Tiger Lou - The loyal
Startracks / V2 / Rough Trade
VÖ: 28.10.2005
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Lug und Trug
Schreck laß nach! Was ist denn bitte mit Tiger Lou passiert? Dem Parade-Gutmenschen? Dem Inbegriff des bei allem Gejammer doch stets optimistischen Skandinaviers? Dem liebenswürdigen Kerlchen, der simplen Singsang mit "Is my head still on?" erst richtig salonfähig machte? Die Laus, die ihm über die Leber gelaufen ist, muß die Ausmaße eines Elefanten gehabt haben. Seine gemütliche Fellkapuze vom "Is my head still on?"-Cover hat er jedenfalls gegen eine dunkelschwarze Sturmhaube getauscht, mit der er nachts um die Häuser zieht und Leute erschreckt. Aus dem gemütsfrohen Liebling aller Indie-Gören ist ein Monster geworden. Anders jedenfalls läßt sich dieser radikale Stilwandel eigentlich nicht erklären. Oder?
Ursachenforschung. Zunächst einmal nämlich hat dieser Tiger Lou alias Rasmus Kellerman zu viel auf andere gehört. Die Leute redeten ihm ein, "Is my head still on?" habe "zu poliert und zu glatt" geklungen. Natürlich klang es poliert und glatt, aber durchaus auf angenehme Weise. Jedenfalls wollte er jetzt was ganz anderes machen. Die Möglichkeiten der Stereotechnik ausnutzen und den Gesang auf beide Lautsprecher splitten, worauf ihn Elliott Smith gebracht habe. Dies sorge für "ein sehr unheimliches und weitläufiges Gefühl, das großartig zum Thema des Albums paßt." Womit wir beim Punkt wären. "The loyal" ist ein Konzeptalbum, bestehend aus 13 Songs, die sich um ein Motiv drehen: um Loyalität. Also um Treue und wie sie mißbraucht wird. "This is how it feels to be special / You give and you give / And you give up." Und so weiter.
Und oh Wunder! Wenn man die düsteren E-Gitarren, den desillusionierten Gesang und die dräuenden Lyrics auf "The loyal" erstmal verdaut hat - und das kann gut und gerne zehn Durchläufe dauern -, entdeckt man nicht nur den Sinn sowie dessen großartige Umsetzung. Sondern auch den ganzen Reiz. Weil "The loyal" in vielerlei Hinsicht einzigartig ist, auch wenn oder gerade weil es allen Vergleichen spottet. Das Aufjauchzen bei Song elf, Minute einskommanullzwei, wie auch die Stimmung vieler Momente lassen an The Cure denken, irgendwie aber auch nicht. Der Ausflug Richtung The Police in "Albino apparel" bleibt ein einmaliger. Für Annäherungen an Radiohead ist "The loyal" zu reduziert. In "Ten minutes to take off" entspricht Kellermans Timbre eins zu eins dem von Jeff Buckley. Und für Parallelen zu allen anderen Songwritern dieser Welt ist "The loyal" zu abgründig und düster. Eben eine Klasse für sich.
Ja, es ist absolut faszinierend, wenn man einen Einzelkämpfer mal nicht nur das holde Weib besingen hört, das er, ach, so liebt. Selten genug, daß sich einer einem derart spannenden Konzept verschreibt wie hier Tiger Lou. "The loyal" ist ein Werk mit Seltenheitswert, oft anstrengend zwar, jedoch mit Anspruch und Brillanz. Vor allem in den ersten drei Songs "The loyal", "Patterns" und "Functions", die einem allesamt den Mund offenstehen lassen. Da vermißt plötzlich keiner mehr das kuschelweiche Alter Ego des Vorgängeralbums. Tiger Lou zeigt Krallen.
Highlights
- The loyal
- Patterns
- Functions
Tracklist
- Woland's first
- The loyal
- Patterns
- Functions
- Until I'm there
- Nixon
- National Ave
- Ten minutes to take off
- Albino apparel
- Like my very own blood
- All I have
- Days will pass
- Woland's last
Gesamtspielzeit: 46:52 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Oliver |
2007-11-14 11:39:07 Uhr
Heute mal wieder aus dem Schrank geholt: Grossartig, freue mich schon auf den Nachfolger |
Me |
2006-06-25 11:21:49 Uhr
Mal ne Frage:Was bedeutet "Nixon"? |
Skorpion |
2006-06-25 11:19:23 Uhr
Kommen Tiger Lou jetzt eigentlich nach Karlsruhe zu "Das Fest"?? Es gibt ja gespaltene Meinungen und Gerüchte darüber.. Aber es würde wohl viele Menschen sehr erfreuen, Tiger Lou mal wieder hier zu sehen! Also, weiss irgendjemand irgendetwas?? Anyway, MFG |
Konsum |
2006-06-02 21:22:57 Uhr
Live hat es allerdings ziemlich gerockt, da kann man sich nicht beschweren.Interessant auch, wie die Zuschauerzahlen stetig steigen. Da lohnt sich das unermüdliche Touren wohl doch ... |
Oliver Ding |
2006-06-02 16:08:15 Uhr
Schade, daß auf dem Album außer dem tollen Titelsong eigentlich kein weiterer Überflieger drauf ist. |
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Referenzen
Doves; Kashmir; Mew; Jeff Buckley; Patrick Wolf; Gammalapagos; Slut; Radiohead; Matthew; The Cure; Talk Talk; The Czars; Eskobar; Kristofer Åström & Hidden Truck; Magnet; Teitur; Six.By Seven; Spacemen 3; Spiritualized; The Cooper Temple Clause; Veto; Clearlake; The Stills; Joyce Hotel; Andrew Bird; Toad The Wet Sprocket; Bright Eyes; Now It's Overhead; My Vitriol; Pink Floyd; Archive; Klimt 1918; U2; R.E.M.; The Police; Fischer Z; Roxette; Gyllene Tider; Araki
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