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The Beatles - Let it be... naked

The Beatles- Let it be... naked

Apple / EMI
VÖ: 10.11.2003

Unsere Bewertung: Ohne Bewertung

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Sie konnten es nicht lassen

Man muß sich das mal vorstellen: Als die Beatles vor runden 35 Jahren mitten in den "Get back"-Sessions steckten und die Songs aufnahmen, aus denen gute zwölf Monate später ihr allerletztes Album destilliert werden sollte, war man sich längst nicht mehr grün. Zahllose Meinungsverschiedenheiten hatten die Stimmung vergiftet, und George Harrison war sogar für kurze Zeit ausgestiegen, nachdem es zu einem heftigen Disput mit dem neuen Platzhirsch Paul McCartney gekommen war. Und trotzdem kann nur in Ehrfurcht erstarren, wer sich vor Augen führt, wie viele unvergeßliche Songs selbst diese verkorksten Sessions im Endeffekt noch abwarfen. Man muß wohl schon die größte Popband aller Zeiten sein, damit einem so etwas passiert.

Mit einem einfachen Happy End war es damals aber leider nicht getan. Als die Beatles ihre Wurzelsuche schließlich für beendet erklärten, übergaben sie die Aufnahmen an den Toningenieur Glyn Johns mit der Anweisung, ein Album daraus zusammenzustellen. Johns kompilierte also eine Platte mit 15 Stücken, die jedoch nur auf recht raren Radio-Exemplaren (und ungezählten Bootlegs) erscheinen sollte. Stattdessen erschufen die Ex-Plizköpfe zunächst ihr eigentlich letztes gemeinsames Album: den Geniestreich "Abbey Road". Nachdem die Band mit dem Ausstieg von Paul McCartney endgültig das Zeitliche gesegnet hatte, gab man das noch herumliegende Material in die Hände des schon damals legendären Breitwand-Produzenten Phil Spector, um einen Soundtrack für den anstehenden Dokumentarfilm über das Projekt "Get back" vorlegen zu können. Was der aus den Songs machte, ist bekannt und erschien schließlich als streitbarstes aller Beatles-Alben im Mai 1970 unter dem Titel "Let it be".

Und jetzt muß man sich das mal vorstellen: Gute 33 Jahre später hört sich Paul McCartney, der Spectors orchestraler "Let it be"-Version schon damals wenig abgewinnen konnte, die originalen Aufnahmen noch mal an und ist ganz hin und weg ob des unverfälschten Klangs der Bänder. Flugs gibt man bei Apple eine Überarbeitung in Auftrag, an deren Ende schließlich "Let it be... naked" steht. Samt des markigen Untertitels "as it was meant to be". Nicht die schlechteste aller denkbaren Ideen, möchte man meinen. Aber eigentlich fängt hier der ganze Ärger erst an.

Natürlich ist die Musik auf "Let it be... naked" über viele Zweifel erhaben. "Across the universe" wird ohne Chor, Streicher und Bläser zum intimen Folk-Outtake. Das kaum veränderte "Get back" ist auch 2003 noch der feisteste Gitarrenrock, den man sich vorstellen kann. Und Harrisons großartig schräggelegte Albernheit "I me mine" macht befreit von ein paar Kilo Bedeutungsschwere vielleicht sogar noch ein bißchen mehr Spaß als in der Originalversion. Warum aber wurde die Tracklist scheinbar mutwillig verändert? Wieso fehlen die verschmitzten Sprachfetzen, die das Album einst zusammenhielten? Und hätte man nicht wenigstens vom charmant-überholten Klang des Originals die Finger lassen können?

Scheinbar nicht. Und so klingt "Let it be... naked" zwar immer noch wie die Beatles und damit wie das Werk einer Band, die nicht nur ihrer, sondern auch unserer Zeit weit voraus war und ist. Und doch klingt es nicht so toll, wie es hätte werden können. Daß die reduzierten Versionen nicht immer ziehen, und "The long and winding road" ohne Pomp nur bedingt funktioniert, ist freilich eher ein Fehler des Konzepts als der Nachbearbeiter. Daß man dem Titelsong aber ausgerechnet George Harrisons glorios verzockte Gitarre nehmen mußte, darf nicht nur Nostalgikern wehtun. Und vielleicht muß man nicht mal ein solcher sein, um sich zu fragen, wieso man nicht einfach jenes Album veröffentlichen konnte, daß damals von Glyn Johns konzipiert wurde. Das wäre nämlich wirklich "'Let it be' as it was meant to be" gewesen.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Get back
  • I me mine
  • Across the universe

Tracklist

  1. Get back
  2. Dig a pony
  3. For you blue
  4. The long and winding road
  5. Two of us
  6. I've got a feeling
  7. One after 909
  8. Don't let me down
  9. I me mine
  10. Across the universe
  11. Let it be

Gesamtspielzeit: 35:05 min.

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