Circus Devils - Sgt. Disco
Ipecac / Soulfood
VÖ: 26.10.2007
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Lahmarschige Höllenhunde
The same procedure for every record. Ins Schwitzen kommend greift der Musikrezensent zum altbewährten Mittel und hofft darauf, dass der Leser sich nicht in den Archiven diverser virtueller Musikgazetten vergräbt, um rauszufinden, dass eine Rezension zu einem Robert-Pollard-/Guided-By-Voices-Album mit dem immergleichen Aufmacher daherkommt. Eine offizielle Entschuldigung muss es auch in diesem Fall geben, denn trotz unmenschlicher Recherchen, die fast bis zu den Anfängen menschlicher Kultur zurückreichten, gibt es über den Vielarbeiter Pollard nichts Neues zu berichten. Privates und Soziales aus seinem Hause zu erhaschen, ist genauso selten wie ein Monat ohne Pollard-Veröffentlichung. Und so liegt auch bei "Sgt. Disco" das Hauptaugenmerk auf dem geldbeutelleichten Sammler und dem zahlenverliebten Statistiker, die er jeweils mit tränenvollen und freudestrahlenden Augen zurücklässt.
Pollard und der frühere Guided-By-Voices-Bassist Todd Tobias formierten sich bereits 2001 unter dem Namen Circus Devils und fanden in diesem Projekt eine Spielwiese für von ihnen weniger ausgetretene Wege. Bissiger Hardrock, gemischt mit grobkörniger Psychedelik, Experimenten und LoFi-Prog, selten melodiös und mit harmonischen Hooks versehen - eine gewöhnungsbedürftige Mischung, die selbst anerkannten Pollard-Enthusiasten die Butter vom Brot nahm. "Sgt. Disco" stellt seine Hörer ein weiteres Mal auf die Probe. Mit satten zweiunddreißig Songs und fast siebzig Minuten Spielzeit ist es eine fast unüberwindbare Hürde.
Der kreative Geist Pollard scheint auf Abwegen zu wandeln, gezwungen all das auszuprobieren, was noch auf seinem unkonventionellen To-do-Zettel abzuhaken ist. Das Endprodukt überzeugt bei einer solchen Herangehensweise leider nicht immer. Man fragt sich eher: Wo überhaupt anfangen in diesem buntgemischten Zirkus, der ohne roten Faden und dramaturgische Höhen und Tiefen auskommt? Erschreckend derb tönt die Heavy-Metal-Referenz "Outlasting girafalo". Pollard verfremdet seinen Gesang zu einem näselnden Rock-Ungeheuer und fährt fort mit ärmlichem Space-Rock, ohne gewünschte Raffinesse und erhofftem Spielspaß.
"In Madonna's gazebo" bedient sich an Primus und klingt nach einem Bündel Jungspunde, die zum ersten Mal die Fesseln der elterlichen Unterdrückung abstreifen, um dann ideenlos, aber aggressionsbewältigend auf ihre Instrumente einzudreschen, welche sie auf dem Sperrmüll gefunden haben. Und so fährt "Sgt. Disco" fort mit satirisch ausgelegter, aber selten witziger Breitbein-Attitüde, völlig verkorksten Synthesizer-Verfremdungen und einer überaus hektischen, nervtötenden Spielweise, die bereits nach der Hälfte der Songs jegliche Erwartungen an den Rest auf ein Minimum herunterschraubt. Nur spärlich blitzt Pollards Erfahrung als sonst verlässlich guter Songwriter auf - wie zum Beispiel im vollends britisch tönenden "Pattern girl" und der einzig vernünftigen Hardrock-Imitation "Brick soul mascots (Part 2)". Der Rest: ein klinisch untersuchenswertes Übel, bei dem starke Verdrängungsmechanismen auf Zuspruch treffen. Also Ohren zu, Schwamm drüber und Augen geradeaus. Das nächste gute Pollard-Album kommt bestimmt. Versprochen.
Highlights
- Pattern girl
- Brick soul mascots (Part 2)
- War horsies
Tracklist
- Zig zag
- In Madonna's gazebo
- George took a shovel
- Pattern girl
- Nicky Highpockets
- Love hate relationship with the human race
- Brick soul mascots (Part 1)
- Break my leg
- Outlasting girafalo
- The assassins' ballroom (Get your ass in)
- The winner's circle
- The constable's headscape
- In your office
- New boy
- Puke it up
- Swing shift
- Happy zones
- The pit fighter
- Bogus reactions
- Hot lettuce
- Safer than hooking
- Dead duck dinosaur
- Do this
- Brick soul mascots (Part 2)
- Caravan
- Lance with the boiling son
- War horsies
- French horn litigation
- The baby that never smiled
- Man of the spare parts
- Rose in paradise
- Summer is set
Gesamtspielzeit: 67:55 min.
Referenzen
Robert Pollard; Mike Watt; Minutemen; fIREHOSE; Jad Fair; The Who; Ween; Camper Van Chadbourne; King Missile; Guided By Voices; Swearing At Motorists; Les Claypool; The Dead Milkmen; They Might Be Giants; Beck; Frank Zappa; Syd Barrett; Thin Lizzy; Nazareth; Deep Purple; Elvis Hitler; Butthole Surfers; Captain Beefheart; Jethro Tull; Bob Mould; Wire; Thomas Jefferson Slave Apartements; Jason Loewenstein; Sebadoh; The Hold Steady; The German Art Students; Grifters; Mitch Mitchell; Hüsker Dü; The Replacements; Fugazi; Mudhoney; Primus