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Gruff Rhys - Candylion

Gruff Rhys- Candylion

Rough Trade / Sanctuary / Rough Trade
VÖ: 23.02.2007

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Soundlifting

Schnell und skrupellos huschen flinke Hände über ein arg malträtiertes Xylophon. Progressiv ausgerichtete Synthesizer jagen hinterher und klingen, als versuchten sie sich an einer wesentlich rasanteren Eingangsmelodie zur japanischen Animeverfilmung von Captain Future. Ganz im Sinne von Frank Zappa regiert in Komposition Eins von Gruff Rhys' zweitem Soloalbum schwer einzuschätzendes Chaos über allem. Der Frontmann der walisischen Band Super Furry Animals ist schließlich auch kein Kind von schlechten Eltern, hat mit seinem zungenbrecherischen und heimatinspirierten Solodebüt "Yr atal genhedlaeth" selbst den standhaften Kollegen Sebastian Peters dem Alkoholismus näher gebracht.

Und so verführt Rhys die Songstruktur in guter alter Super-Furry-Animals-Manier dazu, gleich mehrmals gegen stilistische Wände zu knallen, so dass sie, schwer getroffen, benommen und orientierungslos von Genre zu Genre eiert. Ob das im Ohre des Hörers immer eine Wonne bleibt, ist eine andere Frage. Allein wichtig ist, dass dem schrulligen Tausendsassa Gruff Rhys an solch frickeligen Kakophonien niemals der Spaß vergeht. Bevor aber dieses krankenhausreife und kurze Intro dem Ende entgegen saust, sagt eine weibliche Telefonstimme "Hallo" und begrüßt den mutigen Interessierten mit den folgenden Worten: "Welcome to Candylion / An album of eleven songs with acoustic guitar and a voice / But this isn’t a song / This is just the beginning". Aha!?

Da hat uns Rhys ganz schön an der Nase herumgeführt. Denn nicht eine weitere Dosis psychischer Schäden erwartet uns mit dem folgenden Titelsong. Nein, "Candylion" entpuppt sich als sanfte Popkomposition. Das dumpfe Xylophon ist zur Ruhe gekommen und tauft sich nun selbst um zum Glockenspiel. "A long time ago in the kingdom of candy / The lioness roamed the streets", lässt es Rhys zart verlauten. Ist das nicht zuckersüß? Tatsächlich, herrliche Harmonien schlagen Wurzeln, ohne dass "Candylion" zu einer heißgekochten, klebrigen Masse verkommt. So hinterlässt dieser Song, außer einem breitgefächerten Popoptimismus, nur den Fakt, dass man die einleitende Erklärung Lügen strafen muss. Denn außer akustischer Gitarre und Rhys besänftigender Stimme verzieren Kleinstorchester (arrangiert vom High-Llamas-Kopf Sean O’Hagan) und anderes flüsterndes Instrumenten-Kleingetier das Album aufs Allerfeinste. Doch bevor man sich die Frage stellen muss, ob das eingängige Grundgerüst dem eingefleischten Super-Furry-Animals-Fan vor den Kopf stoßen könnte, verführt die nächste Perle "The court of King Arthur" mit einer leichten Prise an Westcoast-Psychadelica und walisischem Gartenzaunfolk. Man wird wohl kaum darum herum kommen, diesem Song das Prädikat "Singlehit" unterzujubeln.

Das in nur zwei Wochen im Frühling 2006 in Llanfaelog, North Wales aufgenommene und letztlich in Rio de Janeiro, Brasilien abgemischte "Candylion" setzt fein gestrickte Popminiatur auf Popminiatur. Dabei ist Rhys vor allem darum bemüht, jeden Song vorsichtigen Genregratwanderungen zu unterziehen und in neuen, glänzenden Farben darzustellen. Und so schleicht "Lonesome words" mit elfenähnlicher Backgroundunterstützung aus dem Ennrico-Morricone-Kinosound der 50er Jahre - setzt an zu schnellem Rhythmus, der in seinem treibenden Minimalismus beinahe über sich selbst stolpert. In gleicher Machart, mit ein paar Sonnenstrahlen mehr, traut sich "Cycle of violence" gar heraus zur Gesellschaftskritik: Von Terror und Krieg gebeutelt, stellt Rhys in seinem Gewaltzyklus fest: "Dirty bombs and clean ones look the same/ If you look closely."

Der weitere, wundervolle Weg in Richtung Zielgeraden ist gespickt mit nebulösem Jazz-Pop ("Painting people blue"), tanzbeinschwingenden türkisch-brasilianischer Ouvertüren im heimatsprachlicher Machart ("Gyrru gyrru gyrru") und einem hypnotischen Mantra, vorgetragen in gebrochenem Spanisch ("Con cariño"). Ehe sich aber hinter "Candylion" das stille Nichts anschließt, hat Rhys noch ein weiteres Ass im Ärmel, das er mit dem letzten Song "Skylon!" locker aus eben diesem schüttelt. Fünfzehn Minuten - ein unbändiges akustisch-psychedelisches Road-Movie für Herz und Hirn. Mit orchestralen Arrangements, die "Candylion" zu einem Meisterstück machen und schon im jungen Jahr in den Pophimmel heben. Unerwartet.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • The court of King Arthur
  • Lonesome words
  • Con cariño
  • Skylon!

Tracklist

  1. This is just the beginning
  2. Candylion
  3. The Court of King Arthur
  4. Lonesome words
  5. Cycle of violence
  6. Painting people blue
  7. Beacon in the darkness
  8. Con cariño
  9. Gyrru gyrru gyruu
  10. Now that the feeling has gone
  11. Ffrwydriad yn y ffurfafen
  12. Skylon!

Gesamtspielzeit: 44:44 min.

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