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Arca - Mutant

Arca- Mutant

Mute / GoodToGo
VÖ: 20.11.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Schlundmusik

Das Streben nach Glück hat sich längst als allgemeine Maxime des 21. Jahrhunderts etabliert – und damit gemeint: Konsum und Mund zu. Zahlreiche Ratgeber wollen den Weg zur Seligkeit gefunden haben, alle achten auf sich, auf ihren Körper, auf den Komfort. Entsprechend weichgespült der Soundtrack der vergangenen Jahre, auch im Indie-Bereich. Die technoiden Träume von Radiohead hat längst fast flächendeckend der Pathos-Pop von Arcade Fire abgelöst. Schließlich hat die Musik zu passen; sowohl zum Chai Latte als zur nächsten Werbung von Vodafone. Dagegen arbeitet Alejandro Ghersi als Arca. Denn wer sich wohlfühlt, verkümmert. Das Deformierte, das Verwundete steht bei ihm seit seinem Debüt "Xen" und diversen Mixtape im Vordergrund. "Wenn wir uns als Menschen unkomfortabel fühlen, dann erreichen wir Bereiche in unserem Geist, die wir sonst nicht erreichen. Ich habe einfach immer Angst vor der Routine", sagte er vor einem Jahr in einem Interview. Mit seinem zweiten Album "Mutant" bläst er diese Angst überlebensgroß auf.

Eine Stunde lang scheppern die verkrüppelten Beats auf dieser Platte, arbeiten sich aneinander ab und schaukeln sich hoch. Im Titeltrack baut der 25-jährige Produzent, der seit einiger Zeit in London lebt, verschiedene Skizzen auf, lässt nur Abstraktes versinken, bevor nach mehreren Minuten überhaupt etwas wie eine Melodie erscheint. Die paar Töne dürfen sich dann auch nur in einem ganz engen Kosmos bewegen, viel Freiraum lässt der gebürtige Venezolaner der Schönheit nicht. "Hymn" entkernt er von der Bedeutung des Namens völlig. Damit füllst Du keine Stadien, sondern Hirne. Schon in "Xen" brachte Ghersi so viel von seiner Persönlichkeit in den Songs unter, dass die Menschen auf der anderen Seite der Boxen ein Stück auf ihn zukommen müssten. Und auch "Mutant" erfordert das. Die Fragilität dieses Albums erschließt sich nicht von alleine – sie entfaltet sich nicht einmal von alleine.

Wenn "En" mit Vocal-Samples arbeitet, oder etwas, das sich danach anhört, dann nur in so verzerrter Weise, dass sich kaum ein Zugang finden lässt. Worte fallen hier sowieso nie. Ghersi arbeitet viel mehr direkt daran, dass jeder Ton für sich spricht, etwas überträgt. IDM und GlitchHop reißt er als Konzepte soweit ein, dass sie überhaupt nur noch als grobe Umrisse funktionieren. Und selbst das will nicht richtig funktionieren. Einzig "Alive" erfüllt vielleicht noch die Erweckungsphantasien des Hörers, des aktiven Sounds, der sie aus ihrem passiven Dasein in andere Sphären hebt. Doch direkt danach öffnet sich der Schlund. Jeder Track eine kleine eigene Hölle, die es zu durchleben gilt. Wohlklang? Braucht es nicht. Wer etwas über sich lernen will, über Musik, über Sound, über Kunst, der ist hier vollkommen richtig aufgehoben. Eine tiefgehendere Erfahrung bot in den letzten Monaten keine andere Platte. Dabei gehen die Hände nicht in die Höhe. Sondern in die eigenen Eingeweide.

(Björn Bischoff)

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Highlights

  • Mutant
  • Hymn
  • Enveloped

Tracklist

  1. Alive
  2. Mutant
  3. Vanity
  4. Sinner
  5. Anger
  6. Sever
  7. Beacon
  8. Snakes
  9. Else
  10. Umbilical
  11. Hymn
  12. Front load
  13. Gratitude
  14. En
  15. Siren interlude
  16. Extent
  17. Enveloped
  18. Faggot
  19. Soichiro
  20. Peonnies

Gesamtspielzeit: 62:19 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

edegeiler

Postings: 2919

Registriert seit 02.04.2014

2016-07-04 02:43:03 Uhr
Abstrakt, laut, geräuschbeladen, sehr "out there". Aber mir gefällts sehr.

Plattenbeau

Postings: 976

Registriert seit 10.02.2014

2015-11-18 08:58:20 Uhr
Das Album ist leider noch nicht komplett auf Spotify, aber die Vorboten versprechen noch so ein schön abgredrehtes Electro-Monstrum. Werde ich definitiv im Auge behalten.
retro
2015-11-18 08:50:47 Uhr
auf die musik habe ich wenig lust, aber jedenfals schon mal das cover des jahres! :)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2015-11-17 21:22:58 Uhr
Frisch rezensiert.

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