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Lydia Lunch Retrovirus - Urge to kill

Lydia Lunch Retrovirus- Urge to kill

Rustblade / Broken Silence
VÖ: 22.05.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 10/10

Am Arschloch der Welt

"New York, I love you but you're bringing me down", seufzte James Murphy auf LCD Soundsystems "Sound of silver". Lydia Anne Koch alias Lunch drückt sich ein wenig undiplomatischer aus. Die amerikanische Luft? So verpestet, dass man schon vom Atmen Krebs bekommt. Die USA? Globaler Kriegstreiber Nummer eins. New York? Nicht etwa der Nabel der Welt, sondern vielmehr deren Arschloch. Folgerichtig, dass die Extrem-Performerin und semi-legendäre Protagonistin des No-Wave-Underground inzwischen hauptsächlich in Barcelona lebt und arbeitet. Und wenn es sie doch mal wieder in den Big Apple verschlägt, dann höchstens, um mit kontroversen Kunstinstallationen zu verstören. Oder um "Urge to kill" einzuspielen, eine Neubewertung ihres ruppigen Frühwerks aus den achtziger Jahren, die ähnlich klingt, wie sich der Titel liest.

Andere würden so etwas einen "Tribute to uns selbst" nennen – Koch hingegen nimmt ausgesuchte Songs klassischer Alben wie "13:13" oder "Honeymoon in red" zum Anlass, mithilfe alter Weggefährten von The Flying Luttenbachers, Pussy Galore und Child Abuse mächtig die Noise-Rock-Messer zu wetzen. Wer sich also fragt, wo die Riot Grrrls ihre Renitenz, Karen Finley die vielen F-Wörter und Courtney Love den offensiven Umgang mit ihrer Sexualität herhaben – hier werden Sie geholfen. Ob Sie wollen oder nicht. Mit donnernden Tribal-Drums, verstimmt delirierenden Gitarren und Kochs ständig zwischen Wutanfall, Brandrede und Ganzkörperorgasmus changierender Stimme. Musste vermutlich mal sein nach ihren letzten Platten mit der E-Violinistin Mia Zabelka, dem Blues-Songwriter Cypress Grove und den Goth-Folkern Spiritual Front.

Willkommen also zur Albtraummelodie, die je nach Entstehungsdatum der Originale auch 28 bis 35 Jahre später nichts von ihrer unbehaglichen Wucht eingebüßt hat. Sobald die ersten taumelnden Riffs und das Rhythmusgruppen-Stakkato des Openers "Snakepit breakdown" den Hörer beim Schlafittchen packen, ist klar: Die nächste Dreiviertelstunde wird eine aufreibende. Auch dank Zeilen wie "He says he'll be there when I die / To stick the needle in my eye / He says he loves me when I'm dead / So he just kills me until then", die genauso die zerstörerische Dynamik von Beziehungen widerspiegeln, wie sie aufgebracht gegen sexistisch motivierte Gewalt anpöbeln. Auch die rasselnden und jaulenden Stahlsaiten von "Some boys" sprengen reihenweise aufgeworfene Krater in dieses Album, Koch kreischt, stöhnt und japst bis zur Erschöpfung. Harter Stoff.

Allerdings auch aufschlussreicher, denn das stoische Gemalme von "Tied and twist" oder "Dead me you beside" verdeutlicht zudem den Einfluss, den die New Yorkerin auf die frühen Swans-Brachialitäten "Cop", "Filth" und "Greed" ausübte. Auch sie selbst lässt sich zu einer ohrenbetäubenden Verbeugung hinreißen und macht aus Suicides Horror-Moritat "Frankie Teardrop" ein eindrucksvoll unter Starkstromgitarren gesetztes Drone-Monster. Dass "Fields of fire" danach einen vergleichsweise konventionellen Punkrocker abgibt, fällt schon kaum mehr ins Gewicht, da "Urge to kill" der Status eines markerschütternden Updates gründerzeitlichen Monumental-Lärms zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr zu nehmen ist. Jetzt haben wir zwar gar nicht über Porno, Politik und Feminismus gesprochen – doch dafür ist es hier ohnehin viel zu laut.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Snakepit breakdown
  • Frankie Teardrop
  • Tied and twist

Tracklist

  1. Snakepit breakdown
  2. Some boys
  3. Lock your door
  4. Dead me you beside
  5. Still burning
  6. Frankie Teardrop
  7. Fields of fire
  8. Tied and twist
  9. Three kings

Gesamtspielzeit: 46:58 min.

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Armin

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2015-05-27 21:58:43 Uhr
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