die Finger bekommen. Das Objekt der Begierde trug einen Namen: Die Barbie-Puppe. Die Unwissenden erfreuten sich an so viel Buntheit und frönten unbekümmert dem Kleiderwechselwahn, die Aufgeklärten unter uns hingegen zerrten in einem unbeobachteten Moment das Kleidchen nach oben, um genauer nachzusehen, was sich wirklich darunter verbergen mag. Die Enttäuschung über das Ergebnis hat schon so manches Kinderherz gebrochen: Nichts. Gar nichts. Nicht das geringste. Manche von uns haben bis heute ein Trauma von diesem Erlebnis davon getragen und behaupten bis heute, noch nie eine Barbie-Puppe in der Hand gehabt zu haben. Niemals.

Doch jetzt, genau jetzt, ist der richtige Zeitpunkt, der Welt einzugestehen, daß es doch genau so und nicht anders war. Denn alles kommt eines Tages zurück: Die Adidas-Trainingsjäckchen, die Rubik-Würfel, der Commodore 64. Retro rulez! Nun also hat auch die Barbie-Puppe den Sprung ins neue Jahrtausend geschafft. Ein eingeölter Körper, rot lackierte Fingernägel, ein knallenges Shirt mit Herzsymbol, die Hände lasziv im Schritt: So und nicht anders würde die holde Barbie heute aussehen, wäre sie nicht mit dem schmierigen Ken durchgebrannt und hätte einen zu großen Schluck aus dem Brunnen der ewigen Jugend genommen. "I'm a Barbie girl in a Barbie world" glaubt man das Mädchen vom Cover des Das Pop-Albums trällern zu hören, und doch erfüllt sie nur einen Zweck: der ganzen Welt die unbekümmerte Bekümmertheit von Das Pop zur Schau zu stellen. Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt.

Wer uns mit einem derartigen Albumcover daherkommt und seine Band "Das Pop" nennt, muß entweder einer geschlossenen Anstalt entflohen sein und das Zwangsjäckchen in der nächsten Mülltonne deponiert haben oder sich eine gehörige Portion Humor zum Selbstverständnis erklärt haben. Bei Das Pop mögen beide Theorien ein wenig zutreffen. Wie von der Tarantel gestochen kalauern sich die Belgier durch vier Jahrzehnte des schlechten Geschmacks und retten die pure Essenz in die Gegenwart: Das Pilzkopf-Shalala aus den Sechzigern, Bowies Glitter aus den Siebzigern, Smithsche Lockerflockigkeit aus den Achtzigern und Blurs unverschämte Liebe zur knarzigen Melodie aus den Neunzigern. Unterwegs haben sie ein ganzes Bataillon rumpelnder Synthies eingesackt, auf denen sie nun ihre Lieder zum Besten geben. Der Schelm sitzt fest im Nacken, und doch verziehen die fünf Belgier keine Miene.

Daß das Ergebnis unterm Strich bei aller Coolness manchmal ein wenig verkrampft und erzwungen wirken mag, wird niemanden kümmern. Denn konnte ihr mangelnder Tragekomfort den Siegeszug der Adidas-Jäckchen aufhalten? War nicht auch der Zauberwürfel nichts als eine gigantische Zeitverschwendung? Alle Retro-Jünger dieser Welt - auch all die Mittvierzigerinnen, die ihre Kindheit ersatzweise mit unförmigen selbstgehäkelten Wollpüppchen bestreiten mußten - kauft dieses Album! Und hört es so lange, bis eines Tages die Reinkarnation von C.C. Catch mit hellblauem Schweißbändchen und der Frisur eines räudigen Dackels über uns kommen und all unsere Sinne lahmlegen wird.

(Armin Linder)

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Highlights

  • The one
  • A naked girl
  • The love program
  • Sing song

Tracklist

  1. The one
  2. Such a day
  3. Baby of gold
  4. A neked girl
  5. The love program
  6. Forever
  7. Rosie
  8. Ordinary sunset
  9. Sing song
  10. True
  11. All for love

Gesamtspielzeit: 47:28 min.

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