Albert Hammond, Jr. - Francis trouble
Red Bull / Sony
VÖ: 09.03.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Nagel der Welt
Wer häufiger mit PR- und Promotexten zu tun hat, dem bleibt manchmal wenig erspart. Nicht selten schaffen es in biografische Abhandlungen zu semi-bekannten Künstlern auch solch tolle Sätze wie "Ein Rockstar war geboren." Die menschliche Geburt an sich bleibt ein ungleich größeres Wunder der Natur, selbst wenn man den Bekanntheitsgrad der The-Strokes-Musikanten subtrahiert. Zu seiner Geburt jedenfalls hat Albert Hammond, Jr. einen besonders aufwühlenden Bezug: Seine Mutter Claudia hatte 1979 eine Totgeburt. Albert Jr. kam nicht mit seinem Zwillingsbruder Francis zur Welt, sondern alleine. Wissend um diese Familiengeschichte, erfuhr das Strokes-Mitglied erst mit 36 Jahren und eher zufällig über Verwandte, dass bei der Geburt doch ein Teil von Francis mit ihm gemeinsam den Mutterleib verließ: dessen Fingernagel. Grund genug für Hammond, womöglich verborgene Aspekte seiner Identität und der von Francis zu erkunden: Was teilte er im Mutterleib mit dem totgeborenen Zwillingsbruder? Was verband die beiden? Und was verbindet sie womöglich heute noch?
Ein interessantes, aber leicht verstörendes Konzept also liegt Hammonds viertem Studioalbum "Francis trouble" zugrunde, dessen Spannungsfeld mit der Zeile "How strange the feeling / To be strangers" aus "Strangers" sicher nicht hinreichend beschrieben ist. Musikalisch wagt Hammond im Vergleich zu den Vorgängern nichts wirklich grundsätzlich Neues, aber geht in Gänze deutlich mutiger zu Werke. Füttert seinen markant-luftigen Sound mit neuen Elementen, wagt auch mal Steps abseits des Pfades, auf dem man den Strokes-Gitarristen mit der feinen Klinge bisher sah. Nach einem derart schönen Stück wie dem melodieverliebten "Tea for two" jedenfalls, inklusive Saxophon und zarten Chören zum Finale, würden etliche hauptamtliche Songtüftler und Virtuosen sich die Finger lecken.
Apropos Fingerfertigkeit: Große Stärke ist und bleibt natürlich Hammonds Gitarrenspiel, welches in stürmischen wie ruhigen Momenten auch auf "Francis trouble" im Fokus steht. Zunächst jedoch darf es krachen: Nicht nur das wunderbar schmissige "Far away truths" rasiert Schneisen durch seine eigenen Strophen, um den hübschen Refrain besonders fein heraus zu zupfen. Auch "DvsL" ist ein hibbeliger Zeitgenosse und macht zum Auftakt klar, dass hier jemanden etwas aufwühlt. Mit "Screamer", einem knackigen Bluesrocker, huldigt der Kalifornier im Mittelteil sogar kurzweilig den Helden der Siebziger. Als echtes Highlight mutet das etwas entrückte "Muted beatings" an. Mit fein eng getaktetem Drumming und den verhuscht-zarten Gitarrenlicks zeigt das Stück einen etwas subtileren Ansatz, der voll und ganz aufgeht – natürlich ohne die markante Coolness über Bord zu werfen, die auch Hammonds Solowerk in verschrobener The-Strokes-Manier innewohnt.
"Like a heartbeat under your shirt / Like a hard reach into the dirt / But I can't breathe under your skirt", heißt es dazu. Doch so klar der offentlichtliche Hintergrund von "Francis trouble" ist, auf der konkreten Textebene bewegt sich Hammond nicht selten inmitten von dichten Nebelschwaden. Heißt: Nicht immer ist klar, aus welcher Perspektive das lyrische Ich erzählt. Mit Hammonds Gedanken, oder durch Francis' imaginative Stimme? Doch letztendlich wird der Hörer Zeuge, dass der Fingernagel etwas bewegte: "You got me thinkin' / Are we closer than before?", sinniert der Mann, der am neunten Tage des vierten Monats geboren wurde und seine neue Platte exakt nach 36 Minuten beschließt. Ob wir es jemals erfahren?
Highlights
- Far away truths
- Muted beatings
- Tea for two
Tracklist
- DvsL
- Far away truths
- Muted beatings
- Set to attack
- Tea for two
- Stop and go
- Screamer
- Rocky's late night
- Strangers
- Harder harder harder
Gesamtspielzeit: 36:00 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Gomes21 Postings: 4887 Registriert seit 20.06.2013 |
2018-04-10 21:45:00 Uhr
Wirklich ein spaßiges Teil, hätte nicht gedacht, dass ich von ihm wirklich mal ein komplettes Album gut finde.Highlights sind für mich Far Away Truths, Muted Beatings, Tea for Two, Stop and Go. |
Sebastian555 |
2018-04-10 21:33:34 Uhr
Far away truths, muted beatings, set to attack. Alleine diese dreierfolge ein einziger kracher. Total underrated! |
Jaggy Snake Postings: 851 Registriert seit 14.06.2013 |
2018-03-30 21:05:56 Uhr
Sehe ich ganz genau so. Ziemlich runde Sache. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 19949 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-03-30 20:42:55 Uhr
Tolles Album, macht mir grade sehr viel Spaß. Schnörkelloser 00er-Indie-Gitarrenpop, stellenweise klingt's fast 1:1 wie die alten Strokes, aber durchweg starke Songs und stimmungsmäßig auch durchaus vielseitig, bzw. generell melancholischer als erwartet. 7,5/10. |
Halber Tammond |
2018-03-05 19:16:49 Uhr
Gebe Tom Recht, was die ersten drei angeht (Mit Momentary Masters als mein Favorit, obwohl es hier am schlechtesten weg kam) und bin entsprechend gespannt auf das vierte. |
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Referenzen
The Strokes; Julian Casablancas; Julian Casablancas + The Voidz; The Last Shadow Puppets; The Coral; The Zutons; The Libertines; Peter Doherty; Arctic Monkeys; Television; Babyshambles; Dirty Pretty Things; The Rifles; The Vaccines; Bloc Party; The Virgins; Nickel Eye; Phoenix; Little Joy; Blur; Vampire Weekend; Interpol; Julian Plenti; Mando Diao; The Futureheads; Black Rebel Motorcycle Club; The Rolling Stones; The Black Keys; The Black Lips; The Verve; The Smiths; Morrissey; Paul Weller; The BraveryThe Cribs; The Stooges; The Clash; The Kills; The Dandy Warhols; Beck; Pavement; Adam Green; Arcade Fire; The Horrors; Modest Mouse; Hot Hot Heat; The Velvet Underground; Bob Dylan; Beady Eye; Noel Gallagher's High Flying Birds; Liam Gallagher; Oasis
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