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Einar Stray Orchestra - Dear bigotry

Einar Stray Orchestra- Dear bigotry

Sinnbus / Rough Trade
VÖ: 17.02.2017

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Schlafen im Wandel

Ein Metronom gibt den Takt vor. Stetig klickt es im Ohr, verschlafene Streicher quälen sich nach einiger Zeit aus den Federn und gehen müde an die Arbeit. Eine Stimme erhebt sich. Einfühlsam, aber irgendwie klagend. Außer dem immer noch stur pendelnden Metronom wissen sie aber alle nicht so recht, wohin mit sich. Bis Einar Stray die Lethargie auflöst: "I'm tired of the tiredness!" Und mit dem einsetzenden Beat ist alles an seinen Platz auf "Dear bigotry", seinem zweiten Longplayer als Einar Stray Orchestra. Der Norweger weiß eben, wie man gleich den Beginn eines Album so perfekt theatralisiert, dass sogar gestandenen Chefredakteuren schon mal die Höchstwertung durch den vor Freude ganz euphorisierten Kopf schwirrt. Ein Punktevergabe-Drama gibt es diesmal jedoch nicht. Drama – das kann Einar Stray selbst ja ohnehin besser als die Redaktion.

Was er sogleich mit dem zweiten Song und Titeltrack doppelt und dreifach unterstreicht. Ein treibender Rhythmus paart sich mit einer lieblichen Melodie, das gezeugte Kind ist eine lärmige Gitarre, die sich im wallenden Crescendo mehr und mehr anschickt, den Song zu zersägen. Es ist nicht das einzige Stück, das mit dem Kopf in die Soundwand will. Stray hat das Begleitorchester aus gutem Grund in sein Moniker mitaufgenommen und macht von der Schlagkraft der Instrumente exzessiv Gebrauch. Pompös ist das, manchmal scheinbar erdrückend, aber immer dem Song selbst dienlich. Ruhige Momente wie das nur von Klavier getragene "Seen you sin" oder "20.000 nights", welches zu einem ordentlichen Teil an Sufjan Stevens' organischere Werke erinnert, treten selten auf, entfalten dafür ihre Wirkung innerhalb des Kontextes umso mehr.

Schnöder Bombast-Exzess und Gipfel-Hopping ist jedoch nicht die Sache von Einar Stray. Selbst wenn er sich mit der Single "Penny for your thoughts" in sehr straighte Fahrwasser begibt, umhüllt auch die stets leicht außerweltliche Zauberwald-Atmosphäre des Albums solche Quasi-Hits. Ebenso wie das in seinem Stakkato leicht anstrengenden "As far as I'm concerned", in welchem das Orchester mehrfach schlagartig in die Hörmuschel donnert. Seine Meisterschaft findet Stray dagegen ohnehin in ausgeklügelten Epen. "Glossolalia" lässt sich zunächst zwei Minuten von einem hektischen Sprachsample den Weg freimachen, um mit Grandezza im Anschluss aufzutreten. Noch besser ist "Somersaulting": Der spannende Gegensatz zwischen der schwermütigen Bridge und dem gelösten, wunderhübschen Refrain samt perlender Gitarre verfolgt noch weit nach dem Abklingen der finalen Klimax.

In jenem Song blitzt überraschend ein seltener Fund von Brandaktualität durch. "We were nodding our heads in unison / We were too proud to notice where the crowd went wrong." Gibt es im Märchenhaus etwa doch Tageszeitungen? Da können die Albumtitel noch so sehr "Politricks" und die allgegenwärtige "Dear bigotry" anklagen – für Musik mit klaren Ansagen sind Einar Stray Orchestra am Ende doch nicht zu haben. Gut so. Denn wenn "Synthesis" auf orchstralen Schwaden noch ein letztes Mal furios das Aufbäumen probt, hat man die Realität für eine gloriose Dreiviertelstunde Schlafwandeln in der Traumwelt vollkommen außer Acht gelassen. Für die letzten Sekunden bleibt bezeichnenderweise nur noch ein weißes Rauschen übrig. Träum schön!

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Dear bigotry
  • Glossolalia
  • Somersaulting
  • Synthesis

Tracklist

  1. Last lie
  2. Dear bigotry
  3. Penny for your thoughts
  4. Caravelle
  5. Glossolalia
  6. As far as I'm concerned
  7. Seen you sin
  8. Somersaulting
  9. 20.000 nights
  10. Synthesis

Gesamtspielzeit: 45:33 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26286

Registriert seit 08.01.2012

2018-04-27 16:17:23 Uhr
Liebe Medienpartner_innen,

der Regisseur und Videokünstler Constantin Timm hat mit unserer Band Einar Stray Orchestra im Funkhaus in Berlin eine Session aufgenommen. Hier ist der Link: https://bit.ly/2FkxeTg

Vor und während ihres Konzertes im Funkhaus im Februar diese Jahres haben sie zusammen das Stück "Last Lie" mitgeschnitten, das auf dem aktuellen Album der Band "Dear Bigotry" zu finden ist. Wir freuen uns über Verbreitung.

Außerdem startet die Band heute den nächsten Abschnitt ihrer Tour in Europa. Die Daten stehen anbei.


_LIVE:
27.04.2018 - CZ - Prague, Palác Akropolis
13.05.2018 - ES - Zaragoza, Delicias
14.05.2018 - ES - Castellon, Teatre Del Raval
15.05.2018 - ES - Sevilla, Sala X
17.05.2018 - ES - Vigo, Radar
18.05.2018 - ES - Ourense, Cafe Pop Torgal
23.05.2018 - IT - Bologna, OFF
24.05.2018 - IT - Terni, Mishima
25.05.2018 - IT - Livorno, Ex Cinema Aurora
26.05.2018 - IT - Turin, Blah Blah


Ilu

Postings: 308

Registriert seit 13.06.2013

2018-02-18 04:23:15 Uhr
Ich war auch da in der Elbphilharmonie und fand es ebenfalls sehr, sehr gut. Im Nachhinein hätte ich mich allerdings für eine günstigere Kategorie entschieden - durch unseren Platz in der zweiten Reihe saßen wir direkt vor dem Drummer, wodurch der im Höreindruck sehr dominant war.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2018-02-13 22:07:40 Uhr
Ich denke schon, dass einige da waren, denen es einfach um irgendein Konzert in der Elbphilharmonie ging. Und dann sicher auch welche, bei denen es eine Mischung war. Für die war der Nochtspeicher nicht genug Anreiz für Einar Stray, die Elphi aber schon.
Stimmung war aber trotzdem gut - so weit man das bei einem Sitzkonzert überhaupt beurteilen kann. Der Fokus auf den längeren, dynamischeren Stücken war auf jeden Fall richtig ausgewählt.

Mr Oh so

Postings: 2974

Registriert seit 13.06.2013

2018-02-13 22:00:52 Uhr
Ah so, 30 Euro hätte ich vielleicht auch noch bezahlt. Hab aber nur Preise über 50 Euro gesehen, das erschien mir sehr viel.

Den kleinen Saal kenne ich gar nicht. Trotzdem: Das letzte Konzert der Band war in der Nochtwache. Da waren vielleicht 50 Leute. Wieso sind jetzt plötzlich 10 Mal so viel da?

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2018-02-13 20:29:30 Uhr
Es war im kleinen Saal, der fasst so ca. 550 Leute. War auch ausverkauft, so weit ich das sehen konnte.
Die Preise waren je nach Kategorie zwischen 20 und 55 Euro, glaub ich. Ich hab rund 30 bezahlt, war für das Gebotene absolut angemessen.
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