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Christina Aguilera - Back to basics

Christina Aguilera- Back to basics

RCA / Sony BMG
VÖ: 11.08.2006

Unsere Bewertung: 4/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Moulin Rouge

Eigentlich kein schöner Zustand. Christina Aguilera hat bislang den bleibendsten Eindruck nicht mit ihren Songs, sondern mit ihren Videos hinterlassen. Es begann, als sie sich zu ihrer Debütsingle "Genie in a bottle" räkelte. Es ging weiter mit "Dirrty", dessen Bildersturm nur ein rotes Höschen davon abhielt, ein Hardcore-Porno zu sein. Es folgte aber auch ein grandioser Clip zum leider völlig untergegangenen "The voice within", mit dem Aguilera ihre volle stimmliche Substanz bewies. Und nicht zuletzt "Beautiful", dessen einfache, kitschige aber doch wahre Message nebst entsprechender Umsetzung jeden irgendwie nicken ließ.

Christina Aguilera war schon immer für den einen oder anderen peinlichen Lieblingssong bei unsereins gut, blieb aber doch belächelt. Eben die Xtina mit dem X vornedran, was für Sex stand, aber auch für Beliebigkeit. Man möge halt irgendwas einsetzen. Sextina, Startina, Goldkehlchentina, Priština, Zylinderkopfdichtina, whatever. Respekt? Vorhanden. Vielseitigkeit? Ebenso. Klares Profil? Fehlanzeige. Das soll sich jetzt ändern. "Back to basics" heißt ihr X-tes Album und ist das, was sich wohl die wenigsten Künstler der Popschiene trauen würden: ein Doppelalbum! Schließlich dienen Longplayer in diesem Metier seit jeher dazu, die Singles mit Füllern zu stopfen und die Leute mit einem dicken Booklet zum Kauf zu animieren, weil Alben bekanntlich mehr Geld in die Kassen von Künstler und Plattenfirma spülen.

Es geht um Musik alleine, weswegen sich Aguilera diese Rezension auf dieser Platform auch verdient hat. Dafür hat sie sich wieder die Dame ins Studio geholt, die schon bei "Beautiful" mithalf und immer herhalten muß, wenn Popsternchen zu Popkünstlerinnen werden wollen: Linda Perry, ehemals Wischmob bei den 4 Non Blondes, unter anderem bereits als Co-Songwriterin bei P!nk und Gwen Stefani aktiv und ehemals nominiert für einen Songwriter-Grammy. Das ausgegebene Ziel für "Back to basics" ist ein hehres: Dem Jazz, Soul und Blues der Zwanziger, Dreißiger und Vierziger wolle sie Tribut zollen. "Es ist ein Konzeptalbum, das einer klaren Vision folgt", erklärt Aguilera. "Die Vorbilder heißen Billie Holiday, Otis Redding, Etta James und Ella Fitzgerald – als kleines Mädchen habe ich das meine 'Fun Music' genannt.".

In den ersten Sekunden des Intros hält man das ganze für einen üblen Witz und sucht Fritz Egner mit der versteckten Kamera. Oder gab es vor 80 Jahren schon Rapper, die unter Scratches ihre Ansagen verbreiteten? Immerhin liefert Aguilera bereits im Intro eine Kostprobe ihres Könnens. Nachahmung ist allen Mitstreiterinnen nicht empfohlen. Britney Spears bräuchte danach erstmal einen, der ihr mit schwerem Gerät die Knoten aus den Stimmbändern entfernt. In den weiteren zwölf Songs des ersten Silberlings macht Aguilera ihre Drohung höchstens halbherzig wahr. Okay, Einflüsse sind da, aber letztlich ist all das von wegen Zwanzigern, Dreißigern und Annotubakigern doch hohles Geschwätz: CD1 ist oft schrecklich öde wie "Still dirrty" (Ach Gottchen!), selten wirklich Retro, und wenn doch, dann häufig eher im Sinne der Sechziger und Motown, legt eben die Betonung auf Soul. Nebenbei schauen immer wieder Raps und Scratches vorbei und wird sogar ein Sample mit dem seligen Notorious B.I.G. für "Thank you (Dedication to fans...)" exhumiert, das den Rückblick auf Aguileras bisherige Karriere anstrengt.

Die zweite CD löst das Versprechen tatsächlich ein, die Vergangenheit heimzusuchen. Keine Raps mehr, kaum Synthetisches, sondern viel Stimme, viele Instrumente, alles ganz schön vintage arrangiert. Ob jedoch mit dem schmissigen "Candyman", mit der Streichersahne von "Welcome", mit den Kirchenchören von "Mercy on me" oder mit "Naughty nasty boy", bei dem sich die Guteste als Marilyn Dietrich versucht: Der Geist von Moulin Rouge, von subtiler Verruchtheit vergangener Tage, weht durch die Songs, aber eben nur der Geist. Es bleibt meist bei der bloßen Stilübung, und noch weniger als Robbie Williams mit seinem Swing-Album gelingt es Christina Aguilera, den Sound vergangener Zeiten authentisch durchzupausen. Die Defizite liegen wohlgemerkt in den Kompositionen, als musikalische Schauspielerin, die ständig die Rolle wechselt, gefällt Aguilera sich und dem Hörer hingegen merklich und macht eine gute Figur. Nur die Songs, die will am Ende wohl keiner hören, weil Helfershelferin Linda Perry eben doch besser Rockballaden schreibt und man auch sonst im Produzententeam keinen fragen konnte, wie man's besser macht. Die zeitlose Ballade "Hurt", das reduzierte "The right man" und auch "Save me from myself", das Aguilera so nah zeigt, als ob sie gleich aus den Boxen springt, passen dazwischen zwar gar nicht rein, fallen aber wohltuend auf.

So ist "Back to basics" nur bedingt gelungen, aber der gute Wille macht vieles wett. Besser als ein Album voller Tralala ist es allemal. Andererseits gibt es keinen einzigen Song für die Clubs und die Bravo Hits her. Die Kids werden es hassen und dadurch auch nicht mehr Lust auf die Originale bekommen. Und es dürfte so manche altehrwürdige, längst verblichene Dame im Grabe zu "Back to basics" rotieren. Christina Aguilera wirkt hier nun mal wie ein kleines Kind, das schon wunderbar laufen kann, das aber lieber drei Treppenstufen auf einmal nehmen will, um schnell oben zu sein und dabei auf die Nase fällt. Oder als ob die Zeitmaschine nur die halbe Christina Aguilera in die Vergangenheit geschickt hätte und die andere Hälfte in der Gegenwart geblieben ist. Und solche körperlichen Anomalitäten sind nun wirklich das, was wir bei einer Lady wie dieser zuallerletzt haben wollen. Hat jemand vielleicht ihren rechten großen Zeh gesehen?

(Armin Linder)

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Highlights

  • Understand
  • Welcome
  • Candyman
  • Hurt

Tracklist

  • CD 1
    1. Intro (Back to basics)
    2. Makes me wanna pray
    3. Back in the day
    4. Ain't no other man
    5. Understand
    6. Slow down baby
    7. Oh mother
    8. F.U.S.S.
    9. On our way
    10. Without you
    11. Still dirrty
    12. Here to stay
    13. Thank you (Dedication to fans...)
  • CD 2
    1. Enter the circus
    2. Welcome
    3. Candyman
    4. Nasty naughty boy
    5. I got trouble
    6. Hurt
    7. Mercy on me
    8. Save me from myself
    9. The right man

Gesamtspielzeit: 78:54 min.

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