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Vic Chesnutt - North star deserter

Vic Chesnutt- North star deserter

Constellation / Al!ve
VÖ: 24.08.2007

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

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Das kanadische Leise-Laut-Leise-Spiel: Inszenierte Field Recordings verzeichnen dementes Gebrabbel alter Männer. Skizzen einer Songstruktur wuseln sich durch Undurchsichtiges. Obskure bis genialistische Soundtüfteleien beißen sich fest. Melancholische Grabenkämpfe. Ekstatische Eruptionen. Gitarrenwände. Der Himmel voller Geigen. Obskure bis genialistische Soundtüfteleien. Skizzen einer Songstruktur. Ende. So umkrempelnd, neuschneidernd und faszinierend die ersten Veröffentlichungen von Constellation-Bands, allen voran Godspeed You! Black Emperor und ihre Ableger, waren, so berechenbar verlief sich ihr nachfolgendes Schaffen in immer gleichen Bahnen. Doch ihr Einfluss ist auch heute noch nicht versiegt und ihr Können weiterhin gefragt. Wer hätte aber gedacht, dass sich gerade Songwriter Vic Chesnutt mit "North star deserter" auf solch ein Abenteuer einlässt und die komplette Besetzung von Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-La-La Band und Teile von Goodspeed You! Black Emperor und Frankie Sparo zum Mitspielen auffordert?

Oberflächlich betrachtet wahrscheinlich niemand. Wenn man aber die Karriere des ruhelosen Chesnutt näher ins Auge fasst, ist ein Ausflug in ein weiteres Sub-Genre nicht verwunderlich. Zu oft wechselte der Amerikaner in den letzten Jahren sein Gewand und ließ den ein oder anderen Fan seiner Anfangstage auf der Strecke. Der müde und arg konservative Rock'n'roll zu Beginn dieses Jahrtausends mündete in überkandidelte Produktionen, die ihn schnell in die Ecke der Allerweltssongwriter rückten. Angesichts der kargen, bitterbösen wie wertvollen Songkunst aus den jüngeren Jahren ist das schon eine Träne wert. Doch seit "Ghetto bells" im Jahr 2005, den feinen, von Van Dyke Parks gestützten Southern-Sinfonien, hat er wieder Fuß gefasst. Mit "North star deserter" flüchtet Chesnutt zwar ein weiteres Mal vor dem Vorläufigen, aber zum jetzigen Zeitpunkt erscheint das weder überstürzt noch unangemessen.

Denn "North star deserter" ist sein bestes Album in der Zeitrechnung nach Millennium. Und eines seiner bedächtigsten und introspektivsten seit sehr langer Zeit. Nicht ohne das die gastierenden Musiker beizeiten Mal kräftig in die Saiten hauen können und die Strukturen damit zum Erzittern bringen, sind sie doch sonst auch für eine beachtliche Dezibelzahl bekannt. So geschehen im wütenden "Everything I say", das ständig zwischen lodernden Feuern und anhaltendem Atem hin und her schwingt und einen Vic Chesnutt präsentiert, der sich endlich mal wieder ohne authentizitätszerstörende Produktion seinen inneren Gewalten hingibt. Wie auch in "Debriefing": Sechs stramm gezogene Saiten pulsieren, schneiden böse ins Fleisch und verführen gerade zu textlichen Abgründen: "When I stop breathing / And my poor old heart finally gives up / I will spend eternity debriefing." Neben dem neugefundenen Mut zur Destruktion, setzt Chesnutt sein Hauptaugenmerk auf bewusst spröde Reduktion. Mal unterlegt mit spärlichen Ambient-Spuren ("Splendid"), fremdartige Folklore integrierend ("Fodder on her wings") oder vollkommen auf sich alleine gestellt, den Südstaaten-Traditionen sanft huldigend ("Over"). Eine Symbiose immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, die beizeiten in der Länge ihre Grenzen erreicht.

Der wunderschönste Song aber, der endgültig die leidige Phase von Chesnutt vergessen lässt, ist auch gleichzeitig der Ausladenste und Optimistische: Zynisch und bissig rafft sich "You are never alone" von entschleunigtem, an Lambchop erinnernden Neo-Country mit dominierender Slide Guitar auf. Aus den sonst eher bescheidenen Mitteln seines Gesangsorgans holt Chesnutt nun alles raus und leitet im euphorischem Affekt mehrstimmige Fanfaren ein, weist den Weg für tröstende Chöre. Bis hin zum Zusammenhalt und erkennbarer Familiarität. Kein Himmel voller Geigen. Ein Chesnutt voller Kraft. Und die Backing Band im Einklang. Oh Kanada!

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Everything I say
  • You are never alone
  • Over

Tracklist

  1. Warm
  2. Glossolalia
  3. Everything I say
  4. Wallace Stevens
  5. You are never alone
  6. Fodder on her wings
  7. Splendid
  8. Rustic city fathers
  9. Over
  10. Debriefing
  11. Marathon
  12. Rattle

Gesamtspielzeit: 57:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
coward
2009-09-05 13:29:42 Uhr
at the cut ist ja jetzt verfügbar. coward ist unglaublich, rest wächst noch, ist aber ebenfalls sehr stark.
bei constellation kann man das album als package mit LP, CD, artwork und poster für 24€ bestellen. beste.
fakeboy
2007-11-23 10:23:31 Uhr
ich geb noch einen drauf: UNBEDINGT HINGEHEN! etwas vom besten dass es dieses jahr live zu sehen gibt!
(zumindest galt das für das konzert in zürich)
bee
2007-11-23 10:21:55 Uhr
Mist, was eine miese Tourplanung ,-)
Dazer
2007-11-23 09:21:33 Uhr
und ich sag's nochmal: HINGEHEN!!!!
simme
2007-11-23 00:09:59 Uhr
restliche tourdaten:

26 NOV 2007 Dortmund, DE FZW
27 NOV 2007 Leipzig, DE UT Connewitz
28 NOV 2007 Berlin, DE Lido
29 NOV 2007 Hamburg, FR Uebel & Gefaehrlich

instrumentalorchester auf tour:

Vic's band will be:
Thierry Amar - bass (Godspeed You! Black Emperor, A Silver Mt. Zion, Black Ox Orkestar)
Efrim Menuck - guitar (Gybe, smz)
Jessica Moss - violin (smz, black ox)
Guy Piccioto - guitar (Fugazi)
David Payant - drums (countless jazz/improv projects in Montreal)

http://www.myspace.com/vicchesnutt
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