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Fortuna Ehrenfeld - Hey Sexy

Fortuna Ehrenfeld- Hey Sexy

Grand Hotel Van Cleef / Indigo
VÖ: 18.08.2017

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Dosierter Draufschiss

Erwachsensein bedeutet, Dinge zu tun, von denen man denkt, man müsste sie tun. Dabei muss man ja bekanntlich eigentlich gar nichts. "Atmen schon", entgegnet manch einer, "erstick bitte", denkt man zurück, aber es stimmt ja: Wer wirklich auf alles scheißt, der stirbt am Ende. Auch keine so gute Option. Der Mittvierziger Martin Bechler a.k.a. Fortuna Ehrenfeld durchwälzt auf seinem zweitem Album "Hey Sexy" jugendlich Elementares. Die Essenz: dosierter Draufschiss. Gefährdet niemandes Leben, bewahrt aber dafür Haltung: "Lieber am Arsch als einer von denen", so singt er es in "Das letzte Kommando".

Bevor das allerdings formuliert ist, widmet sich der Kölner im eröffnenden Pianostück "Der Puff von Barcelona" einem blind verliebten Banker, der besoffen durch die U-Bahn randaliert, und doch zur Schalteröffnung wieder funktionstüchtig dasteht. Nebenbei wird die auf dem Album federführende Orgel vorgestellt, die auch in der Erstauskopplung "Zuweitwegmädchen" eine zentrale Rolle einnimmt. Der Song übt sich im Vermissen, Bechler schreibt seiner Holden handschriftlich und bewahrt dabei den Glauben an das Einfache, Ehrliche. Genauso empfindsam erscheint das schwärmerisch ausgestaltete Liebeslied "Bengalo", welches sich als legitime Neuauflage des Werbeklassikers "Merci, dass es Dich gibt" präsentiert. Der Singer-Songwriter verteilt munter Komplimente, verschenkt aber schließlich wahre Liebe statt einer Packung Pralinen, von denen man immer nur die Hälfte mag.

Wo "Hey Sexy" über weite Strecken langsamere, ruhigere Töne anschlägt und der rauen Singstimme viel Platz einräumt, gibt es auch wildwüchsigere Tracks. So zum Beispiel "Hundeherz", das nach anderthalb Minuten schier explodiert, wenn die verzerrte Gitarre den Himmel aufreißt und kurz vor Ende noch mal eine Steigerung einläutet. Hier wird Simplizität erneut zur Stärke erhoben, statt zur Schwäche degradiert, zumal "Nach Diktat verreist" haargenau weiß, dass die kürzeste Kausalität das nachhaltigste Glück verspricht: "Haste Bock auf Rakete? Dann werd' Astronaut", heißt es zum stoischen Geklacker des Drumcomputers. Musikalisch noch ein My verdichteter lässt "Glitzerschwein" den gesungenen Imperativ zu Beginn fordernd durch die Szenerie marschieren, ein fröhliches Piano hebt die Stimmung jedoch aus dem Drastischen, und Bechler macht offen Mut: "Es ist noch lange nicht vorbei", obgleich die Müdigkeit aus "Penn' könn'" in jedem Glied schmerzt. Dort liegt er wach, und trotz seiner Wut verbietet es ihm die einzuhaltende Contenance zu weinen. "Ich will mich nicht immer noch mehr zusammenreißen / Und alles, was blöd ist, mit Torten beschmeißen", erklärt er den herbeieilenden Saiten und unternimmt den nächsten Ausbruchsversuch.

Wenn "Hey Sexy" zu Ende geht, zieht der Barde in "Irgendwann der Sommer" seine Schlüsse und erklärt die ständige Selbstzähmung zum totalen Unziel. Er zerlegt sich in seine Einzelteile und wird zum Geratter eines Schraubwerkzeugs neu zusammengesetzt. Bringt nix. Man bleibt ja doch der, der man ist. Fortuna Ehrenfeld verzichtet auf jede Selbstleugnung und lässt wie in "Gegen jede Vernunft" Kindheitsnostalgie auf Bier treffen. Bechler flüchtet auf "Hey Sexy", vom Produzenten René Tinner elektronisch gebettet und beim Grand Hotel van Cleef veröffentlicht, auch schon einmal ins Surreale. Vielleicht um nicht zynisch zu werden, vielleicht auch einfach, um durchzuhalten. Oder eben um nicht immer nur Dinge zu tun, von denen man denkt, man müsste sie tun.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Der Puff von Barcelona
  • Das letzte Kommando
  • Zuweitwegmädchen
  • Glitzerschwein
  • Penn' könn'

Tracklist

  1. Der Puff von Barcelona
  2. Bengalo
  3. Das letzte Kommando
  4. Ey, Ändi!
  5. Zuweitwegmädchen
  6. Nach Diktat verreist
  7. Gegen die Vernunft
  8. Hundeherz
  9. Glitzerschwein
  10. Penn' könn'
  11. Endlos weit weg
  12. Irgendwann der Sommer

Gesamtspielzeit: 41:29 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Grizzly Adams

Postings: 4585

Registriert seit 22.08.2019

2021-05-27 22:22:38 Uhr
Wie sympathisch dieses Album rüberkommt... Vorfreude auf den nächsten Output steigt beim Hören von Hey Sexy nochmal richtig...

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2019-02-07 18:35:39 Uhr - Newsbeitrag

Die Karriere von Martin Bechler, dem Kopf hinter Fortuna Ehrenfeld, ist beachtlich: Jahrzehnte lang nur hinter den Kulissen als Studiobetreiber und Songschreiber für andere Künstler aktiv, startet Bechler 2016 sein "eigenes" Soloprojekt. Inzwischen verbucht er zwei Alben, ausverkaufte Konzerte und himmelhochjauchzende Pressestimmen. Heute kündigen Fortuna Ehrenfeld für den Mai 2019 neue Tourdaten an.

Im August 2017 war das aktuelle Album "Hey Sexy" über Grand Hotel van Cleef erschienen, zuletzt wurde noch die Single "Das letzte Kommando" veröffentlicht, die Fortuna Ehrenfeld auch im ARD bei "Druckfrisch" präsentierten.

Nun stellt Fortuna Ehrenfeld - auf Platte ein Soloprojekt von Bechler, auf der Bühne ein fulminantes Trio - neue Musik in Aussicht und kündigt neue Tourtermine für den Mai des Jahres an. Vorher stehen noch weitere Konzerte, u.a. im WDR Rockpalast oder beim Popsalon Festival, an. Limitierte Hardtickets für die Mai-Konzerte sind ab jetzt im Shop des Labels erhältlich.



Fortuna Ehrenfeld - Live 2019

06.03. Köln, Delayed Night Show
15.03. Bielefeld, Nr.z.P.
16.03. Kaiserslautern, Kammgarn
22.03. Bonn, WDR Rockpalast
12.04. Bocholt, Alte Molkerei
13.04. Osnabrück, Popsalon Festival

16.05. Aachen, Musikbunker
17.05. Münster, Sputnikhalle
18.05. Rostock, Stadtpalast
19.05. Berlin, BiNuu
21.05. Wiesbaden, Schlachthof
22.05. Stuttgart, clubCann
24.05. A - Graz, Orpheum Extra
26.05. München, Ampere
28.05. Bremen, Tower
29.05. Hamburg, Gruenspan
30.05. Paderborn, Kulturwerkstatt
31.05. Köln, Gloria

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2018-10-13 14:11:24 Uhr - Newsbeitrag
Seit im Sommer 2017 das aktuelle Album "Hey Sexy" erschienen ist, waren Fortuna Ehrenfeld quasi ohne Pause auf Tour. Für viele gilt das Projekt von Kölner Mastermind Martin Bechler als die musikalische Neuentdeckung der letzten Jahre. Nun steht die nächste große Headline-Tour an.

Zum unkonventionellen und großartigen Liebeslied "Das letzte Kommando" haben Fortuna Ehrenfeld ein neues Musikvideo veröffentlicht. Der Song strotzt nur so vor Zeilen, die man mit Edding an Toilettenwände schmieren möchte, auch wenn man schon viel zu alt für solchen Quatsch ist: "Lieber am Arsch als einer von denen!", "Was ist bloß aus den Punks geworden? Alle machen Webdesign!", "'n Tag zum vergessen, 'n Tag wie 'n Schwein", "Absolutely nothing unimpresses me like this", "Wir sind das letzte Kommando - verliebt und loyal". Man könnte ewig so weitermachen...

Fortuna Ehrenfeld - "Das letzte Kommando" (Musikvideo)


Ob als Vorband von Kettcar, auf der Hauptbühne des Haldern Pop Festivals, oder bei eigenen Konzerten in Trio- oder Solo-Besetzung: die Auftritte von Fortuna Ehrenfeld sind geprägt von Feuer und Leidenschaft, großartigen Texten und immer einem Hauch von Gefahr.

Weitere feste Bestandteile sind mindestens eine Flasche Rotwein und das Bühnenoutfit bestehend aus Pyjama, Bärentatzen-Schluppen und Federboa. Die anstehende Tour führt Fortuna Ehrenfeld in ein paar der bisher größten Hallen der Karriere des Projekts: bereits jetzt sind erste Shows ausverkauft oder kurz davor.

12.10. Köln, Kulturkirche "Lagerfeuer Deluxe"
23.10. Hamburg, Schauspielhaus (solo)
25.10. Mannheim, Casino
14.11. Frankfurt, 25hrs Hotel The Goldman Oosbar
15.11. München, Heppel & Ettlich (ausverkauft)
16.11. A - Graz, Autumn Leaves Festival
17.11. A - Villach, Kulturhofkeller
18.11. A - Wien, Rhiz
19.11. München, Heppel & Ettlich (Zusatshow)
20.11. Regensburg, Alte Mälzerei
21.11. Nürnberg, Club Stereo
22.11. Jena, Rosenkeller
23.11. Leipzig, Moritzbastei
24.11. Dortmund, Rekorder
29.11. Paderborn, Wohlsein
04.12. Dresden, Ostpol
05.12. Berlin, Monarch
06.12. Kiel, Appartment
07.12. Hamburg, Knust
08.12. Hannover, Lux
09.12. Köln, Gebäude 9

Mr Oh so

Postings: 2973

Registriert seit 13.06.2013

2018-02-26 23:28:49 Uhr
Schöne Mischung aus poetischer Feinsinnigkeit und gerne auch etwas Albernheit. Verpackt in wunderbar mutigen musikalischen Minimalismus. Und wenn Vergleiche sein müssen, dann berührt mich das doch wesentlich mehr als der intellektuelle Bierzeltschlager von Kettcar.

Pascal

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 651

Registriert seit 13.02.2013

2017-08-30 00:38:23 Uhr
Komm schon: Sowas wie "beim Barte des Proleten" ist doch großartig :)
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