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Lindemann - Skills in pills

Lindemann- Skills in pills

Warner
VÖ: 19.06.2015

Unsere Bewertung: 4/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Reim, raus

Eigentlich verrät das Cover von "Lindemann", dem ersten Album des gleichnamigen Projekts von Rammstein-Frontmann Till Lindemann und Metal-Tausendsassa Peter Tägtgren, schon die ganze Wahrheit. Feuer, natürlich. Und übertrieben dargestellte, verzerrte Gesichter. Hat man doch irgendwo schon mal gesehen. Aber mal ehrlich: Wer bei einem Projekt von Lindemann und Tägtgren auf Neues gesetzt hat, wird wahrscheinlich auch alljährlich vom Weihnachtsfest überrascht. Denn bei allem Respekt für das Lebenswerk der beiden Veteranen gilt: Innovativ sind sie schon lange nicht mehr. Wollen und müssen sie auch nicht sein. Im Vordergrund steht die Pflege des eigenen Denkmals. Nur in Sachen Werkzeug hätten die Herren etwas wählerischer sein können – statt mit Pinsel und Pinzette bearbeiten sie den Stein nämlich mit dem Vorschlaghammer. Und das hinterlässt hässliche Spuren.

Doch der Reihe nach. "Praise abort", die erste Single, sorgte erwartungsgemäß für Aufruhr. Das bumsfidele Liedchen setzt sich auf tiefsinnige Weise mit ethischen Grundfragen unserer Zeit auseinander, ohne nach Antworten zu suchen. Zu krachenden Gitarren und bollernden Drums nölt Lindemann, wie nur Lindemann nölen kann, und man ist nach vier Minuten fast ein bisschen froh, dass der Spuk vorbei ist. Geisterbahn-Analogien drängen sich auf, so gruselig ist das Ganze. Auffälligstes Merkmal des Albums ist, dass ausschließlich auf Englisch gesungen wird. Wobei es selbstverständlich nicht im Interesse des Vokalisten liegt, feinstes Oxford English darzubieten. Stattdessen gibt es reichlich Gezische, Gepolter und lyrische Ergüsse der Marke "Why should I love when I can have fun / Wiss my ladyboy". Noch immer liebt Till Lindemann stumpfe Kalauer, und noch immer pendelt er thematisch am liebsten zwischen Schlachtbank, Bett und Dixiklo. Wenn er etwa in "Golden shower" ganz hingerissen "Let it rain from your pretty cunt" singt, ist das so ergreifend, dass man ihn kübelweise mit Exkrementen beschenken möchte.

Musikalisch zieht Kollege Tägtgren alle Register. In Sachen Bombast und Riffdichte überbieten sich die zehn Songs auf "Lindemann" gegenseitig. Dass sich bei so viel Haudrauf-Gehabe allerdings schnell Langeweile einstellt, dürfte auch klar sein. Gerade stark an Rammstein erinnernde Krawall-Stampfer wie "Fat" und "Fish on" braucht im Jahre 2015 niemand mehr. Weitaus besser gelungen sind jene Songs, die sich melodisch auf ungesichertes Terrain begeben. Das nicht nur vom Titel her an "Sonne" erinnernde "Children of the sun" ist schmissig, eingängig und mehr als erträglich. Auch das angenehm flotte "Cowboy" gefällt mit galoppierendem Groove und einer tollen instrumentalen Bridge. Dennoch ist der unablässige Dauerbeschuss aus allen Rohren und Verstärkern mehr als kräftezehrend. Spätestens bei der seifigen Powerballade "Yukon" gehen auch in Sachen Arrangement die Lichter aus.

Was jedoch wirklich an den Nerven zerrt, ist die metrische Monotonie des Texters und Sängers. Gestelzt wird rezitiert und gereimt, bis es auch der letzte Büttenredner der Nation verstanden hat. Kostprobe aus dem Titelsong: "Grey one for my perfect sleep / Yellow for my need for puke / The blue one keeps my boner steep / I drink too, just to be sure." Unmissverständlich, unbarmherzig, unnötig albern. Aber das mit der Albernheit ist so eine Sache. Denn auch hier offenbart die Betrachtung des Covers schon viele Interpretationsansätze. Ernst nehmen Lindemann sich auf keinen Fall. Wollen und können sie wahrscheinlich auch nicht, erst recht nicht beim Blick auf das etwas mitgenommen aussehende eigene Denkmal. "Ist das jetzt eigentlich Kunst?", fragt der eine. "Lass' mal ein Bier trinken gehen", sagt der andere. Na dann: Prost.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Children of the sun
  • Cowboy

Tracklist

  1. Skills in pills
  2. Ladyboy
  3. Fat
  4. Fish on
  5. Children of the sun
  6. Home sweet home
  7. Cowboy
  8. Golden shower
  9. Yukon
  10. Praise abort

Gesamtspielzeit: 45:01 min.

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User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2018-12-21 22:56:49 Uhr
Neuer Thread dazu

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31725

Registriert seit 07.06.2013

2018-12-21 22:52:13 Uhr
Was für ein Song/Video.

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3577

Registriert seit 12.12.2013

2018-12-21 22:38:25 Uhr
Das Video ist ganz witzig. Ehrlich gesagt finde beim Song noch Haftis Part am besten. Lindemann wirkte schon mal deutlich inspirierter.

Aufs neue Rammstein-Album bin ich trotzdem gespannt, vielleicht können sie ihre Karriere ja wirklich anständig abschließen. (Es soll ja das letzte Album werden - aber man weiß, wie so etwas i.d.R. endet.)

edegeiler

Postings: 2919

Registriert seit 02.04.2014

2018-12-20 23:58:04 Uhr
neuer song mit haftbefehl. mein lieber herr gesangsverein.

Superhelge

Postings: 826

Registriert seit 15.06.2013

2015-07-11 21:51:01 Uhr
Als hier -aus unerfindlichem Grund- bereits gebrandmarkter Verfechter des rrrrrrolllenden Rrrrrrrrrrrrr kann ich wohl sagen (als wenn es gewisse Leute nicht schon geahnt hätten), dass ich Rammstein mag. Als die bekannt wurden, könnte man argumentieren, war ich als zu Ende Pubertierender aber auch deren Hauptzielpublikum.

Aber auch aus heutiger Sicht finde ich vorallem Herzeleid, aber auch Sehnsucht und Mutter noch hammergeil.

Danach wurds schwächer (Reise, Reise + Rosenrot ) und LIFAD fand ich wieder deutlich besser.
Das liegt in erster Linie aber tatsächlich an Tills Texten. Musikalisch ist nach Mutter irgendwie eh alles noch gleicher geblieben.

Von Peter Tägtgren hab ich früher zu Hyprocrisy-Zeiten sehr viel gehalten, von Pain find ich nur die ersten beiden Albem gut hörbar.

Die Kollaboration hätte klasse werden können, ja sogar müssen, aber wtf? Till mit Dauerenglisch geht gar nicht und das ganze wirkt zwar fast so gut produziert wie Rammstein, aber eben zu pain-lastig. Nach der Rezi hier und den Kommentaren hier habe ich mich erst gar nicht getraut reinzuhören, aber nun, da sie hoch gecharted sind: Ja, es ist Käse. Null innovativ, 100% peinlich und überflüssig.

Es mag kindisch sein, aber rubääääh:.... Ich will die alten Rammstein mit Texten wie Seemann, Der Meister, Spieluhr, Klavier oder von den neueren 'Ich tu dir weh' oder 'Stein um Stein' zurück.

Alles andere ist kalter Kaffee...

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