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Die Aeronauten - Hier: Die Aeronauten

Die Aeronauten- Hier: Die Aeronauten

L'Age D'Or / SPV
VÖ: 29.09.2006

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Es ist jetzt

Eine Gruppe junger Männer, irgendwo in Nord-, Ost-, Süd- oder West-Deutschland sitzt im Proberaum und hört sich an, was sie da kürzlich aufgenommen hat. Alle schauen zufrieden drein. Man hört zackige Gitarren, einen tanzbaren Beat und der Sänger singt irgendetwas, das ganz schlau klingt. Am Ende schmiegt sich sogar noch ein Saxophon an den Refrain. Keine Frage: guter Song. Plötzlich tritt ein kleines blondes Männchen im Anzug hinter der Diele hervor. Alle schauen das Männchen etwas krumm an, doch der Kleine mit dem merkwürdigen Dialekt fragt nur unbeeindruckt: "Und? Wer chat's erfundn?" Die Band antwortet daraufhin sofort im Chor: "Na wir, wer sonst!" Schwerer Fehler. Im Endeffekt gibt es für alle einen Satz heiße Ohren nebst verstimmter Instrumente, und das Bier hat der merkwürdige Geist der Gerechtigkeit auch gleich mitgenommen. Richtige Antwort wäre natürlich gewesen: "Na, die Aeronauten. Ist doch klar." Das merkwürdige Fabelwesen, das bestimmt irgendwo in den Bergen sein Domizil hat, wäre zufrieden und glücklich genauso verpufft, wie es gekommen ist, und alles wäre gut. In einer ebensolchen Welt. Leider ist alles ganz anders. Vor allem die Dinge, die man gerne so hätte, wie sie leider nicht sind. Die Aeronauten zum Beispiel. Die hätte man gerne in den Hitparaden, den Radios und den Gehaltslisten der ganz Großen auf dem Planeten. Doch die Realität trägt den Namen Pust E. Kuchen.

Die Schweizer Garde des guten Geschmacks ist wieder da. Endlich zurück, ja. Und alles was sich dazu sagen läßt, ist ein dickes fettes "Danke". Wer geglaubt hat, die sechsköpfige Band hätte sich zwischendruch aufgelöst, weiß eben nicht, was eine echte Eidgenossenschaft ist. Außerdem feiert die Band den 15., also verlieren wir uns nicht weiter in Nostalgie, sondern richten den Blick auf das Jetzt und "Hier". Dieses ist nämlich ein gewohnt gelungener Wurf. Roman Bergamin versteht es nachwievor seine Popkritik so hübsch zu verpacken und zu verkleiden, daß selbst die Adressaten kräftig miteinsteigen. So zum Beispiel beim völlig treffenden "Männer", bei welchem sich ein gewisser Herbert G. aus B. noch ein Scheibchen abschneiden könnte. Und am Ende existiert sowieso nur ein korrekter Schluß bezüglich des Männerdefinitionsproblems: "Denken immer an früher, können nichts dafür / Gib ihnen Countrymusik, gib ihnen Tangostück / Gib ihnen Sammlertrieb, gib ihnen Präventivkrieg / Er ist zu allem bereit, nur für Selbstmitleid." Übrigens kommt eine andere Volksgruppe in "Frauen" nicht viel unehrlicher weg. Das nur mal so.

Ein großer Spaß den Aeronauten zuzuhören. Gewohnt anti-intellektuell kommen die Texte rüber: meistens bissig, doch verletzt wird so richtig keiner. Und wenn, dann hat irgendwer auch prompt schon ein Pflaster parat. Für eine ganze Generation zum Beispiel, denn die Diktatur der Angepaßten, das weiß man spätestens seitdem die Buchstaben über der Stadt für "Alles ist in Ordnung!" stehen, hat sich mittlerweile zu einer willkommenen Alternative zum Denken und Nachhaken entwickelt. "Es tut mir alles weh, draußen ist es sonnig / Nur ich liege im Bett und höre Tocotronic." Was sich wie ein spaßiges Namedropping der guten Lado-Freunde liest, beinhaltet viel Wahres.

Doch wie scheißegal im Prinzip wirklich alles - abgesehen von Niederlage oder Sieg beim Fußball versteht sich - geworden ist, hört man am besten bei "Hey, Ozonloch" nach. Die einen mögen entdecken, daß hier der Hit "I want candy" von den Candy Girls verwurstet wurde; andere laben sich an den Lyrics oder machen beides gleichzeitig. Man könnte noch stundenlang so weitermachen: Jede dieser dreizehn Perlen auf dem Album ist ein ganzes Feuilleton wert, und könnte mal eigentlich bitte jemand dem Saxofonisten Roger ein Denkmal setzen? Danke. Was die Aeronauten musikalisch nämlich noch immer draufhaben und leisten, braucht sich definitiv nicht hinter den wie bereits erwähnt gewohnt großartigen Texten verstecken. Und irgendeinen Vergleich mit den üblichen verdächtigen Kopisten aus ganz Deutschland scheuen schon gar nicht. Junge Herzen gehen frei, schon fünfzehn Jahre lang und noch mehr. "Hier." Dort. Überall.

(Konstantin Kasakov)

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Highlights

  • Männer
  • Hey, Ozonloch
  • Junge Herzen gehen frei

Tracklist

  1. Junge Herzen gehen frei
  2. Männer
  3. Mein bester Feind
  4. Punks nicht tot
  5. Frauen
  6. No smiling day
  7. Nachmittags im Bett
  8. Sensibel
  9. Holzfällen
  10. Hey, Ozonloch
  11. China Boom
  12. Insel
  13. Tunnel

Gesamtspielzeit: 36:21 min.

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