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Jane Birkin - Fictions

Jane Birkin- Fictions

Capitol / EMI
VÖ: 24.03.2006

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Grande dame

Es gibt so Gelegenheiten, bei denen auch die abgedroschensten Aphorismen mit feierlichem Timbre zitiert werden müssen, weil sie ausnahmsweise mal passen: "Dance like no one is watching. Sing like no one is listening. Love like you've never been hurt. And live like it's heaven on Earth." Dieser Teil zwei des befindlichkeitsphilosophischen Mark-Twain-Sprüchleins resümiert überaus treffend das große Plus von "Fictions". Das war nämlich so: Renaud Letang und Gonzales, die auch schon gemeinsam Birkins Duettalbum "Rendez-vous" produzierten und arrangierten, baten die Dame, alle Stücke für das neue Album einfach mal so einzusingen, damit sie eine Grundlage hätten, um an der Orchestrierung zu basteln. Als Birkin sich anschließend erkundigte, wann denn die richtigen Gesangsaufnahmen stattfinden würden, bekam sie eine überraschende Antwort: gar nicht. Ist doch schon alles im Kasten!

Tatsächlich: Jane Birkin klingt so natürlich und charmant unangestrengt wie selten zuvor. Sie hat aber auch allen Grund dazu, denn einmal mehr hat ihr eine exquisite Songwriter-Auslese (u.a. Rufus Wainwright, Neil Hannon, Beth Gibbons) musikalisch nette bis hinreißende Stücke verehrt. Zudem konnte die mittlerweile 59-jährige Wahlfranzösin sich den lange gehegten Wunsch erfüllen, Tom Waits' "Alice" zu covern. Äußerst gelungen, wohlgemerkt. Und dann trug auch noch Johnny Marr saitenschmeichelnd zur Veredelung der Platte bei. Klingt vielversprechend? Hält auch viel. Zum Beispiel von Sixties-Charme samt jubilierender Akustikgitarren und luftiger Glockenspielakzente, wie gleich der von Neil Hannon komponierte Opener "Home" beweist, der eifrig "it's where the heart is" nachsetzt. Tja: Es gibt eben so Gelegenheiten, bei denen auch die abgedroschensten Aphorismen mit feierlichem Timbre zitiert werden müssen, weil sie ausnahmsweise mal passen. Wobei Jane Birkins Timbre nach wie vor eher fragil als feierlich ist - dabei allerdings niemals weinerlich wirkt. Eigentlich klingt sie immer nach verspielt im Sommerwind wehendem Blümchenkleid.

Sommer ist auch das Stichwort für den Songbeitrag von Arrangeur Gonzales: "Living in limbo" klingt genau so, wie man sich das vorstellt - nach verführerischem Zeitlupen-Hüftschwung und südländischer Leichtigkeit. In Rufus Wainwrights "Waterloo station" werden - es liegt auf der Hand - die Kinks zitiert und wird mit einer schwelgerischen Schellenkranz-Folkpopnummer erneut den Sechzigern die Referenz erwiesen. Das von Beth Gibbons geschriebene "My secret" schleppt sich zunächst etwas bemüht geheimnistuerisch durch die Dunkelkammer und entwickelt schließlich doch noch reizvolle Nuancen unterschiedlichster Grautöne. "Où est la ville" hingegen wirft mit Grellbuntem nur so um sich: Die hysterische Dancenummer mit fernöstlichen Harmonien und peitschenden Percussionsounds ist der einzige, aber dafür umso offensichtlichere Kompositionsfehlgriff auf "Ficitions".

"Steal me a dream", geschrieben von den Magic Numbers, bleibt zwar deutlich hinter den großen Erwartungen zurück, die das hervorragende Debütalbum des englischen Geschwister-Quartetts aufgetürmt hat, erweist sich aber bloß als ein wenig zu behäbig und akustisch-bedächtig, keineswegs jedoch als enttäuschend. Weitaus lebhafter gibt sich "Sans toi" und erinnert angenehm an Manu Chao. Neil Youngs "Harvest moon" zu covern ist natürlich so eine Sache. Kann eigentlich nur gut gehen, wenn man es ganz anders macht. Und genau das hat Jane Birkin dank ihres musikalischen Direktors Gonzales mit Bravour gemeistert: Swingende, dezent orchestrale Leichtfüßigkeit verjüngt den Klassiker vorteilhaft. Über mangelnde musikalische Vielseitigkeit kann man sich nach diesen vierzig Minuten nun wirklich nicht beklagen. "La reine sans royaume" bedient das Genre, auf das man noch gewartet hat - Chanson. Zum krönenden Abschluß liest Madame Birkin einen Text von Hervé Guibert, untermalt von einem unaufdringlich romantischen Klavierstück von Maurice Ravel. Viele Köche verderben den Brei? Ganz und gar nicht. Abgedroschener Aphorismus!

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Home
  • Waterloo station
  • Harvest moon

Tracklist

  1. Home
  2. Alice
  3. Living in limbo
  4. Waterloo station
  5. My secret
  6. Où est la ville
  7. Steal me a dream
  8. Sans toi
  9. Harvest moon
  10. La reine sans royaume
  11. Image fantôme - pavane pour une infante défunte

Gesamtspielzeit: 39:26 min.

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