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Various Artists - I can't relax in Deutschland

Various Artists- I can't relax in Deutschland

Unterm Durchschnitt / Broken Silence
VÖ: 29.08.2005

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

In Germany before the war

Mia. ist nicht die Band, von der man eine Revolution erwartet hätte. Mit ihrem Achtziger-Elektropop fanden die Berliner zwar viele Freunde, liefen aber nie Gefahr, als zukunftsweisend zu gelten. Doch auf einmal war alles anders: mit ihrer Single "Was es ist" wollte die Band "neues deutsches Land" betreten und trat damit vor allem einen sogenannten Skandal los. Die Pawlowschen Kettenhunde der Antifa sahen in Mieze & Co. plötzlich Neonazis, und auch sonst eher liberale Musikjournalisten schossen sich schnell auf die Band ein. Ebenso erging es wenig später Virginia Jetzt! mit "Liebeslieder" sowie Peter Heppner und Paul van Dyk mit ihrer Kollaboration "Wir sind wir". Was unterging: Alle drei Lieder sind zwar völliger Mist, weisen aber keine nationalistische (oder gar nationalsozialistischen) Tendenzen auf.

Im gleichen Sommer, in dem Morrissey "I've been dreaming of a time when / To be English is not to be baneful / To be standing by the flag not feeling / Shameful, racist or partial" sang, kochten in deutschsprachigen Internetforen und Musikmagazinen die Emotionen hoch. Die Diskussionen zum Thema wurden durch Sampler wie "Perfekte Welle - Musik von hier", der Forderung nach einer Deutschquote und (wirklich bedenklichen) Songs wie Flers "Neue deutsche Welle" noch weiter angeheizt. Popmusik war plötzlich wieder ein Politikum, und von solchen kann der Deutsche an sich ja nicht genug bekommen.

Als Reaktion darauf liegt jetzt ein hübsches rotes Büchlein vor, in dem sich verschiedene Personen und Gruppen zum Thema Popmusik und Nation äußern. Die dort präsentierten Texte schwanken zwischen kontrovers und bemüht intellektuell, liefern aber zumindest einen interessanten (wenn auch leicht schlagseitigen) Überblick über die Debatte und ihre Auswüchse. Für Plattentests.de interessanter ist allerdings der beiliegende Sampler, auf dem überwiegend deutsche Künstler darlegen wollen, warum sie mit Deutschland nichts anfangen können. Diese augenscheinliche Dialektik, der sich auch die Organisatoren bewußt sind, soll dabei ebenso außen vor bleiben wie die Texte und die Debatte an sich. Auch wenn der Sampler natürlich etwas anderes will: Wir sehen ihn einfach mal als Sammlung zeitgenössischer Musik an.

Durchaus große Namen haben sich da versammelt, darunter auch übliche Verdächtige. Aber was paßt auch besser zu dem Thema als Tocotronics "Aber hier leben, nein danke"? Muff Potter geben einen Vorgeschmack auf ihr neues Album und fassen mit "Punkt9" das ganze Politikum in 2:55 Minuten rockig zusammen. Daß sie damit am Ende ebenso oberflächlich davonkommen wie die kritisierten Bands, wissen die Münsterländer selbst - weswegen sie ihren Track auch mit ungewohnt überproduziertem Pop-Appeal enden lassen. Neben viel Elek- und Indietronik, die das Album mitunter ebenso kompliziert erscheinen läßt wie das Büchlein, reißen es einige ausgewiesene Lieblinge wieder raus.

The Robocop Kraus haben aus ihrem hervorragenden aktuellen Album "They think they are The Robocop Kraus"nämlich "Concerned, your secular friends" zur Verfügung gestellt, Die Sterne haben ihren Soundtrack-Beitrag "Sorglos" dabei, und Superpunk hoffen in einer Live-Version auf "Matula", der sie raushauen soll. Am besten zusammengefaßt wird das ganze Anliegen nicht etwa von Knarf Rellöms "Arme kleine Deutsche" (obwohl auch das sehr augenzwinkernd gelungen ist), sondern von einem Song, den wir eigentlich schon kannten. "Immer auf der Suche / Der Suche nach den Schuldigen / Einer muß es immer sein / Einer muß, ganz allein" singen Kettcar bei "Einer". Und das kann man ja so oder so verstehen.

(Lukas Heinser)

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Highlights

  • Aber hier leben, nein danke (Tocotronic)
  • Punkt9 (Muff Potter)
  • My love is still untold (Kante)
  • Things (Lawrence)

Tracklist

  1. Gegenstück (Monochrome)
  2. Einer (Kettcar)
  3. Aber hier leben, nein danke (Tocotronic)
  4. Achtung! (Räuberhöhle feat. Saalschutz)
  5. Fin de Millinaire (Die Goldenen Zitronen)
  6. I'm disco (Discontent Mix) (Rhythm King And Her Friends)
  7. Wipe that sound (Mouse On Mars)
  8. The daily match (Lali Puna)
  9. Punkt9 (Muff Potter)
  10. Diskretion deluxe (Peters feat. Egotronic)
  11. Concerned, your secular friends (The Robocop Kraus)
  12. My love is still untold (Kante)
  13. Warum nicht 2 (Bernadette La Hengst)
  14. Sorglos (Studioversion) (Die Sterne)
  15. Slow down for a fast trip (2005) (Von Spar)
  16. Business of strangers (Stella)
  17. Arme kleine Deutsche (Knarf Rellöm)
  18. Noch nie/nicht mehr (T.Raumschmiere)
  19. Matula (live) (Superpunk)
  20. Things (Lawrence)

Gesamtspielzeit: 76:47 min.

Referenzen

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