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A Perfect Circle - Mer de noms

A Perfect Circle- Mer de noms

Virgin / EMI
VÖ: 22.05.2000

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Quadratur des Kreises

Alle Welt wartet auf den Nachfolger von Tools bahnbrechenden '97er Album "Ænima" und was macht deren Sänger? Er stellt mal eben mit dem Gitarrentechniker der Band eine kleine Allstar-Truppe zusammen und nimmt ein Album auf, das einem eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken herunter schickt. Als Billy Howerdel (Gitarre, Komposition) vor ca. zwei Jahren damit begann, eigene Songs zu schreiben, waren dies eher halbstündige Soundscapes für imaginäre Filme. Diese wurden alsbald auf eine verdauliche Länge gekürzt und sollten seiner Vorstellung nach von einer Frau gesungen werden. Glücklicherweise hat sich James Maynard Keenan (Gesang, Texte), den Howerdel bei seiner Arbeit als Gitarrentechniker bei Tool kennenlernte, in der Zeit nach der letzten Tour mit seiner anderen Band die Haare dermaßen wachsen lassen, daß der Unterschied kaum auffällt.

Mit Drummer Josh Freese (Vandals, Ex-Guns N' Roses), Gitarrist Troy van Leeuwen (Ex-Failure, Enemy) und der Bassistin, Pianistin und Violinistin Paz Lenchantin komplettiert beginnt A Perfect Circle damit, die Songs mit einer enormen Virtuosität umzusetzen. Hierbei werden verschnörkelte Gitarrenspuren, klagende Violinen, moderne Computertechnik und frickelige Drums mit einer sehr organischen Emotionalität gekreuzt, die zwar an Tool erinnert, aber eine andere Sprache spricht. "Mit A Perfect Circle ist der Prozeß weitaus mehr mechanisch und computer-orientiert, aber zur selben Zeit ist es viel emotionaler und intuitiver." Wenn man Songs wie das sehnsuchtsvolle, leicht orientalisch angehauchte "Orestes" und das sich verworren ins Gehör schlängelnde, aber immer kraftvoller nach den Gefühlen des Hörers trachtende "3 libras" hört, kann man nicht anders, als dem zuzustimmen. Die aufrichtige Leidenschaft, die aus Songs wie "Magdalena" oder "Sleeping beauty" spricht, sorgt für wohliges Unwohlsein und ein nur durch den Druck der Repeat-Taste zu stillendes Verlangen.

Das Wechselspiel aus Schreien, Wispern und Singen beherrscht Keenan immer noch perfekt und kann sich in den eher unheimlich arrangierten Songs von "Mer de noms" entwickeln wie selten zuvor. Der Albumtitel erscheint zunächst ähnlich kryptisch wie das merkwürdige Symbol auf dem Cover. Doch genau wie dieses bei näherer Betrachtung eben doch einen perfekten Kreis abbildet, versteht man den Titel bald als Meer der Namen, wenn man sich das Tracklisting anschaut. Die Single "Judith", die von einem Video von David Fincher (Fight Club, Sieben) unterstützt auf Rotation geschickt wurde, steht stellvertretend für viele Geschichten, die sich um diese Namen ranken. Die Person der "Judith" entstammt den apokryphen Schriften. Dieser Song erzählt von einer Frau, die sich von Christus verlassen und in einem Netz aus Haß, Sünde und Zweifel an der Errettung gefangen fühlt.

Auch bei der Beleuchtung der anderen Schicksale bedient sich Keenan oft bei der griechischen und frühchristlichen Mythologie. In "Thomas" versetzt er sich in die Position des an der Wiederauferstehung zweifelnden Apostels Thomas. "Magdalena" war die erste Frau, die Christus "im Fleische sah". Der gleichnamige Song vermutet, daß es nicht beim Sehen geblieben sein wird. "Overcome by your moving temple / Overcome by this holiest of altars". In "Orestes" schließlich geht es um den Bruder der Elektra, der Blutrache für den Tod seines Vaters an seiner Mutter und ihrem Liebhaber nimmt. Diese Schicksale voller Sehnsucht, Verzweiflung, Sünde, Reue und Leidenschaft schlagen sich auch musikalisch deutlich nieder, während die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Stücke sogar ein eigenes Internet-Diskussionsforum füllt.

Der Opener "The hollow" weist die Route, auf der wir über das Meer der Namen segeln. "Pacify this little hollow" heißt es dort und wenig später "it's time to bring the fire down". Ruhiger, wärmer und sehnsuchtsvoller als bei Tool sind diese Gewässer. Ihnen wohnt eine ganz eigene Spiritualität inne, auch wenn Zeremonienmeister Keenan allein durch seine Stimme und die verschlungenen Melodiebögen Erinnerungen weckt. Wer mit ausdrucksstarker, harter Musik etwas anzufangen weiß, sollte sich "Mer de noms" öffnen, das die Zuhörerschaft von einem Höhepunkt zum nächsten führt. In Howerdels Garage aufgenommen, braucht sich dieses Werk, das zusammen mit Alan Moulder (Smashing Pumpkins, U2, Nine Inch Nails) abgemischt wurde, klanglich nicht hinter Produktionen aus teuren Hochglanzstudios verstecken. Mit geschlossenen Augen und offenen Ohren kann man sich vollkommen in diese Musik fallen lassen und letztlich erkennen, daß A Perfect Circle eine absolut runde Sache ist.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • The hollow
  • Rose
  • Orestes
  • 3 libras

Tracklist

  1. The hollow
  2. Magdalena
  3. Rose
  4. Judith
  5. Orestes
  6. 3 libras
  7. Sleeping beauty
  8. Thomas
  9. Renholdër
  10. Thinking of you
  11. Breña
  12. Over

Gesamtspielzeit: 44:50 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Fiep

Postings: 1203

Registriert seit 29.04.2014

2023-09-24 21:06:49 Uhr
Ja, die ersten 2 sind einfach ganz was anderes als die spätwerke, und ich mag die dritte auch, auch wen sie nicht so gut weg gekommen ist, aber ist halt auch ein cover album.

13. ist für mich dass klar bessere. Runder, atmosphärischer.
Das erste hat auch seine stärken, ist für mich aber in summe angestaubter.

NeoMath

Postings: 1676

Registriert seit 11.03.2021

2023-09-24 12:35:42 Uhr
Mir gefällt das Debüt immer noch am besten von allen. 13th mag ich auch, war aber im Ganzen gesehen nie so zwingend für mich wie da Debüt, welches auch heute noch absolut herausragende Stücke enthält. Spannenderweise mag ich auch Elephant, auch wenn ich es musikalisch gar nicht sehr mit APC in Verbindung bringe; klingt eher projekthaft.

keenan

Postings: 5192

Registriert seit 14.06.2013

2023-09-24 10:48:45 Uhr
jepp.

habe beide alben auch häufiger die wochen gehört, also "mer" und "13th". letzterer wirkt doch zeitloser. der erstling hat doch etwas staub angesetzt. trotzdem beides herausragende alben. 13th momentan in meinen top 5 ever :-)

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2023-09-24 01:50:56 Uhr
Das Video ist immer noch über alles erhaben.

Sheesh

Postings: 275

Registriert seit 27.09.2021

2021-12-26 22:22:31 Uhr
Meddl
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