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Morrissey - You are the quarry

Morrissey- You are the quarry

Attack / Sanctuary / Rough Trade
VÖ: 17.05.2004

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Bigmouth strikes again

Der Mißverstandene ist zurück. Sieben Jahre nach "Maladjusted" feiert Morrissey wieder einmal die Freuden von Selbstbezüglichkeit, Zynismus und Weltschmerz. Endlich. Und "You are the quarry" gerät ihm gar zum erhofften, aber nie für möglich gehaltenen Triumph. All die Jahre des Wartens, des Zweifelns, des Suchens - sie strichen vorbei und hinterließen doch kaum Spuren in Morrisseys neuesten Elogen. Noch immer spottet er mit jeder Beschreibung, noch immer wirft er mit Posen und Manierismen um sich, noch immer merkt man den Tiraden nie an, wie sehr sie eigentlich beißen und spucken.

Bei aller textlichen Finesse überbietet sich die Eloquenz nie um ihrer selbst Willen. Es ist einfach so: Noch immer schreibt kaum jemand bessere, literarischere Texte als Steven Patrick Morrissey. So ist natürlich auch "You are the quarry" voll von fabulösen Zeilen, mit denen The Mozzfather einmal mehr seinen Eigensinn feiert. "She told me she loved me / Which means she must be insane." Was auch sonst? "The woman of my dreams / She, she never came along / The woman of my dreams / Well, there never was one." Als hätte man das nicht geahnt. Natürlich wird auch der Kleinkrieg gegen die Presse und andere mißliebige Zeitgenossen gepflegt. "The critics who can't break you / They unwittingly make you." Und nebenbei verzeiht der verlorene Sohn auch noch Jesus höchstselbst.

Auch seine Wahlheimat bekommt ihr Fett weg: "In America, the land of the free, they said / And of opportunity in a just and a truthful way / But where the president, is never black, female or gay." Und trotzdem schenkt der Exilant seine Liebe der neuen Heimat genauso wie der alten. Dieser widmet er gar den vielleicht besten Track des Albums. In "Irish blood, English heart" spielt er mit den substanzlosen Nationalismus-Vorwürfen und spricht einen erfrischend naiven Wunsch aus: "I've been dreaming of a time when / To be English is not to be baneful / To be standing by the flag not feeling shameful / Racist or partial." Es ist, was es ist.

Die immerwährende Überheblichkeit Morrisseys ist einmal mehr überaus berechtigt. Nur er erfindet Songtitel wie "How can anybody possibly know how I feel?". Nur er angelt so treffsicher mit Fußnoten nach ausufernden Melodien und verwegenen Harmoniewechseln. All das zur Schau getragene Selbstbewußtsein, es ist nicht mehr Schutzwall, sondern Zeichen einer faszinierenden Souveränität. "And when you look at me you actually see me / And I've never felt so alive / In the whole of my life." Diese Abgeklärtheit tropft aus dem rührseligen Heimweh von "Come back to Camden", aus dem bitterbösen Gelärme "You know I couldn't last", sogar aus dem mit plumpen Dance-Geblinke versehenen "I like you".

Selten klang Morrisseys Gesang so in sich selbst gefestigt, nie seit seinem Solodebüt "Viva hate" wirkte er so nah an der Musik. Kein Wunder, stand er doch bei den Aufnahmen wie zu seligen Smiths-Zeiten direkt neben der Band im Studio. Und so greifen ihm die bisweilen knarzenden Gitarren, die perlenden Klavierläufe und die kecken Streicher selbst dann unter die Arme, wenn er seine Stimmbänder wie Flügel ausbreitet und einfach abhebt. Man staunt und merkt kaum, daß die Instrumentierung manchmal doch ein wenig plump geraten ist. Doch jeder Anflug von Beliebigkeit verschwindet, wenn sich Morrissey in Positur wirft. Und singt. Nicht mehr wie der junge Gott von damals, sondern wie eine reifer gewordene, beinahe weise Lichtgestalt. Und manchmal ist er ganz nah bei seinen Jüngern. "My heart is open to you."

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Irish blood, English heart
  • The first of the gang to die
  • You know I couldn't last

Tracklist

  1. America is not the world
  2. Irish blood, English heart
  3. I have forgiven Jesus
  4. Come back to Camden
  5. I'm not sorry
  6. The world is full of crashing bores
  7. How can anybody possibly know how I feel?
  8. First of the gang to die
  9. Let me kiss you
  10. All the lazy dykes
  11. I like you
  12. You know I couldn't last

Gesamtspielzeit: 47:36 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

joseon

Postings: 394

Registriert seit 04.09.2023

2024-01-29 21:21:11 Uhr
Bei mir steht "Southpaw Grammar" an der Spitze.

kingsuede

Postings: 4072

Registriert seit 15.05.2013

2024-01-29 18:45:02 Uhr
Auf jedem Album sind großartige Songs, zumindest bis einschl. Years of Refusal. Die letzten drei habe ich nicht ernsthaft gehört.

Sloppy-Ray Hasselhoff

Postings: 1738

Registriert seit 02.12.2019

2024-01-29 18:43:06 Uhr
ist zwar nicht auf der quarry, aber one day will be farewell auf der refusal ist halt 10/10. Also er kann es schon. Aber wer keine lust auf menschenhass hat, hört sich den typen nicht an.

kingsuede

Postings: 4072

Registriert seit 15.05.2013

2024-01-29 18:30:10 Uhr
Für mich sein bestes Soloalbum. Ich habe aber momentan wenig Lust auf Morrissey.

slowmo

Postings: 1128

Registriert seit 15.06.2013

2024-01-29 18:21:55 Uhr
Rund 11 Jahre später, muss ich gestehen, dass ich inzwischen "Your Arsenal" und "Viva Hate" ein bisschen besser finde, aber fast gleich auf mit "You Are The Quarry". Die 9/10 geht aber immer noch in Ordnung.

Aus heutiger Sicht fällt es mir aber tatsächlich wesentlich schwerer Morrissey so zu mögen, wie ich ihn einst mochte. Mit anfang 20 war ich phasenweise ein richtiger Fan, aber noch bevor den ganzen jüngeren Aussagen von ihm, wurde ich doch schon relativ schnell von ihm enttäuscht, als ich ihn das erste mal Live erlebte. Schon da war er wirklich ein unfassber unsympathischer Narzisst und hatte das Konzert auch früher abgebrochen, nachdem er sich unaufgefordert auf der Bühne entblößt hat (und nein ich muss nicht den nackten Oberkörper von einem über 60jährigen sehen) und wehleidig ins Publikum so etwas rief wie "dann nimmt doch gleich meinen ganzen Körper" (exakter englischer Wortlaut leider vergessen). Das fand ich damals schon hochgradig peinlich und die mystische Ausstrahlung von ihm, die ich damals noch empfand, ist da in wenigen Minuten völlig zerbröselt.

Doch wenn man es schafft seine menschlichen Eskapaden und Ansichten von der Musik zu trennen, dann muss man leider immer noch sagen, dass er ein sehr guter Musiker/Sänger ist.
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