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Bill Callahan - Woke on a whaleheart

Bill Callahan- Woke on a whaleheart

Drag City / Rough Trade
VÖ: 05.04.2007

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Frischluftzug

Joanna Newsom, das zauberhafte Elfenwesen im flinkwendigen Harfenkostüm, mit ihren geliebten Kindern "The milk-eyed mender" und dem weitaus reiferen, hochgeschosseneren "Ys", hat mit ihren jugendlichen Reizen den brummenden, traurigen Stoiker erlegt und ihm ein breites Lächeln aufgetragen. Sie hat dem rastlosen Reisenden eine Heimat verschafft, dem unsicheren, immerwährenden Schwarzseher weiße Flecken aufgepinselt. Wer hätte das gedacht? Wahrlich niemand, denn glückselige Verheißungen und positives Denken waren nicht gerade dafür bekannt, in der Nähe von Bill Callahan zu gastieren.

"When you're down on your luck / And you just can't cope / When the times are bleak / And the friends are few / Don't turn to me / 'Cause I'm no hope." So und nicht anders ließ er unter seinem mehr als 20 Jahre währenden Pseudonym "Smog" (mal mit, mal ohne Klammern) Hoffnungsströme wie Seifenblasen zerplatzen. Die Möglichkeit, den Rettungsanker auszuwerfen, war selten gegeben ("The doctor came at dawn"). Und doch gesellte sich im Laufe der Jahre der ein oder andere Sonnenstrahl hinzu. Schon "A river ain't too much to love", die vorerst letzte, genauer gesagt die zwölfte vollwertige Veröffentlichung von Smog, sorgte allerorts für wohliges Staunen. So freudig gestimmt, dabei minimalistisch, folkloristisch in den Ausdrucksmitteln, hörte man den inzwischen 38-jährigen auf seinem teilweise sperrigem Gesangsgut noch nie philosophieren. "Whether or not there is any type of God / I'm not supposed to say / And today I don't really care." Augen auf statt Introspektion. Leben statt Stagnation. Was mag passiert sein mit dem Hobby-Nihilisten?

Die holde Joanna ist in ihn gefahren. Auf der gemeinsamen Australien-/Neuseeland-Tour 2004 soll es gefunkt haben. Die Liebe funktioniert wieder einmal als Schlüssel zum Glück. Und die Uhren werden in Zukunft in andere Richtungen ticken. Zuerst einmal wurde das Versteckspiel aufgegeben: Bill Callahan positioniert sich mit seinem Geburtsnamen auf dem überaus bunten, verschrobenen Plattencover von "Woke on a whaleheart". Zwar nur in der untersten Ecke, mit Sauklaue gezeichnet, aber das reicht vorerst zu einer wirklich frohgemuten Botschaft. Schließlich ein radikaler Angriff auf den musikalischen Output, der zwar über die Jahre Veränderungen erfahren hat, aber doch in seinen Grundfesten unerschütterbar blieb. Der frührere LoFi-Enthusiast, stets um Eigenregie bemüht, verließ sich diesmal voll und ganz auf Neil Michael Hagerty (Pussy Galore, Royal Trux), der mit einer sehr klaren und offenherzigen Produktion die Fans des in Austin, Texas lebenden Musikers überraschen wird. Aber damit ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange an Neuerungen erreicht.

Der erste Song "From the rivers to the oceans" lässt Bezeichnungen zu, die im bisherigem Smog-Kosmos, nicht für möglich gehalten wurden. Eine waschechte Ballade, mit glasklarem Piano, hektischer Violine von Elizabeth Warren, die über das ganze Album als muntere zweite Hauptrolle brilliert. Hinzu kommen deutliche Botschaften ("Have faith in wordless knowledge") statt tiefenpsychologischer Symbolismen und ein kräftiges, neopsychedelisches Gitarrengewitter von Pete Denton. "Diamond dancer" macht schließlich die Callahansche Neuerfindung perfekt, in dem sie androgynen Soulrock im Stile David Bowies mit Smogs standardtypischen Folk auf fantastische Art und Weise verbindet. Mit dem inbrünstigen Einsatz der ebenfalls über Albumlänge agierenden Gospelsängerin Deani Pugh-Flemmings werden gar die grundlegenden Farben gewechselt.

Callahan gelingt mit "Woke on a whaleheart" ein eindrucksvolles, mag man es sich kaum trauen zu sagen, Debütalbum. Seinen ureigenen Pfad von Minimalismus verlässt er trotz aller neuen Einflüsse nicht. Die Arrangements sind progressiver ausgerichtet und erscheinen insgesamt offenkundiger, direkter, aber gleichzeitig unaufgeregter, weniger fesselnd. "Woke on a whaleheart" mangelt es in gar wenigen Momenten an maßgebender Konsequenz und den nötigen Übergängen, so dass die Country-Anleihen, die straffer denn je gehalten sind ("The wheel"), sich nur schwerlich mit dem brüchigen, federleichten Elementen verbinden ("Night", "Sycamore") lassen. Trotz kurzer Ungereimtheiten steht Callahan mit wundervollen Aufwärtsentwicklungen weiterhin im Zenit seines künstlerischen Schaffens. Lebenseinschneidende Übergänge gestalten sich bekanntlich immer etwas holprig. Joanna wird ihm schon Beine machen.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • From the rivers to the oceans
  • Diamond dancer
  • Night

Tracklist

  1. From the rivers to the oceans
  2. Footprints
  3. Diamond dancer
  4. Sycamore
  5. The wheel
  6. Honeymoon child
  7. Day
  8. Night
  9. A man needs a woman or a man to be a man

Gesamtspielzeit: 40:48 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
bee
2008-05-21 11:53:34 Uhr
gestern in Frankfurt - ein ganz prima Konzert!! Callahan ist wahrscheinlich sowieso ein Genie - und Alasdair wusste auch zu gefallen ....
kingsuede
2008-05-05 20:30:17 Uhr
Mit Herrn Alasdair Roberts im Vorprogramm...
bee
2008-03-17 17:20:50 Uhr
das ist ja mal ne Nachricht - wow!!
kingsuede
2008-03-17 12:45:11 Uhr
Da geht sicher auch Abendkasse....
markus w.
2008-03-17 12:13:36 Uhr
Habe ich auch schon gesucht - aber es scheint noch keine Karten zu geben. Die Tour ist auch erst seit ein paar Tagen bestätigt.
Bin auf jeden Fall in Köln dabei.
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