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Various Artists - Songs for the young at heart

Various Artists- Songs for the young at heart

City Slang / Rough Trade
VÖ: 23.02.2007

Unsere Bewertung: Ohne Bewertung

Eure Ø-Bewertung: 8/10

When life was sunny and simple

"Punkt Acht hat die Ausarbeitung auf diesem Tisch zu liegen!" - "Ich habe vergessen einzukaufen. Kannst Du das erledigen?" - "Die Miete für Februar?" - "Ist Dir gestern Abend etwas dazwischen gekommen, oder hast Du unsere Verabredung einfach nur vergessen?" - "Sehr geehrter Herr Wollmann, leider ..." Der Alltag. Es reicht. Vorhang zu. Augen schließen. Decke über den Kopf. Zeitmaschine an. Noch mal Kindheit. Glückliche Zeit. Unbeschwert. Unschuldig. Sandkasten. Fragen über Fragen. Verstecken. Fangen. Doktor spielen. Baden. Schokolade. Nicht zu vergessen, die vielen bunten, traurigen und aufreibenden Geschichten und Lieder, die uns in wilde, Eltern schreckende Ekstase versetzt oder sanft in den Schlaf gesungen haben. Ob im Fernsehen oder Radio, ob auf Langspielplatte oder Musikkassette: Irgendwie haben wir ihn in unserem nussschalengroßen Universum immer gefunden und damit unseren einfach gestrickten Kindertag mit Glückseligkeit gefüllt: den kleinen, zauberhaften Moment, der irgendwo tief im Bauch gekitzelt hat. Da wo die Seele wohnt.

Da aber die Wissenschaft mit der Erfindung der Vergangenheitsbewältigungsapparatur mächtig hinterher hinkt, und unser Assoziationsmotor, genannt Phantasie, durch etliche entscheidende Verpflichtungen und verpflichtende Entscheidungen so langsam verkümmert, haben zwei alte Bekannte eine kleines Sprungbrett für den geneigten Fluchtwilligen gezimmert. Tindersticks-Frontmann Stuart A. Staples und deren verlässlicher Komponist David Boulter stöberten anlässlich des ersten Klapperstorch-Besuchs ihrer jungen Familien zusammen tief in den Kisten ihrer eigenen Menschwerdung. Versteckt in ihrem Unterbewusstsein, in den morschen Ecken längst aufgelöster Schulhöfe, im Vor- und Abspann mehr als dreißig Jahre alter britischer Kindersendungen, in vergilbten Blättern geheimnisumwobener Märchenbücher, holen Staples und Boulter ihre Erinnerungen mit "Songs for the young at heart" ans strahlende Tageslicht. Und damit sie nicht alleine stehen mit diesem schwierigen Projekt, das vergleichbar schon so oft von falscher Seite in den Sand gesetzt wurde, haben sich die beiden Briten eine illustre Brigade an wunderbaren Musikern zur Seite genommen. Zum Musizieren und Fabulieren.

Bevor die feine Wundertüte nun zum Platzen und unser alterndes Herz zum Leuchten gebracht wird, hier der unumstößliche Grundsatz: "As the songs, ideas grew, it felt important to keep the songs simple." Dementsprechende Taten lassen Staples und Boulter für "Songs for the young at heart" folgen und halten die Instrumentierung mit einer kindlichen Zirkusorgel so schlicht wie überhaupt möglich. Geschmückt mit zurückhaltenden Streicherparts und einem weder überengagierten, noch kitschigen Kinderchor vollführt Robert Forster, eine Hälfte der formidablen Go-Betweens, mit "Uncle Sigmund's clockwork storybook" das erste Stück der Rührung. "Stop, look, listen" heißt es dort pädagogisch und man will dieser Aufforderung bei so viel unaufdringlicher Herzlichkeit unbedingt nachkommen. Mit Catatonia-Frontfrau Cerys Mathews und ihrem glockenhellen Sopran reiten wir auf weißen Pferden durch die verschneite Landschaft. Wir besuchen Jarvis Cocker, der mit Pfeife, piefiger Tweedjacke und schwerem Schmöker im gemütlichen Sessel sitzt und uns die Geschichte vom kleinen Albert, der vom Löwen Wallace gefressen wird, vorliest. Nicht zu vergessen die menschgewordene Sagengestalt Bonnie 'Prince' Billy, die sich an einer Entniedlichung von "Puff, the magic dragon" versucht.

Für keine Sekunde fällt dieses herrliche Projekt in ein Loch voll von schmalztriefender Nostalgie und umgeht genauso der Gefahr, Kompositionen für die Jüngeren als stupide Schmachtfetzen bloßzustellen. Den gelernten Melancholikern Staples und Boulter gelingt es, nervenzehrende Infantilität umzumodellieren, dem kindlichen Sound weiterhin gerecht zu werden und den Songs ein hohes Niveau und subtile Feinspur zu verleihen. Aber nicht jeder unterkühlte Fatzke wird es aushalten können, dieser intensiven Reise in die Vergangenheit beizuwohnen. Denn die Gebrauchsanweisung steht ja schon im Titel: "Songs for the young at heart."

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Uncle Sigmund's clockwork storybook (Sung by Robert Forster)
  • White horses (Sung by Cerys Mathews)
  • Hushabye mountain (Sung by Stuart Staples)

Tracklist

  1. Theme for the young at heart
  2. Uncle Sigmund's clockwork storybook (Sung by Robert Forster)
  3. Florence's sad song (Sung by Stuart Murdoch)
  4. White horses (Sung by Cerys Mathews)
  5. The lion and Albert (Told by Jarvis Cocker)
  6. Robinson Crusoe
  7. Hushabye mountain (Sung by Stuart Staples)
  8. Morningtown ride (Sung by Suzanne Osborne)
  9. Inch worm (Sung by Kurt Wagner)
  10. Mary, Mungo and Midge
  11. Puff, the magic dragon (Sung by Bonnie 'Prince' Billy and Red)
  12. The three sneezes (Told by Martin Wallace)
  13. Hey, don't you cry (Sung by Stuart Staples)

Gesamtspielzeit: 36:15 min.

Referenzen

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