Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Hidalgo - I want a girlfriend

Hidalgo- I want a girlfriend

Tapete / Indigo
VÖ: 22.08.2005

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Mutantenparty

Schock! Ein zahnlos lächelnder, schrumpelnasiger Zyklop knallt die Tür auf und ruft: "Hereinspaziert! Willkommen zum Christkindlmarkt der Möglichkeiten in unserem Kuriositätenkabinett." Ein schwirrendes Wirrwarr von überraschend glubschäugigen, mehrköpfigen oder siebenschwänzigen Mischwesen wuselt drinnen durcheinander. Mutantenparty. Hier hat der Wahnsinn Einzug gehalten. Schnell die Tür wieder zuschlagen und die Flucht ergreifen. Plötzlich schaltet sich die Anlage an und Du wachst auf. Alles nur ein Traum. Aber was da musikalisch aus den Boxen tanzt, ist nicht minder skurril als der surreale Traum zuvor. Was ist das? Bastardpop? Hier hüpft die Melodie von "I was made for loving you" von Kiss auf einem Klanggerüst herum, das der zweieiige Zwilling von "Reptilia" der Strokes sein könnte. Und was ist das für eine seltsame, fast niedliche Stimme? Sind Pizzicato Five entführt worden?

Nein, sind sie nicht. Das hier ist "Stars, stripes, razor banner", der Opener des neuen Albums des kauzigen Indie-Querkopf-Trios von Hidalgo aus Nürnberg. Für ihr neues Album haben sie sich gemeinsam mit tatkräftiger Unterstützung von Mitgliedern der Goldenen Zitronen, von Green Apple Sea und The Robocop Kraus zu Hause bei Sängerin Betty Mugler einquartiert. Instrumente, Verstärker und Mikros wurden zwischen Eichenkommoden und Ohrensessel gequetscht, um die kreativen Funken fliegen zu lassen, während Omas alter Kronleuchter warmes Licht auf die Orientteppiche auf dem Parkettboden siebte. Herausgekommen ist eine erstaunliche musikalische Waspassiertdannmaschine, an der jederzeit eine Jack-in-the-box-Klappe aufspringen oder plötzlich an anderer Stelle die Konfettikanone knallen kann. Fiepende New-Wave-Gitarren braten über rumpelnd nach vorne stürmende Punkbeats, im Hintergrund kräht ein Kinderkeyboard, urplötzlich reißen sie das Ruder rum, schlingern in einen betrunkenen Bossa-Nova-Rhythmus, torkeln über windschiefen Akkorden vorwärts. Stilgrenzen sind was für Scheuklappenfuzzis, hier werden krude Zutaten wild vermischt. Es wird mit Schmiß und Schmackes geschrammelt, gelärmt, gefiept bis der Landarzt gesendet wird. Und daß, ohne dabei zwischen allem Tohuwabohu die Melodien zu vergessen.

Die Stimme von Betty Mugler ist zwar fast so dünn wie ein zweiter Teeaufguß mit demselben Beutelinhalt, aber sie kann piepsen, gurren, quietschen und schnurren. Sie säuselt und kreischt, manchmal fast mit einem glitzernden Hauch von Wahnsinn im Timbre. Und sie zeigt sich trotz beschränktem Stimmvolumen enorm modulationsfähig im Ausdruck. Und so obskur viele der Stücke daherkommen, so verwirrt man zwischendurch die Augenbrauen runzelt: Immer dann, wenn man nicht damit rechnet, hauen sie einen neuen Ohrwurmrefrain raus, der einem das gesamte Frühstück über durch den Kopf saust. Die Mundwinkel klemmen schmunzelnd knapp vor den Ohrläppchen fest, das Tanzbein zuckt unterm Tisch.

Den Schalk haben sie im Nacken, die schrägen Franken. Locken Dich auf Fährten, wo Du denkst "Hey, das kenn ich, das ist doch...", um dann "Ätsch!" zu sagen und Dir die lange Nase zu zeigen, indem sie völlig anders weiter machen. Meinst Du gerade noch einen unveröffentlichten Track des letzten Portishead-Albums entdeckt zu haben, drücken sie irgendeinen blinkenden Knopf und schwupps findest Du Dich in einem fitzeligen Gute-Laune-Popper wieder. Auch wenn ruhige Momente zwischendurch nicht zu kurz kommen: Dies ist eine enorm energiegeladene, zappelige Platte, ständig unter Druck, lärmend, hektisch, lebendig. Das Zuhören gleicht fast dem Spielen mit aufgedrehten Kindergartenkindern. Zwischendurch machen sie Dich mit ihrem Herumgewusel und Krach fast wahnsinnig, trampeln kichernd auf Deinen Nerven rum, aber gerade auch das macht einen Heidenspaß. Raus aus den Federn, der Tag lacht Euch entgegen.

(Ole Cordsen)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Stars, stripes, razor banner
  • Slave day
  • Spider

Tracklist

  1. Stars, stripes, razor banner
  2. Slave day
  3. Sort of privacy
  4. Gogogo
  5. Musiclove
  6. Fear loads trouble
  7. Spider
  8. Girlfriend
  9. Agent No. 1
  10. Friends or...?
  11. Father & daughter

Gesamtspielzeit: 40:53 min.

Bestellen bei Amazon

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Anhören bei Spotify