Manic Street Preachers - Lifeblood
Epic / Sony
VÖ: 01.11.2004
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Aderlaß
Schon lange wissen wir, daß Friedensnobelpreisaspirant Bono ein großes Herz hat, das er nur zu gerne weit öffnet. Ebenso gerne öffnet er die Türen seines Popmarts. Manchmal auch zu weit. Nun haben sich Bonos Predigerkollegen James Dean Bradfield, Nicky Wire und Sean Moore zum Großeinkauf entschlossen: Zutaten für das verflixte siebte Album. Denn die Vorratskammer war nach dem Fünf-Sterne-Best-Of-Menü "Forever delayed" und dem B-Seiten-/Raritäten-Eintopf "Lipstick traces" komplett geplündert.
Im Anschluß an die letzte große Welttournee hatte sich ein ungebetener Gast an den Tisch gesellt. Er gab eine Art Suppenkasper, hieß aber eigentlich Zweifel. "Warum sollten wir weitermachen? Wir haben doch schon genug erreicht und alles gesagt! Was soll denn jetzt noch kommen?", nörgelte er, während mögliche Antworten im Suppenteller versenkt wurden. Lange mußten die Manic Street Preachers aber nicht im Trüben fischen: Freundschaft blieb schnell im Netz hängen und erklärte deutlich, daß sie das "Lifeblood" der Band sei. Und dann wurden die Lederjackett-Ärmel hochgekrempelt und Pläne geschmiedet. Schluß mit all dem Anprangern, der Wut und Verbitterung von "Know your enemy". Für das erste Studioalbum seit drei Jahren also alles auf Null. Besinnen auf das Wahre, Schöne, Gute.
Zusammen mit dem Manics-typischen Bombast, der wie ein prächtiges Schiff, das feierlich in hohe See sticht, klingt, geht die Reise zunächst ins Gründungsjahr des gemeinsamen Mikrokosmos: "In 1985 [...] friends were made for life / Morrissey and Marr gave me choice." Dieser Blick auf die Grundmauern ist wohl das Beste, was man tun kann, wenn die Statik wackelt. Und: sich seiner alten Helden von damals entsinnen. New Order zum Beispiel. Oder gar ABBA! "A song for departure" stampft rhythmisch - man hat Agnethas weiße Lack-Stiefelchen förmlich vor Augen. Und klassische Popchöre im Ohr. Selbstverständlich fehlen auch die federnden ABBAschen Keyboard-Oktavspielereien nicht. Mit diesem Lied könnte man den Eurovision Song Contest gewinnen. "The love of Richard Nixon" (in England gleich auf den Vizethron gehüpft) setzt musikalisch dort an, wo "There by the grace of God" aufgehört hat.
Der "The holy Bible"-Verehrer wird verständnislos seine Augenbrauen hochziehen. Die Manics haben eine Pop-Platte gemacht. Von Greg Haver und Altmeister Tony Visconti (David Bowie) produziert und gemixt von Tom Elmhirst (Goldfrapp). Glatt. Lupenrein. Eingängig. Das verstört zunächst. Wenn man aber seine Erwartungen an ein Manic-Street-Preachers-Album einfach mal über Bord wirft, macht "Lifeblood" jedoch tatsächlich Spaß. Und die gewohnt tiefgründigen und ausgefeilten Texte sind nach wie vor ein gutes Steuerrad. Beruhigend.
Zurück zu Popsupermarkt-Leiter Bono: Er hat den Manics eine Familienpackung Keyboardgeplänkel vermacht. Aus eigenem Anbau. Schmeckt bei "Empty souls" in Verbindung mit bittersüßen Gitarrensoli ausgezeichnet. "To repel ghosts" klingt majestätisch und zugleich abenteuerlich. Wie ein König, der mit leuchtenden Pfadfinder-Augen durch die Geheimgänge seines Schlosses strolcht. Auch "Solitude sometimes is" bedient sich der großen Geste. Und eines lächelnden Glockenspiels. "Always/never" legt mit seinem vorwitzigen Baß gar die Assoziation INXS nahe und ist vielleicht der beste und offensichtlichste Popsong auf "Lifeblood". Allein "Glasnost" verwirrt etwas durch stimmliche Nähe zu Jon Bon Jovi und ins Unendliche hallende Gitarrenklänge, die an die späten Queen erinnern. Pop und Mut steht den Manics gut. Aber, ganz ehrlich: Das Altbewährte steht ihnen noch besser.
Highlights
- 1985
- Always/never
- Solitude sometimes is
Tracklist
- 1985
- The love of Richard Nixon
- Empty souls
- A song for departure
- I live to fall asleep
- To repel ghosts
- Emily
- Glasnost
- Always/never
- Solitude sometimes is
- Fragments
- Cardiff afterlife
Gesamtspielzeit: 45:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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kingsuede Postings: 4072 Registriert seit 15.05.2013 |
2024-02-10 07:57:43 Uhr
Ich will von den Manics nichts Leichtes… |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 31659 Registriert seit 07.06.2013 |
2024-02-10 01:22:28 Uhr
Au ja. Ich finde irgendwie, dieses Album hat etwas sehr leichtes, gerade bei solchen Songs. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 9300 Registriert seit 26.02.2016 |
2024-02-10 00:01:16 Uhr
"To Repel Ghosts" ist sooooo schön. |
TOOL99 Postings: 390 Registriert seit 27.11.2022 |
2024-02-07 14:41:27 Uhr
Dito. Die machen immer schön was her. |
kingsuede Postings: 4072 Registriert seit 15.05.2013 |
2024-02-07 14:30:14 Uhr
Ich hole mir wahrscheinlich wieder die Buchversion. |
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Referenzen
Mansun; Suede; U2; New Order; Rialto; Feeder; Delays; Placebo; Idlewild; Six.By Seven; 3 Colours Red; Shihad; The Open; Phantom Planet; Nada Surf; South; Pulp; The Veils; The Associates; Morrissey; The Smiths; Coldplay; Arid; The Crash; Eskobar; Embrace; Echo & The Bunnymen; Simple Minds; Babybird; Badly Drawn Boy; Shine; Stereophonics; The Feelies; The Undertones; INXS; Pet Shop Boys; The Ark; Queen; Bon Jovi
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