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The Mountain Goats - Get lonely

The Mountain Goats- Get lonely

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 25.08.2006

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Ratgeber zum Alleinsein

Das geschriebene Wort startet Diskussionen, verändert Meinungen, lenkt die Gemütsverfassung in verschiedenste Richtungen, fürchtet sich vor blinder Folgsamkeit und liebt es, wenn sich der Leser von ekstatischen Windungen und poetischer Leidenschaft schwerlich loseisen kann. Der musikrezensierende Mensch ist auch nicht bloß da, um eine Note von 1 bis 10/10 an die Schmachtfetzen diverser Künstler zu verteilen. Mit einleitenden Geschichten und Anekdoten versucht er, die eigene Meinung so zu transportieren, daß der Leser zustimmt und das zu besprechende Album entweder in die verdiente Tonne der Geschmacksverirrung tritt oder aber an den goldenen Himmelstoren der oberen Musikliga ansiedelt. Dafür wird zitiert, chronologisch recherchiert und metaphernreich fabuliert. Aber was tun, wenn da ein Mann ankommt, über den man schon alles gesagt hat und über den es, Gott sei dank, auch nicht so viel zu sagen gibt? Was wenn die Geschichten und Veränderungen ausreichend inspiziert, analysiert und dokumentiert sind? Was wenn die Musik des Mannes so viel selbst aussagt, daß jedes Wort eines Rezensenten nur Schaden hervorrufen würde?

Das wievielte Album die Mountain Goats in diesen Tagen veröffentlichen, mag der erfahrene Mathematiker mit einer komplizierten Wurzelgleichung herausfinden. Wissen tun dagegen einige, vor allem nach dem überraschenden Verkaufserfolg von "The sunset tree", daß der größte Teil der Bergziegenkarriere bis "Tallahassee" mit dem Record-/Play-/Rewind-/Forward-/Pause-Gerät zu tun hatte. Rezension über Rezension setzten die Menschheit darüber in Kenntnis. "Get lonely" verspricht eine weitere Überraschung: Die Töne sprechen eine intimere Sprache. Die akustische Gitarre entlädt sich nur in aller Behutsamkeit. John Darnielles Stimme ist zart und ungewohnt glockenhell. Die Drums, dem hiesigen Jazzclub entliehen, streicheln das Trommelfell des Hörers aufs Sanfteste. Posaune, Cello und Trompete sind feingesponnen zwischen die Töne eingebaut und wagen es nicht mal für eine Sekunde eine Hauptrolle zu übernehmen, sondern fügen sich partnerschaftlich ihren glorreichen Vorgaben: John Darnielle und Peter Hughes.

Jeder Song gibt Einblick in die Tage eines Verlassenen. Jede Geschichte begleitet den Trauerkloß aus dem Schlaf in den einsamen und den zu bestehenden Alltag. "I will rise up early and dressed myself up nice / I will leave the house and check the deadlock twice / I will find a crowd and blendin' for a minute / And I will try to find a little comfort in it / I will get lonely and gasp for air." Die bedrückende Tiefe, die diesen Worten entspringt ist mit nichts zu kommentieren. "I went to the gas station for no particularly reason / I heard the screams of the high school, it's football season." Die Bewältigung des neu zu begehenden Alltags, nachdem die Einsamkeit zugeschlagen hat, entbehrt nicht immer pathosreiche Traurigkeit in großen, schmerzverzerrten Töne. Die weitreichende Leere des Raumes, der Seele und des Herzens beschreibt Darnielle mit so viel Inbrunst und Fingerspitzengefühl, daß diese Miniaturen des Alltags als schlichte Wahrheiten sprachlos machen.

Die Worte dieses Rezensenten vermögen nicht wirklich die Dimensionen der poetischen Psychologie einzugrenzen und exakt zu beschreiben, die "Get lonely" beinhaltet. Doch eine Information mag dem geneigten Käufer doch noch ans Herz gelegt werden: Eine durchgehende Melancholie mit Auflösungserscheinungen ist "Get lonely" nicht. An allen Ecken und Enden sind Ansätze von Glück und Hoffnung, von ehrlichen Einsichten und vorsichtigen Erfolgen zu verzeichnen. Vermag ein Tag noch so leer und perspektivlos aussehen, Darnielle kennt irgendwo, irgendwie eine Antwort. Wenn sie auch klein und versteckt sein mag, bei diesem bittersüßen Höhenflug und solchen Zeilen sucht man gern. "On the morning when I woke up without you for the first time / I felt free, and I felt lonely, and I felt scared."

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • New Monster Avenue
  • Get lonely
  • Woke up new
  • In Corolla

Tracklist

  1. Wild sage
  2. New Monster Avenue
  3. Half dead
  4. Get lonely
  5. Maybe sprout wings
  6. Moon over Goldsboro
  7. In the hidden place
  8. Song for lonely giants
  9. Woke up new
  10. If you see light
  11. Cobra tattoo
  12. In Corolla

Gesamtspielzeit: 42:41 min.

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